Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.nirgends bewahrheitet und daher erscheint der intolerante Fanatismus nur 6. Endlich, ehrwürdige Brüder, kann ich euch nicht verhehlen, wie Alles Der Leser wird fragen, was denn das Ministerium auf dieses Schreiben nirgends bewahrheitet und daher erscheint der intolerante Fanatismus nur 6. Endlich, ehrwürdige Brüder, kann ich euch nicht verhehlen, wie Alles Der Leser wird fragen, was denn das Ministerium auf dieses Schreiben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112168"/> <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> nirgends bewahrheitet und daher erscheint der intolerante Fanatismus nur<lb/> um so gehässiger und selbstsüchtiger.)</p><lb/> <p xml:id="ID_656"> 6. Endlich, ehrwürdige Brüder, kann ich euch nicht verhehlen, wie Alles<lb/> daran liegt, daß wir unablässig wachen und beten. (Wenn die Hochwürdigen<lb/> auch unablässig studiren würden, anstatt die Bücher, sobald sie aus der theo¬<lb/> logischen Facultät ausgetreten sind, verstanden zu lassen, so hätten sie von<lb/> der Bildung der Protestanten weit weniger zu fürchten.) Nie war der Zeit¬<lb/> geist für die glückliche Lösung dieser unserer Lebensfrage (hier ist der Bischof<lb/> endlich aufrichtig, er spricht von „unserer" Lebensfrage, das heißt der Lebens¬<lb/> frage der ehrwürdigen Brüder) ungünstiger gestimmt als jetzt, nie hatte das<lb/> katholische Herz des Monarchen bei der Gewährung dieses Landeswunsches<lb/> größere Hindernisse zu überwinden, als unter den gegenwärtigen Zeitumstän¬<lb/> den. Es ist ein übergroßes Gnadengeschenk des göttlichen Herzens Jesu, des<lb/> erhabenen Bundesherrn unseres Vaterlandes, wenn wir für die Erhaltung<lb/> unserer Glaubenseinheit Schutz eines politischen Gesetzes erwirken. (Mit die¬<lb/> sem Satze ist das Geheimniß der Concordatspolitik ausgesprochen: Hand<lb/> in Hand mit der Polizei suchen die Bischöfe Andersgläubige niederzuhalten<lb/> und auszuschließen. In den Tagen der ersten Kirche bedürfte es keiner poli¬<lb/> tischen Decrete zur Aufrechterhaltung der Glaubenseinheit, diese wuchs nicht<lb/> unter dem Schutze der Gewaltigen dieser Erde, sondern ihnen zum Trotze.)<lb/> Schließlich schreibt der Bischof den Priestern einige Gebete vor.</p><lb/> <p xml:id="ID_657" next="#ID_658"> Der Leser wird fragen, was denn das Ministerium auf dieses Schreiben<lb/> aus der Kanzlei Gregors des Siebenten erwiederte? — Nichts! Die Geistlichen<lb/> heben stolz den Kopf, wie im Gefühle unantastbarer Sicherheet, für sie ist<lb/> das Pastoralschreiben Richtschnur des Handelns. Nur der Bürgermeister von<lb/> Botzen wagte es. den Probst dieser Stadt in mannhafter Weise daran zu erin¬<lb/> nern, was er der weltlichen Obrigkeit schuldig sei. indem er ihn wegen der<lb/> beständigen Hetzereien zur Verantwortung zog und als er nicht erscheinen wollte,<lb/> mit Verhaftung durch die Polizei bedrohte. Inzwischen suchte man aus allen<lb/> Gegenden des Landes eine Niefendeputation zu bilden, welche, geleitet von<lb/> hochwürdigen Arrangeurs, vor den Augen des Kaisers ein Marionettenspiel aus¬<lb/> führen und ihn das glauben machen sollte, wovon der Klerus wünscht, daß<lb/> er es glaube. Die Regierung konnte dem Unfug nicht ruhig zusehen, sie un¬<lb/> tersagte daher die Abreise der Deputaten, von denen sich mancher schon gefreut<lb/> haben mag auf Gemeindekosten sich in Wien zu amüsiren. Ein Theil dieser<lb/> sogenannten Deputirten, von denen sich mehrere das Mandat selbst gaben<lb/> oder es vielleicht beim Pfarrer holten, befand sich bereits zu Innsbruck; —<lb/> was machen? Man wußte Rath und versammelte sich im Gasthause zum gol¬<lb/> denen Stern und decretirte dort zwar nicht vom heiligen Geist, sondern höch¬<lb/> stens von Weingeist erleuchtet in einer Weise, als ob man ein rechtmüßiges</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
nirgends bewahrheitet und daher erscheint der intolerante Fanatismus nur
um so gehässiger und selbstsüchtiger.)
6. Endlich, ehrwürdige Brüder, kann ich euch nicht verhehlen, wie Alles
daran liegt, daß wir unablässig wachen und beten. (Wenn die Hochwürdigen
auch unablässig studiren würden, anstatt die Bücher, sobald sie aus der theo¬
logischen Facultät ausgetreten sind, verstanden zu lassen, so hätten sie von
der Bildung der Protestanten weit weniger zu fürchten.) Nie war der Zeit¬
geist für die glückliche Lösung dieser unserer Lebensfrage (hier ist der Bischof
endlich aufrichtig, er spricht von „unserer" Lebensfrage, das heißt der Lebens¬
frage der ehrwürdigen Brüder) ungünstiger gestimmt als jetzt, nie hatte das
katholische Herz des Monarchen bei der Gewährung dieses Landeswunsches
größere Hindernisse zu überwinden, als unter den gegenwärtigen Zeitumstän¬
den. Es ist ein übergroßes Gnadengeschenk des göttlichen Herzens Jesu, des
erhabenen Bundesherrn unseres Vaterlandes, wenn wir für die Erhaltung
unserer Glaubenseinheit Schutz eines politischen Gesetzes erwirken. (Mit die¬
sem Satze ist das Geheimniß der Concordatspolitik ausgesprochen: Hand
in Hand mit der Polizei suchen die Bischöfe Andersgläubige niederzuhalten
und auszuschließen. In den Tagen der ersten Kirche bedürfte es keiner poli¬
tischen Decrete zur Aufrechterhaltung der Glaubenseinheit, diese wuchs nicht
unter dem Schutze der Gewaltigen dieser Erde, sondern ihnen zum Trotze.)
Schließlich schreibt der Bischof den Priestern einige Gebete vor.
Der Leser wird fragen, was denn das Ministerium auf dieses Schreiben
aus der Kanzlei Gregors des Siebenten erwiederte? — Nichts! Die Geistlichen
heben stolz den Kopf, wie im Gefühle unantastbarer Sicherheet, für sie ist
das Pastoralschreiben Richtschnur des Handelns. Nur der Bürgermeister von
Botzen wagte es. den Probst dieser Stadt in mannhafter Weise daran zu erin¬
nern, was er der weltlichen Obrigkeit schuldig sei. indem er ihn wegen der
beständigen Hetzereien zur Verantwortung zog und als er nicht erscheinen wollte,
mit Verhaftung durch die Polizei bedrohte. Inzwischen suchte man aus allen
Gegenden des Landes eine Niefendeputation zu bilden, welche, geleitet von
hochwürdigen Arrangeurs, vor den Augen des Kaisers ein Marionettenspiel aus¬
führen und ihn das glauben machen sollte, wovon der Klerus wünscht, daß
er es glaube. Die Regierung konnte dem Unfug nicht ruhig zusehen, sie un¬
tersagte daher die Abreise der Deputaten, von denen sich mancher schon gefreut
haben mag auf Gemeindekosten sich in Wien zu amüsiren. Ein Theil dieser
sogenannten Deputirten, von denen sich mehrere das Mandat selbst gaben
oder es vielleicht beim Pfarrer holten, befand sich bereits zu Innsbruck; —
was machen? Man wußte Rath und versammelte sich im Gasthause zum gol¬
denen Stern und decretirte dort zwar nicht vom heiligen Geist, sondern höch¬
stens von Weingeist erleuchtet in einer Weise, als ob man ein rechtmüßiges
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