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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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reich erreicht worden. Oestreich und Hamburg, also die beiden außerhalb
des Vereines stehenden Uferstaaten, blieben sich treu im entschiedenen Bestreben
auf eine möglich weitgehende Erleichterung der Schifffahrt und Umgestaltung
des Zollwesens, Sachsen und Preußen traten seit 1850 zu ihnen hinüber und
bei der letzten Conferenz 1858 brachte Preußen die am weitesten gehenden
Zollerleichterungen in Vorschlag. Auch die beiden Anhalt haben sich dieser
Partei angeschlossen und selbst Dünemark erbot sich schon 1851 zu einer Her¬
absetzung des Normalsatzes auf die Hälfte. Hannover jedoch und Mecklenburg,
jenes innerhalb und dieses außerhalb des Zollvereins stehend, haben mit der
rücksichtslosesten Zähigkeit den gegnerischen Standpunkt festgehalten und dem
Gesammtwohl ihren financiellen Vortheil, dem allgemeinen Bedürfniß und
Verlangen die Zustimmung des Einzelnen, der Nothwendigkeit zeit- und pflicht¬
gemäßer Umwandlungen das "historische Recht" entgegengesetzt. Beide behaup¬
ten, daß bei Beurtheilung der Elbzollfrage die Berufung auf die Wiener Con-
greßacte rechtlich durchaus unstatthaft sei und daß die im Vertragswege einmal
festgesetzten Tarifsätze durch die Rücksicht auf eine Erleichterung des Verkehrs
und des Handels keine Veränderung erleiden dürfen.

Die östreichischen und preußischen Erklärungen traten diesen Behauptungen
stets offen und entschieden entgegen. "Ich habe meine Regierung," erklärte
der östreichische Bevollmächtigte am 13. Nov. 1851, "hinsichtlich der aus den
Elbschifffahrtsverträgen ihr zustehenden Ansprüche auf eine der Nothlage des
Elbverkehrs entsprechende Verminderung der jetzigen Elbzolllast gegen die von
der mecklenburgischen Regierung beharrlich festgehaltene Auffassung auf das
Bestimmteste zu verwahren und ihr das volle Recht auf spätere ausreichende
Geltendmachung dieser Ansprüche durch Anwendung der ihr dazu geeignet
scheinenden Einwirkungsmittel vorzubehalten." Ebenso feierlich lautet die
östreichische Erklärung im Juli 1858 gegen die Behauptungen Hannovers,
Dänemarks und Mecklenburgs, als ob sie allein auf dem Boden des Rechtes
ständen, wenn sie allen neuen Zollveränderungen ihre Zustimmung versagten.
Auch der preußische Bevollmächtigte verwahrte sich dagegen zu gleicher Zeit
Nut derselben Entschiedenheit. Beide Großmächte erklärten beim Abbruch
^r erfolglosen Verhandlungen dieser vierten und letzten Commission gemein¬
em: "Die gegenwärtige Commission ist durch beharrlich versagte Zustimmung
einzelner Uferstaaten zu einer dem nachgewiesenen Verkehrsbedürfnisse wie dem
Zwecke des Art. 30 der Eihänte entsprechenden Modification des Elbzolltarifs
die Lage versetzt, die ihr vertragsmäßig obliegenden Verpflichtungen nicht er¬
füllen zu können. Die Verantwortlichkeit für diesen beklagenswerthen Zustand
"ud die daraus hervorgehenden Folgen trifft nur diejenigen, welche dabei be¬
harren der in ihren wichtigsten Zweigen durch erdrückende Zollbelastung ge°


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reich erreicht worden. Oestreich und Hamburg, also die beiden außerhalb
des Vereines stehenden Uferstaaten, blieben sich treu im entschiedenen Bestreben
auf eine möglich weitgehende Erleichterung der Schifffahrt und Umgestaltung
des Zollwesens, Sachsen und Preußen traten seit 1850 zu ihnen hinüber und
bei der letzten Conferenz 1858 brachte Preußen die am weitesten gehenden
Zollerleichterungen in Vorschlag. Auch die beiden Anhalt haben sich dieser
Partei angeschlossen und selbst Dünemark erbot sich schon 1851 zu einer Her¬
absetzung des Normalsatzes auf die Hälfte. Hannover jedoch und Mecklenburg,
jenes innerhalb und dieses außerhalb des Zollvereins stehend, haben mit der
rücksichtslosesten Zähigkeit den gegnerischen Standpunkt festgehalten und dem
Gesammtwohl ihren financiellen Vortheil, dem allgemeinen Bedürfniß und
Verlangen die Zustimmung des Einzelnen, der Nothwendigkeit zeit- und pflicht¬
gemäßer Umwandlungen das „historische Recht" entgegengesetzt. Beide behaup¬
ten, daß bei Beurtheilung der Elbzollfrage die Berufung auf die Wiener Con-
greßacte rechtlich durchaus unstatthaft sei und daß die im Vertragswege einmal
festgesetzten Tarifsätze durch die Rücksicht auf eine Erleichterung des Verkehrs
und des Handels keine Veränderung erleiden dürfen.

Die östreichischen und preußischen Erklärungen traten diesen Behauptungen
stets offen und entschieden entgegen. „Ich habe meine Regierung," erklärte
der östreichische Bevollmächtigte am 13. Nov. 1851, „hinsichtlich der aus den
Elbschifffahrtsverträgen ihr zustehenden Ansprüche auf eine der Nothlage des
Elbverkehrs entsprechende Verminderung der jetzigen Elbzolllast gegen die von
der mecklenburgischen Regierung beharrlich festgehaltene Auffassung auf das
Bestimmteste zu verwahren und ihr das volle Recht auf spätere ausreichende
Geltendmachung dieser Ansprüche durch Anwendung der ihr dazu geeignet
scheinenden Einwirkungsmittel vorzubehalten." Ebenso feierlich lautet die
östreichische Erklärung im Juli 1858 gegen die Behauptungen Hannovers,
Dänemarks und Mecklenburgs, als ob sie allein auf dem Boden des Rechtes
ständen, wenn sie allen neuen Zollveränderungen ihre Zustimmung versagten.
Auch der preußische Bevollmächtigte verwahrte sich dagegen zu gleicher Zeit
Nut derselben Entschiedenheit. Beide Großmächte erklärten beim Abbruch
^r erfolglosen Verhandlungen dieser vierten und letzten Commission gemein¬
em: „Die gegenwärtige Commission ist durch beharrlich versagte Zustimmung
einzelner Uferstaaten zu einer dem nachgewiesenen Verkehrsbedürfnisse wie dem
Zwecke des Art. 30 der Eihänte entsprechenden Modification des Elbzolltarifs
die Lage versetzt, die ihr vertragsmäßig obliegenden Verpflichtungen nicht er¬
füllen zu können. Die Verantwortlichkeit für diesen beklagenswerthen Zustand
"ud die daraus hervorgehenden Folgen trifft nur diejenigen, welche dabei be¬
harren der in ihren wichtigsten Zweigen durch erdrückende Zollbelastung ge°


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/141>, abgerufen am 03.07.2024.