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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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trat, würde vielleicht in sich selbst abgerundeter sein, wenn der große'Zusam-
menhang der geistigen Bestrebungen in Italien mit derselben Treue und An¬
schaulichkeit geschildert wäre als die Fülle der geschichtlichen Thatsachen. Schon
insofern müssen wir es dankbar begrüßen, wenn der Verfasser begonnen hat
sein Geschichtswerk durch Monographien zu ergänzen, von denen wenigstens
die erste, bis jetzt vorliegende, eben dazu dient, uns jene Wechselbeziehungen
zwischen der Literatur und den geschichtlichen Ereigrussen der Halbinsel zu ver¬
gegenwärtigen.

Gras Cesare Balbo steht in erster Linie der Männer, welche durch geistige
Vorbereitung ihres Volkes ihren Antheil an der Wiedergeburt Italiens haben.
Denn obwol er schon früh ein thätiges Leben im Staatsdienst versuchte, und
später in der Nationalerhebung von 1848 eine hervorragende Rolle im politi¬
schen Leben spielte, obwol er nur durch die That dem Vaterland zu dienen
glaubte, und selbst seine schriftstellerische Thätigkeit unterschätzte, ja sie als
einen nur durch die Unmöglichkeit einer andern Thätigkeit entschuldbaren Müs-
siggang verwünschte, so liegt dennoch seine eigentliche Bedeutung gerade auf
dieser Seite, in seiner unermüdlichen literarischen Wirksamkeit, mit welcher er
in Gedicht und Prosa, in geschichtlichen, in politischen und moralischen Werken
die sittlichen Kräfte der Nation zu wecken und zu pflegen verstand. Ohne zu
vergessen, welche Verdienste er namentlich durch seine energische Bekämpfung
der Verschwörungsparteien sich erworben, dürfen wir doch unbedenklich sagen:
als Staatsmann im eigentlichen Sinne ist Balbo gescheitert, als Staatsmann
war jenen Krisen ein Mann nicht gewachsen, der bei all seinem redlichen
patriotischen Drange, dennoch eine völlig vereinsamte Stellung einnahm, der
von jedem entscheidenden Schritte durch eine Reihe von Bedenklichkeiten zurück¬
gehalten wurde, der noch kurz vor seinem Tode anordnete, daß in der Aus'
gäbe seiner "Hoffnungen Italiens" das Motto "Eins ist Noth!" wegfallen
sollte, weil durch dieses Wort, mit dem er die nationale Unabhängigkeit meinte,
Geistliches und Weltliches vermengt würde! Aber eben das, was seiner staats¬
männischen Thätigkeit im Wege stand, seine gewissenhafte abwägende Natur,
seine strenge Wahrhaftigkeit, die unbeugsame opferwillige Treue seiner Ueber¬
zeugung befähigten ihn dazu als sittlicher Reformator seines Volkes zu wirken.
Sein Beitrag zur Wiedergeburt Italiens war der sittlich reinigende, patriotisch
stärkende Einfluß,' der von seiner Persönlichkeit ausging, und seine größten
Thaten für das Vaterland waren seine "Gedanken und Beispiele", in welchen
er den Italienern ihre Pflichten einschärfte, sein "Leben Dante's", in welchem
er nicht bloß den größten Dichter, sondern auch den Staats- und Kriegsmann
seinem Volke darstellte (1839), seine "Hoffnungen Italiens", worin er dem
Optimismus Gioberti's entgegen vor Allem die Unabhängigkeit der Nation als
Oyterum eeoseo verlangte (1844), sein "Sommario der italienischen Geschichte ,


trat, würde vielleicht in sich selbst abgerundeter sein, wenn der große'Zusam-
menhang der geistigen Bestrebungen in Italien mit derselben Treue und An¬
schaulichkeit geschildert wäre als die Fülle der geschichtlichen Thatsachen. Schon
insofern müssen wir es dankbar begrüßen, wenn der Verfasser begonnen hat
sein Geschichtswerk durch Monographien zu ergänzen, von denen wenigstens
die erste, bis jetzt vorliegende, eben dazu dient, uns jene Wechselbeziehungen
zwischen der Literatur und den geschichtlichen Ereigrussen der Halbinsel zu ver¬
gegenwärtigen.

Gras Cesare Balbo steht in erster Linie der Männer, welche durch geistige
Vorbereitung ihres Volkes ihren Antheil an der Wiedergeburt Italiens haben.
Denn obwol er schon früh ein thätiges Leben im Staatsdienst versuchte, und
später in der Nationalerhebung von 1848 eine hervorragende Rolle im politi¬
schen Leben spielte, obwol er nur durch die That dem Vaterland zu dienen
glaubte, und selbst seine schriftstellerische Thätigkeit unterschätzte, ja sie als
einen nur durch die Unmöglichkeit einer andern Thätigkeit entschuldbaren Müs-
siggang verwünschte, so liegt dennoch seine eigentliche Bedeutung gerade auf
dieser Seite, in seiner unermüdlichen literarischen Wirksamkeit, mit welcher er
in Gedicht und Prosa, in geschichtlichen, in politischen und moralischen Werken
die sittlichen Kräfte der Nation zu wecken und zu pflegen verstand. Ohne zu
vergessen, welche Verdienste er namentlich durch seine energische Bekämpfung
der Verschwörungsparteien sich erworben, dürfen wir doch unbedenklich sagen:
als Staatsmann im eigentlichen Sinne ist Balbo gescheitert, als Staatsmann
war jenen Krisen ein Mann nicht gewachsen, der bei all seinem redlichen
patriotischen Drange, dennoch eine völlig vereinsamte Stellung einnahm, der
von jedem entscheidenden Schritte durch eine Reihe von Bedenklichkeiten zurück¬
gehalten wurde, der noch kurz vor seinem Tode anordnete, daß in der Aus'
gäbe seiner „Hoffnungen Italiens" das Motto „Eins ist Noth!" wegfallen
sollte, weil durch dieses Wort, mit dem er die nationale Unabhängigkeit meinte,
Geistliches und Weltliches vermengt würde! Aber eben das, was seiner staats¬
männischen Thätigkeit im Wege stand, seine gewissenhafte abwägende Natur,
seine strenge Wahrhaftigkeit, die unbeugsame opferwillige Treue seiner Ueber¬
zeugung befähigten ihn dazu als sittlicher Reformator seines Volkes zu wirken.
Sein Beitrag zur Wiedergeburt Italiens war der sittlich reinigende, patriotisch
stärkende Einfluß,' der von seiner Persönlichkeit ausging, und seine größten
Thaten für das Vaterland waren seine „Gedanken und Beispiele", in welchen
er den Italienern ihre Pflichten einschärfte, sein „Leben Dante's", in welchem
er nicht bloß den größten Dichter, sondern auch den Staats- und Kriegsmann
seinem Volke darstellte (1839), seine „Hoffnungen Italiens", worin er dem
Optimismus Gioberti's entgegen vor Allem die Unabhängigkeit der Nation als
Oyterum eeoseo verlangte (1844), sein „Sommario der italienischen Geschichte ,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/156>, abgerufen am 22.07.2024.