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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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dessen Lesung man sich eigentlich fragen sollte, ob jener Prälat oder der Kaiser
Herr im Lande sei. Nachdem er dem Klerus die Erlasse des Staatsministers
mitgetheilt hat, worin dieser den berüchtigten Antrag der Landtagsmajorität
abweist, sährt er folgendermaßen sort:

1. Vor Allem, ehrwürdige Brüder, laßt es euch angelegen sein, übertrie¬
benen ungünstigen Auffassungen des a. h, erflosscnen Landtagsabschiedes in
Betreff der Religionsfrage belehrend und beruhigend entgegenzutreten und auf
solche Weise das Volk vor jener Niedergeschlagenheit zu bewahren, die sich so
leicht in Groll und ungesetzlichen Ungehorsam verwandelt. (Ist Alles nicht wahr!
Der fromme Diener Gottes setzt voraus, das Volk werde zum Knittel greifen,
um diejenigen niederzuschlagen, welche die hochwürdigen Herren beim Taroc
oder der Siesta stören, das ist aber eine Rechnung ohne den Wirth.) Ent¬
hält auch der erflossene Lnndtagsabschied die so sehnlich herbeigewünschte
Zustimmung Seiner apostolischen Majestät zu dem bekannten Antrage des Tiro¬
lischen Landtages in der Religionsfrage nicht, so ist er doch im Wesentlichen
eine Vertröstung auf die Zukunft. (Damit compromittirt der Bischof indirect
den Kaiser selbst, indem er ihm zumuthet, er werde, sobald der rechte Augen¬
blick gekommen, alle Concessionen, die er gegen das Mittelalter dem Geiste
einer bessern Zeit gemacht, wieder zurückziehen. Wir kennen dieses Spiel, dazu
gäbe jedenfalls Rom den besten Segen.)

2. Um das Volk über diese und die endliche, glückliche Lösung der Reli¬
gionsfrage zu beruhigen, wird es um zweckdienlichsten sein, dasselbe zum an¬
haltenden Gebete und nebenbei wol auch zum Vertrauen auf den Tirolischen
Landtag zu ermuntern. (Da spielt nämlich der Bischof mit seinem Anhange
der Ladurner. Scharner. Richte, Dietl und wie diese Kirchenlichter alle heißen,
die erste Violine, während man unabhängige Männer wie Pfretzschner durch
Mißtrauensvoten zu beseitigen sucht.) Daß bei allen solchen Gelegenheiten
in Ausdruck und Redewendung Alles vermieden werde, was die Achtung vor
der gvttgesetzten Obrigkeit verletzen konnte, versteht sich von selbst. Dies ver¬
langt von uns unser Gewissen, unser Amt und die herrschende Mißstimmung.
(Will der Bischof ehrlich sein, so mag er sogleich sein eigenes Organ "die
Tirolerstimmen" verbieten, welches ein Geistlicher redigirt und an welchem
Geistliche mitarbeiten. Man verbreitet dieses Schmutzblatt, freilich ohne viel
Erfolg, denn es ist so albern, daß die Kühe darüber lachen möchten, überall;
wer nicht abonnirt, erhält es gratis. Nirgends wird die Regierung und de¬
ren Organe, insofern sie mit dem Treiben der Zionswächter nicht übereinstim¬
men, schamloser angegriffen, als in jenem Joumal.)

3. Was Seine Exellenz der Herr Staatsminister von den Agitationen
und den Ausschreitungen derselben in dem Eingangs erwähnten hohen Erlasse
bemerkt, wird euch, ehrwürdige Brüder, ebenso unangenehm berühren, w>e


dessen Lesung man sich eigentlich fragen sollte, ob jener Prälat oder der Kaiser
Herr im Lande sei. Nachdem er dem Klerus die Erlasse des Staatsministers
mitgetheilt hat, worin dieser den berüchtigten Antrag der Landtagsmajorität
abweist, sährt er folgendermaßen sort:

1. Vor Allem, ehrwürdige Brüder, laßt es euch angelegen sein, übertrie¬
benen ungünstigen Auffassungen des a. h, erflosscnen Landtagsabschiedes in
Betreff der Religionsfrage belehrend und beruhigend entgegenzutreten und auf
solche Weise das Volk vor jener Niedergeschlagenheit zu bewahren, die sich so
leicht in Groll und ungesetzlichen Ungehorsam verwandelt. (Ist Alles nicht wahr!
Der fromme Diener Gottes setzt voraus, das Volk werde zum Knittel greifen,
um diejenigen niederzuschlagen, welche die hochwürdigen Herren beim Taroc
oder der Siesta stören, das ist aber eine Rechnung ohne den Wirth.) Ent¬
hält auch der erflossene Lnndtagsabschied die so sehnlich herbeigewünschte
Zustimmung Seiner apostolischen Majestät zu dem bekannten Antrage des Tiro¬
lischen Landtages in der Religionsfrage nicht, so ist er doch im Wesentlichen
eine Vertröstung auf die Zukunft. (Damit compromittirt der Bischof indirect
den Kaiser selbst, indem er ihm zumuthet, er werde, sobald der rechte Augen¬
blick gekommen, alle Concessionen, die er gegen das Mittelalter dem Geiste
einer bessern Zeit gemacht, wieder zurückziehen. Wir kennen dieses Spiel, dazu
gäbe jedenfalls Rom den besten Segen.)

2. Um das Volk über diese und die endliche, glückliche Lösung der Reli¬
gionsfrage zu beruhigen, wird es um zweckdienlichsten sein, dasselbe zum an¬
haltenden Gebete und nebenbei wol auch zum Vertrauen auf den Tirolischen
Landtag zu ermuntern. (Da spielt nämlich der Bischof mit seinem Anhange
der Ladurner. Scharner. Richte, Dietl und wie diese Kirchenlichter alle heißen,
die erste Violine, während man unabhängige Männer wie Pfretzschner durch
Mißtrauensvoten zu beseitigen sucht.) Daß bei allen solchen Gelegenheiten
in Ausdruck und Redewendung Alles vermieden werde, was die Achtung vor
der gvttgesetzten Obrigkeit verletzen konnte, versteht sich von selbst. Dies ver¬
langt von uns unser Gewissen, unser Amt und die herrschende Mißstimmung.
(Will der Bischof ehrlich sein, so mag er sogleich sein eigenes Organ „die
Tirolerstimmen" verbieten, welches ein Geistlicher redigirt und an welchem
Geistliche mitarbeiten. Man verbreitet dieses Schmutzblatt, freilich ohne viel
Erfolg, denn es ist so albern, daß die Kühe darüber lachen möchten, überall;
wer nicht abonnirt, erhält es gratis. Nirgends wird die Regierung und de¬
ren Organe, insofern sie mit dem Treiben der Zionswächter nicht übereinstim¬
men, schamloser angegriffen, als in jenem Joumal.)

3. Was Seine Exellenz der Herr Staatsminister von den Agitationen
und den Ausschreitungen derselben in dem Eingangs erwähnten hohen Erlasse
bemerkt, wird euch, ehrwürdige Brüder, ebenso unangenehm berühren, w>e


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/196>, abgerufen am 22.07.2024.