Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dies bei mir der Fall war. Se. Excellenz ist darin offenbar falsch (!) unterrich¬
tet und es ist meine Pflicht, euch und das Land gegen diese Beschuldigungen
in Schutz zu nehmen. (Wir dächten, für diese Umtriebe ist gerade der Hirtenbrief
der bündigste Beleg, insbesondere der nachfolgende Punkt 4, worin die hoch¬
würdige Seelsorgsgeistlichkeit aufgefordert wird, auf ihrem Wege fortzufahren.
Uebrigens scheint der Bischof zu meinen, daß man entweder die Thatsachen,
welche täglich vorgehen, nicht sehe, oder Alles vergessen habe, was seit drei
Monaten geschehen ist. Man möchte sich dabei an ein bekanntes deutsches
Sprichwort erinnern, das wir aber nicht citiren wollen.)

4, Die hochwürdige Seelsorgsgeistlichkcit darf sich auch in Zukunft der
Theilnahme an dieser großen Lebensfrage Tirols nicht entziehen. Sie darf
dies, abgesehen von ihrer Amtspflicht, schon darum nicht thun, weil sonst das
Volk, wenn es seine treuen Führer nicht mehr an seiner Seite wüßte, seine
eigenen Wege gehen und so in Gefahr kommen könnte, vom Wege der Ge¬
setzlichkeit abzuirren. (So viel wir wissen, ist bis jetzt noch Niemand aus dem
Volke zur Verantwortung gezogen worden, weil er vom Wege der Gesetzlich¬
keit abirrte, wol aber ist dieses Geistlichen widerfahren.) Ich gebe mich der
Hoffnung hin, daß ihr. ehrwürdige Brüder, bei dieser Pflichterfüllung keiner Be¬
lästigung von Seite der Gerichtsbehörden ausgesetzt sein werdet, sollte diese
unsere Hoffnung sich nicht erfüllen, so seien wir eingedenk, daß dann die
Stunde gekommen sei, von der unser göttlicher Erlöser sagt: "Freuet euch und
frohlocket, den euer Lohn wird groß sein im Himmel." Sollte jemand durch
strafrechtliches Einschreiten der Behörden in Verlegenheit kommen, so versteht es
sich von selbst, daß ihr, ehrwürdige Brüder, Alles aufbietet, um den Unwillen,
der sich etwa gegen die Negierungsorgane Luft machen könnte, zu beschwich¬
tigen. (Die Beamten können sich für die hohe Protection des Bischofs be¬
danken, es ist gewiß von ihm sehr edel, daß er sie gegen Beleidigungen in
Schutz nimmt, welche ihnen voraussichtlich niemand anthun will.)

5. Ueber alle wichtigeren Vorkommnisse, namentlich insofern sie sich etwa
auf die interimistische Geltung des Patents vom 8. April d. I. beziehen
sollten, ist augenblicklich durch das betreffende Dekanatamt. oder wenn Gefahr
auf Verzug ist, unmittelbar an mein Ordinariat zu berichten. (Unter wich¬
tigeren Vorkommnissen versteht der Bischof, daß sich allenfalls da oder dort,
Keil das Patent den Protestanten das Ansiedelungsrecht einräumt, einer der¬
selben bewogen fühlen könnte, in Tirol ein Häuschen zu kaufen. Da müßte
Kan sich denn mit Leibeskräften dagegen wehren, was freilich bis jetzt über,
flüssig ist, da die "Lutherischen" sehr wenig Lust bezeigen, die Liebenswürdig,
keit unserer Ultramontanen in nachbarlicher Nähe zu genießen. Die Voraus¬
setzung des Klerus, an welche er übrigens selbst nicht glaubt, daß die Akatho-
liken von allen Seiten das gelobte Land Tirol überfluthen würden, hat sich


24*

dies bei mir der Fall war. Se. Excellenz ist darin offenbar falsch (!) unterrich¬
tet und es ist meine Pflicht, euch und das Land gegen diese Beschuldigungen
in Schutz zu nehmen. (Wir dächten, für diese Umtriebe ist gerade der Hirtenbrief
der bündigste Beleg, insbesondere der nachfolgende Punkt 4, worin die hoch¬
würdige Seelsorgsgeistlichkeit aufgefordert wird, auf ihrem Wege fortzufahren.
Uebrigens scheint der Bischof zu meinen, daß man entweder die Thatsachen,
welche täglich vorgehen, nicht sehe, oder Alles vergessen habe, was seit drei
Monaten geschehen ist. Man möchte sich dabei an ein bekanntes deutsches
Sprichwort erinnern, das wir aber nicht citiren wollen.)

4, Die hochwürdige Seelsorgsgeistlichkcit darf sich auch in Zukunft der
Theilnahme an dieser großen Lebensfrage Tirols nicht entziehen. Sie darf
dies, abgesehen von ihrer Amtspflicht, schon darum nicht thun, weil sonst das
Volk, wenn es seine treuen Führer nicht mehr an seiner Seite wüßte, seine
eigenen Wege gehen und so in Gefahr kommen könnte, vom Wege der Ge¬
setzlichkeit abzuirren. (So viel wir wissen, ist bis jetzt noch Niemand aus dem
Volke zur Verantwortung gezogen worden, weil er vom Wege der Gesetzlich¬
keit abirrte, wol aber ist dieses Geistlichen widerfahren.) Ich gebe mich der
Hoffnung hin, daß ihr. ehrwürdige Brüder, bei dieser Pflichterfüllung keiner Be¬
lästigung von Seite der Gerichtsbehörden ausgesetzt sein werdet, sollte diese
unsere Hoffnung sich nicht erfüllen, so seien wir eingedenk, daß dann die
Stunde gekommen sei, von der unser göttlicher Erlöser sagt: „Freuet euch und
frohlocket, den euer Lohn wird groß sein im Himmel." Sollte jemand durch
strafrechtliches Einschreiten der Behörden in Verlegenheit kommen, so versteht es
sich von selbst, daß ihr, ehrwürdige Brüder, Alles aufbietet, um den Unwillen,
der sich etwa gegen die Negierungsorgane Luft machen könnte, zu beschwich¬
tigen. (Die Beamten können sich für die hohe Protection des Bischofs be¬
danken, es ist gewiß von ihm sehr edel, daß er sie gegen Beleidigungen in
Schutz nimmt, welche ihnen voraussichtlich niemand anthun will.)

5. Ueber alle wichtigeren Vorkommnisse, namentlich insofern sie sich etwa
auf die interimistische Geltung des Patents vom 8. April d. I. beziehen
sollten, ist augenblicklich durch das betreffende Dekanatamt. oder wenn Gefahr
auf Verzug ist, unmittelbar an mein Ordinariat zu berichten. (Unter wich¬
tigeren Vorkommnissen versteht der Bischof, daß sich allenfalls da oder dort,
Keil das Patent den Protestanten das Ansiedelungsrecht einräumt, einer der¬
selben bewogen fühlen könnte, in Tirol ein Häuschen zu kaufen. Da müßte
Kan sich denn mit Leibeskräften dagegen wehren, was freilich bis jetzt über,
flüssig ist, da die „Lutherischen" sehr wenig Lust bezeigen, die Liebenswürdig,
keit unserer Ultramontanen in nachbarlicher Nähe zu genießen. Die Voraus¬
setzung des Klerus, an welche er übrigens selbst nicht glaubt, daß die Akatho-
liken von allen Seiten das gelobte Land Tirol überfluthen würden, hat sich


24*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112167"/>
          <p xml:id="ID_652" prev="#ID_651"> dies bei mir der Fall war. Se. Excellenz ist darin offenbar falsch (!) unterrich¬<lb/>
tet und es ist meine Pflicht, euch und das Land gegen diese Beschuldigungen<lb/>
in Schutz zu nehmen. (Wir dächten, für diese Umtriebe ist gerade der Hirtenbrief<lb/>
der bündigste Beleg, insbesondere der nachfolgende Punkt 4, worin die hoch¬<lb/>
würdige Seelsorgsgeistlichkeit aufgefordert wird, auf ihrem Wege fortzufahren.<lb/>
Uebrigens scheint der Bischof zu meinen, daß man entweder die Thatsachen,<lb/>
welche täglich vorgehen, nicht sehe, oder Alles vergessen habe, was seit drei<lb/>
Monaten geschehen ist. Man möchte sich dabei an ein bekanntes deutsches<lb/>
Sprichwort erinnern, das wir aber nicht citiren wollen.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_653"> 4, Die hochwürdige Seelsorgsgeistlichkcit darf sich auch in Zukunft der<lb/>
Theilnahme an dieser großen Lebensfrage Tirols nicht entziehen. Sie darf<lb/>
dies, abgesehen von ihrer Amtspflicht, schon darum nicht thun, weil sonst das<lb/>
Volk, wenn es seine treuen Führer nicht mehr an seiner Seite wüßte, seine<lb/>
eigenen Wege gehen und so in Gefahr kommen könnte, vom Wege der Ge¬<lb/>
setzlichkeit abzuirren. (So viel wir wissen, ist bis jetzt noch Niemand aus dem<lb/>
Volke zur Verantwortung gezogen worden, weil er vom Wege der Gesetzlich¬<lb/>
keit abirrte, wol aber ist dieses Geistlichen widerfahren.) Ich gebe mich der<lb/>
Hoffnung hin, daß ihr. ehrwürdige Brüder, bei dieser Pflichterfüllung keiner Be¬<lb/>
lästigung von Seite der Gerichtsbehörden ausgesetzt sein werdet, sollte diese<lb/>
unsere Hoffnung sich nicht erfüllen, so seien wir eingedenk, daß dann die<lb/>
Stunde gekommen sei, von der unser göttlicher Erlöser sagt: &#x201E;Freuet euch und<lb/>
frohlocket, den euer Lohn wird groß sein im Himmel." Sollte jemand durch<lb/>
strafrechtliches Einschreiten der Behörden in Verlegenheit kommen, so versteht es<lb/>
sich von selbst, daß ihr, ehrwürdige Brüder, Alles aufbietet, um den Unwillen,<lb/>
der sich etwa gegen die Negierungsorgane Luft machen könnte, zu beschwich¬<lb/>
tigen. (Die Beamten können sich für die hohe Protection des Bischofs be¬<lb/>
danken, es ist gewiß von ihm sehr edel, daß er sie gegen Beleidigungen in<lb/>
Schutz nimmt, welche ihnen voraussichtlich niemand anthun will.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_654" next="#ID_655"> 5. Ueber alle wichtigeren Vorkommnisse, namentlich insofern sie sich etwa<lb/>
auf die interimistische Geltung des Patents vom 8. April d. I. beziehen<lb/>
sollten, ist augenblicklich durch das betreffende Dekanatamt. oder wenn Gefahr<lb/>
auf Verzug ist, unmittelbar an mein Ordinariat zu berichten. (Unter wich¬<lb/>
tigeren Vorkommnissen versteht der Bischof, daß sich allenfalls da oder dort,<lb/>
Keil das Patent den Protestanten das Ansiedelungsrecht einräumt, einer der¬<lb/>
selben bewogen fühlen könnte, in Tirol ein Häuschen zu kaufen. Da müßte<lb/>
Kan sich denn mit Leibeskräften dagegen wehren, was freilich bis jetzt über,<lb/>
flüssig ist, da die &#x201E;Lutherischen" sehr wenig Lust bezeigen, die Liebenswürdig,<lb/>
keit unserer Ultramontanen in nachbarlicher Nähe zu genießen. Die Voraus¬<lb/>
setzung des Klerus, an welche er übrigens selbst nicht glaubt, daß die Akatho-<lb/>
liken von allen Seiten das gelobte Land Tirol überfluthen würden, hat sich</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 24*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0197] dies bei mir der Fall war. Se. Excellenz ist darin offenbar falsch (!) unterrich¬ tet und es ist meine Pflicht, euch und das Land gegen diese Beschuldigungen in Schutz zu nehmen. (Wir dächten, für diese Umtriebe ist gerade der Hirtenbrief der bündigste Beleg, insbesondere der nachfolgende Punkt 4, worin die hoch¬ würdige Seelsorgsgeistlichkeit aufgefordert wird, auf ihrem Wege fortzufahren. Uebrigens scheint der Bischof zu meinen, daß man entweder die Thatsachen, welche täglich vorgehen, nicht sehe, oder Alles vergessen habe, was seit drei Monaten geschehen ist. Man möchte sich dabei an ein bekanntes deutsches Sprichwort erinnern, das wir aber nicht citiren wollen.) 4, Die hochwürdige Seelsorgsgeistlichkcit darf sich auch in Zukunft der Theilnahme an dieser großen Lebensfrage Tirols nicht entziehen. Sie darf dies, abgesehen von ihrer Amtspflicht, schon darum nicht thun, weil sonst das Volk, wenn es seine treuen Führer nicht mehr an seiner Seite wüßte, seine eigenen Wege gehen und so in Gefahr kommen könnte, vom Wege der Ge¬ setzlichkeit abzuirren. (So viel wir wissen, ist bis jetzt noch Niemand aus dem Volke zur Verantwortung gezogen worden, weil er vom Wege der Gesetzlich¬ keit abirrte, wol aber ist dieses Geistlichen widerfahren.) Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß ihr. ehrwürdige Brüder, bei dieser Pflichterfüllung keiner Be¬ lästigung von Seite der Gerichtsbehörden ausgesetzt sein werdet, sollte diese unsere Hoffnung sich nicht erfüllen, so seien wir eingedenk, daß dann die Stunde gekommen sei, von der unser göttlicher Erlöser sagt: „Freuet euch und frohlocket, den euer Lohn wird groß sein im Himmel." Sollte jemand durch strafrechtliches Einschreiten der Behörden in Verlegenheit kommen, so versteht es sich von selbst, daß ihr, ehrwürdige Brüder, Alles aufbietet, um den Unwillen, der sich etwa gegen die Negierungsorgane Luft machen könnte, zu beschwich¬ tigen. (Die Beamten können sich für die hohe Protection des Bischofs be¬ danken, es ist gewiß von ihm sehr edel, daß er sie gegen Beleidigungen in Schutz nimmt, welche ihnen voraussichtlich niemand anthun will.) 5. Ueber alle wichtigeren Vorkommnisse, namentlich insofern sie sich etwa auf die interimistische Geltung des Patents vom 8. April d. I. beziehen sollten, ist augenblicklich durch das betreffende Dekanatamt. oder wenn Gefahr auf Verzug ist, unmittelbar an mein Ordinariat zu berichten. (Unter wich¬ tigeren Vorkommnissen versteht der Bischof, daß sich allenfalls da oder dort, Keil das Patent den Protestanten das Ansiedelungsrecht einräumt, einer der¬ selben bewogen fühlen könnte, in Tirol ein Häuschen zu kaufen. Da müßte Kan sich denn mit Leibeskräften dagegen wehren, was freilich bis jetzt über, flüssig ist, da die „Lutherischen" sehr wenig Lust bezeigen, die Liebenswürdig, keit unserer Ultramontanen in nachbarlicher Nähe zu genießen. Die Voraus¬ setzung des Klerus, an welche er übrigens selbst nicht glaubt, daß die Akatho- liken von allen Seiten das gelobte Land Tirol überfluthen würden, hat sich 24*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/197
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/197>, abgerufen am 23.12.2024.