Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Landschaft von 1770, die noch jetzt manchem Lande als Muster einer Consti-
tution dienen könnten, in voller Kraft. Als der Herzog Friedrich Wilhelm so¬
dann durch die Proclamation vom 26. December 1813 wiederum kraft eige¬
nen, angestammten Rechtes von seinem Lande Besitz ergriffen hatte*), waren
die altbraunschweigischer Institutionen sämmtlich außer Wirksamkeit gesetzt
und es konnte deren Retablirung ohne schwere Unzuträglichkeiten nicht sofort
erfolgen, so daß von Friedrich Wilhelm am 27. December 1813 eine provi¬
sorische Regierungscommission ernannt wurde, welche den Uebergang zu geord¬
neten Verhältnissen vermitteln sollte. Eine einfache Wiederherstellung der frü¬
hern Verfassung war unmöglich, wie auch in den Eingangsworten der Ver¬
ordnung vom 30. December 1813 anerkannt wurde. Durch die Aufhebung des
deutschen Reiches war das bisher feudale Herzogthum allodial geworden**),
die deutsche Bundesacte hatte die Souveränetät und Selbständigkeit des Lan¬
des festgestellt, die Neuzeit andere Begriffe über Staat und Staatsrecht gebracht.
Dem Herzoge Friedrich Wilhelm war es leider nicht gestattet, den Verfassungs¬
bau seines Landes selbst aufzuführen, da er bei Quatrevras den Heldentod
fand. Sein ältester Sohn, der Herzog Carl der Zweite, war derzeit minder¬
jährig, weshalb der nachmalige König Georg der Vierte von Großbritannien
durch das Patent vom 18. Juli 1815 die vormundschaftliche Regierung "so-
wol in Hinsicht aus die verwandtschaftlichen Verhältnisse als aus den ausdrück¬
lichen Wunsch des Verewigten" übernahm. Auf das Gesuch der ritterschaft,
lichen Mitglieder der alten Landschaft des Herzogthums vom 30. Juli 1817
um Wiederherstellung der landständrschen Verfassung wurden sodann durch die
Verordnung vom 6. September 1819


"nachdem die aus den neueren Zeitereignissen hervorgegangenen Verhält¬
nisse und Verwickelungen und einige andere früher nicht zu beseitigende Um¬
stände bisher nicht gestattet hatten, die schon lange gewünschte und beab¬
sichtigte Versammlung der Landstände anzuordnen, gedachte Hindernisse
aber nunmehr gehoben waren"

die vorhandenen Mitglieder der Landschaft zu einem offenen Landtage auf
den 12. October 1819 berufen, "um die durch die Umstünde nöthig werden¬
den Modificationen in der Verfassung herbeizuführen."

Am 25. April 1820 wurde die "revidirte Landschaftsordnung" "nach den




') Demnach sind die Ausführungen in der Schrift: "die Regicrungsfolge i, H. Br." S.
12 fig, wonach Friedrich Wilhelm als ein "erster Erwerber" anzusehen sei, da die verbünde¬
ten Mächte das Herzogthum ihm gleichsam verliehen hätten, irrig. Es kommt nicht darauf
an, wie andre Mächte die Besitzergreifung des Herzogs Friedrich Wilhelm augesehen haben mö¬
gen, sondern darauf, in welchem Sinne er selbst die Negierung ergriff und von seinem Volke
als Regent anerkannt wurde. Vgl. auch: "Andeutungen ze, S. 16.
-
) Klüver, öffentliches Recht d. t. B. Abth. II. §. 179.

Landschaft von 1770, die noch jetzt manchem Lande als Muster einer Consti-
tution dienen könnten, in voller Kraft. Als der Herzog Friedrich Wilhelm so¬
dann durch die Proclamation vom 26. December 1813 wiederum kraft eige¬
nen, angestammten Rechtes von seinem Lande Besitz ergriffen hatte*), waren
die altbraunschweigischer Institutionen sämmtlich außer Wirksamkeit gesetzt
und es konnte deren Retablirung ohne schwere Unzuträglichkeiten nicht sofort
erfolgen, so daß von Friedrich Wilhelm am 27. December 1813 eine provi¬
sorische Regierungscommission ernannt wurde, welche den Uebergang zu geord¬
neten Verhältnissen vermitteln sollte. Eine einfache Wiederherstellung der frü¬
hern Verfassung war unmöglich, wie auch in den Eingangsworten der Ver¬
ordnung vom 30. December 1813 anerkannt wurde. Durch die Aufhebung des
deutschen Reiches war das bisher feudale Herzogthum allodial geworden**),
die deutsche Bundesacte hatte die Souveränetät und Selbständigkeit des Lan¬
des festgestellt, die Neuzeit andere Begriffe über Staat und Staatsrecht gebracht.
Dem Herzoge Friedrich Wilhelm war es leider nicht gestattet, den Verfassungs¬
bau seines Landes selbst aufzuführen, da er bei Quatrevras den Heldentod
fand. Sein ältester Sohn, der Herzog Carl der Zweite, war derzeit minder¬
jährig, weshalb der nachmalige König Georg der Vierte von Großbritannien
durch das Patent vom 18. Juli 1815 die vormundschaftliche Regierung „so-
wol in Hinsicht aus die verwandtschaftlichen Verhältnisse als aus den ausdrück¬
lichen Wunsch des Verewigten" übernahm. Auf das Gesuch der ritterschaft,
lichen Mitglieder der alten Landschaft des Herzogthums vom 30. Juli 1817
um Wiederherstellung der landständrschen Verfassung wurden sodann durch die
Verordnung vom 6. September 1819


„nachdem die aus den neueren Zeitereignissen hervorgegangenen Verhält¬
nisse und Verwickelungen und einige andere früher nicht zu beseitigende Um¬
stände bisher nicht gestattet hatten, die schon lange gewünschte und beab¬
sichtigte Versammlung der Landstände anzuordnen, gedachte Hindernisse
aber nunmehr gehoben waren"

die vorhandenen Mitglieder der Landschaft zu einem offenen Landtage auf
den 12. October 1819 berufen, „um die durch die Umstünde nöthig werden¬
den Modificationen in der Verfassung herbeizuführen."

Am 25. April 1820 wurde die „revidirte Landschaftsordnung" „nach den




') Demnach sind die Ausführungen in der Schrift: „die Regicrungsfolge i, H. Br." S.
12 fig, wonach Friedrich Wilhelm als ein „erster Erwerber" anzusehen sei, da die verbünde¬
ten Mächte das Herzogthum ihm gleichsam verliehen hätten, irrig. Es kommt nicht darauf
an, wie andre Mächte die Besitzergreifung des Herzogs Friedrich Wilhelm augesehen haben mö¬
gen, sondern darauf, in welchem Sinne er selbst die Negierung ergriff und von seinem Volke
als Regent anerkannt wurde. Vgl. auch: „Andeutungen ze, S. 16.
-
) Klüver, öffentliches Recht d. t. B. Abth. II. §. 179.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111988"/>
          <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> Landschaft von 1770, die noch jetzt manchem Lande als Muster einer Consti-<lb/>
tution dienen könnten, in voller Kraft. Als der Herzog Friedrich Wilhelm so¬<lb/>
dann durch die Proclamation vom 26. December 1813 wiederum kraft eige¬<lb/>
nen, angestammten Rechtes von seinem Lande Besitz ergriffen hatte*), waren<lb/>
die altbraunschweigischer Institutionen sämmtlich außer Wirksamkeit gesetzt<lb/>
und es konnte deren Retablirung ohne schwere Unzuträglichkeiten nicht sofort<lb/>
erfolgen, so daß von Friedrich Wilhelm am 27. December 1813 eine provi¬<lb/>
sorische Regierungscommission ernannt wurde, welche den Uebergang zu geord¬<lb/>
neten Verhältnissen vermitteln sollte. Eine einfache Wiederherstellung der frü¬<lb/>
hern Verfassung war unmöglich, wie auch in den Eingangsworten der Ver¬<lb/>
ordnung vom 30. December 1813 anerkannt wurde. Durch die Aufhebung des<lb/>
deutschen Reiches war das bisher feudale Herzogthum allodial geworden**),<lb/>
die deutsche Bundesacte hatte die Souveränetät und Selbständigkeit des Lan¬<lb/>
des festgestellt, die Neuzeit andere Begriffe über Staat und Staatsrecht gebracht.<lb/>
Dem Herzoge Friedrich Wilhelm war es leider nicht gestattet, den Verfassungs¬<lb/>
bau seines Landes selbst aufzuführen, da er bei Quatrevras den Heldentod<lb/>
fand. Sein ältester Sohn, der Herzog Carl der Zweite, war derzeit minder¬<lb/>
jährig, weshalb der nachmalige König Georg der Vierte von Großbritannien<lb/>
durch das Patent vom 18. Juli 1815 die vormundschaftliche Regierung &#x201E;so-<lb/>
wol in Hinsicht aus die verwandtschaftlichen Verhältnisse als aus den ausdrück¬<lb/>
lichen Wunsch des Verewigten" übernahm. Auf das Gesuch der ritterschaft,<lb/>
lichen Mitglieder der alten Landschaft des Herzogthums vom 30. Juli 1817<lb/>
um Wiederherstellung der landständrschen Verfassung wurden sodann durch die<lb/>
Verordnung vom 6. September 1819</p><lb/>
          <quote> &#x201E;nachdem die aus den neueren Zeitereignissen hervorgegangenen Verhält¬<lb/>
nisse und Verwickelungen und einige andere früher nicht zu beseitigende Um¬<lb/>
stände bisher nicht gestattet hatten, die schon lange gewünschte und beab¬<lb/>
sichtigte Versammlung der Landstände anzuordnen, gedachte Hindernisse<lb/>
aber nunmehr gehoben waren"</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_31"> die vorhandenen Mitglieder der Landschaft zu einem offenen Landtage auf<lb/>
den 12. October 1819 berufen, &#x201E;um die durch die Umstünde nöthig werden¬<lb/>
den Modificationen in der Verfassung herbeizuführen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Am 25. April 1820 wurde die &#x201E;revidirte Landschaftsordnung" &#x201E;nach den</p><lb/>
          <note xml:id="FID_6" place="foot"> ') Demnach sind die Ausführungen in der Schrift: &#x201E;die Regicrungsfolge i, H. Br." S.<lb/>
12 fig, wonach Friedrich Wilhelm als ein &#x201E;erster Erwerber" anzusehen sei, da die verbünde¬<lb/>
ten Mächte das Herzogthum ihm gleichsam verliehen hätten, irrig. Es kommt nicht darauf<lb/>
an, wie andre Mächte die Besitzergreifung des Herzogs Friedrich Wilhelm augesehen haben mö¬<lb/>
gen, sondern darauf, in welchem Sinne er selbst die Negierung ergriff und von seinem Volke<lb/>
als Regent anerkannt wurde. Vgl. auch: &#x201E;Andeutungen ze, S. 16.<lb/>
-</note><lb/>
          <note xml:id="FID_7" place="foot"> ) Klüver, öffentliches Recht d. t. B. Abth. II. §. 179.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0018] Landschaft von 1770, die noch jetzt manchem Lande als Muster einer Consti- tution dienen könnten, in voller Kraft. Als der Herzog Friedrich Wilhelm so¬ dann durch die Proclamation vom 26. December 1813 wiederum kraft eige¬ nen, angestammten Rechtes von seinem Lande Besitz ergriffen hatte*), waren die altbraunschweigischer Institutionen sämmtlich außer Wirksamkeit gesetzt und es konnte deren Retablirung ohne schwere Unzuträglichkeiten nicht sofort erfolgen, so daß von Friedrich Wilhelm am 27. December 1813 eine provi¬ sorische Regierungscommission ernannt wurde, welche den Uebergang zu geord¬ neten Verhältnissen vermitteln sollte. Eine einfache Wiederherstellung der frü¬ hern Verfassung war unmöglich, wie auch in den Eingangsworten der Ver¬ ordnung vom 30. December 1813 anerkannt wurde. Durch die Aufhebung des deutschen Reiches war das bisher feudale Herzogthum allodial geworden**), die deutsche Bundesacte hatte die Souveränetät und Selbständigkeit des Lan¬ des festgestellt, die Neuzeit andere Begriffe über Staat und Staatsrecht gebracht. Dem Herzoge Friedrich Wilhelm war es leider nicht gestattet, den Verfassungs¬ bau seines Landes selbst aufzuführen, da er bei Quatrevras den Heldentod fand. Sein ältester Sohn, der Herzog Carl der Zweite, war derzeit minder¬ jährig, weshalb der nachmalige König Georg der Vierte von Großbritannien durch das Patent vom 18. Juli 1815 die vormundschaftliche Regierung „so- wol in Hinsicht aus die verwandtschaftlichen Verhältnisse als aus den ausdrück¬ lichen Wunsch des Verewigten" übernahm. Auf das Gesuch der ritterschaft, lichen Mitglieder der alten Landschaft des Herzogthums vom 30. Juli 1817 um Wiederherstellung der landständrschen Verfassung wurden sodann durch die Verordnung vom 6. September 1819 „nachdem die aus den neueren Zeitereignissen hervorgegangenen Verhält¬ nisse und Verwickelungen und einige andere früher nicht zu beseitigende Um¬ stände bisher nicht gestattet hatten, die schon lange gewünschte und beab¬ sichtigte Versammlung der Landstände anzuordnen, gedachte Hindernisse aber nunmehr gehoben waren" die vorhandenen Mitglieder der Landschaft zu einem offenen Landtage auf den 12. October 1819 berufen, „um die durch die Umstünde nöthig werden¬ den Modificationen in der Verfassung herbeizuführen." Am 25. April 1820 wurde die „revidirte Landschaftsordnung" „nach den ') Demnach sind die Ausführungen in der Schrift: „die Regicrungsfolge i, H. Br." S. 12 fig, wonach Friedrich Wilhelm als ein „erster Erwerber" anzusehen sei, da die verbünde¬ ten Mächte das Herzogthum ihm gleichsam verliehen hätten, irrig. Es kommt nicht darauf an, wie andre Mächte die Besitzergreifung des Herzogs Friedrich Wilhelm augesehen haben mö¬ gen, sondern darauf, in welchem Sinne er selbst die Negierung ergriff und von seinem Volke als Regent anerkannt wurde. Vgl. auch: „Andeutungen ze, S. 16. - ) Klüver, öffentliches Recht d. t. B. Abth. II. §. 179.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/18
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/18>, abgerufen am 22.12.2024.