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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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störten Elbschifffahrt und dadurch dem Handel überhaupt die durch die Wiener
Congreßacte zugesicherten Wohlthaten vorzuenthalten. Die Regierungen reser-
viren sich die weiteren Maaßregeln, welche ihnen geeignet erscheinen, um eine
Abhilfe gegen die längere Fortdauer der mit den Stipulationen der Wiener
Verträge und der Eihänte im Widerspruch stehenden Elbzollverhältnisse herbei¬
zuführen."'

Diese Erklärungen zeichnen aufs schlagendste den Stand der Parteien
und legen die Ursache bloß, welche unsere öffentlichen Zustände immer noch
unter dem Druck des aus dem Mittelalter ererbten Gesetzes und Rechtes leiden
und seufzen lassen, und solchem gegenüber können wir nur wünschen, daß die
heilenden Maaßregeln bald und in wirksamster Weise mögen ergriffen werden.
Die Klagen des Elbschiffer- und Handelsstandes werden, gesteigert durch die
jährlich fortschreitende Abnahme des Elvverkehrs, immer lauter und dringlicher,
und können bei allem bereitwilligen Entgegenkommen von Seiten der deutschen
Großmächte dennoch nicht die mindeste Abhilfe finden. Trotz der hohen und
für die untern Uferstaaten besonders gewinnreichen Zollerhebungen, trotz der
anerkannten Verpflichtung derselben zu unausgesetzter Stromregulierung, ver¬
wildern Strombette und Ufer von Jahr zu Jahr mehr, so daß das Gutachten der
letzten Stromschaucommission im I. 1858 erklärte, "daß der gegenwärtige Zu¬
stand des Stromes von dem vorgesteckten Ziele noch weit entfernt sei, sich auch
seit der letzten gemeinsamen Befahrung (1850) im Ganzen kaum gebessert habe."
Die Abnahme des Elvverkehrs beweisen die Zolllisten in nur zu beklagens-
werther Weise. Beim Zollamt Wittemberge passierten 1845 noch 2.489,032
Ctnr.. im I. 1858 nur 271.666 Ctnr.. davon an Kaffee in jenem Jahre 326,613
Ctnr.. in diesem 41.371 Ctnr.. Tabak 46.689 und 670 Ctnr.. an Garnen
328.400 Ctnr. und 359 Ctnr. u. s. w. Dagegen hob sich die Durchfuhr von
Heringen, welche allein eine Zollminderung auf Vi° des Normalsatzes erfah¬
ren hatten, von 9,841 Ctnr. in jenem Jahre auf 141,371 Ctnr. in diesem. Und
doch ist man immer noch wie zu Anfang weit entfernt, den ganz besonders
und allein zum Schutz und zur Hebung der deutschen Volkswirthschaft begrün¬
deten Zollverein von diesem schneidendsten und folgenschwersten Widerspruche
zu befreien, und doch hat man auch jetzt wieder in schleppenden Verhandlun¬
gen gezögert und gezaudert, bis man dem Main und des Rheines,Nebenflüs-
sen wenigstens einige Erleichterung verschaffte, obwol doch niemand mehr
zweifelt, daß endlich auch einmal der letzte Rest dieses mittelalterlichen Zollun-
F. Wesens verschwinden muß und wird.




störten Elbschifffahrt und dadurch dem Handel überhaupt die durch die Wiener
Congreßacte zugesicherten Wohlthaten vorzuenthalten. Die Regierungen reser-
viren sich die weiteren Maaßregeln, welche ihnen geeignet erscheinen, um eine
Abhilfe gegen die längere Fortdauer der mit den Stipulationen der Wiener
Verträge und der Eihänte im Widerspruch stehenden Elbzollverhältnisse herbei¬
zuführen."'

Diese Erklärungen zeichnen aufs schlagendste den Stand der Parteien
und legen die Ursache bloß, welche unsere öffentlichen Zustände immer noch
unter dem Druck des aus dem Mittelalter ererbten Gesetzes und Rechtes leiden
und seufzen lassen, und solchem gegenüber können wir nur wünschen, daß die
heilenden Maaßregeln bald und in wirksamster Weise mögen ergriffen werden.
Die Klagen des Elbschiffer- und Handelsstandes werden, gesteigert durch die
jährlich fortschreitende Abnahme des Elvverkehrs, immer lauter und dringlicher,
und können bei allem bereitwilligen Entgegenkommen von Seiten der deutschen
Großmächte dennoch nicht die mindeste Abhilfe finden. Trotz der hohen und
für die untern Uferstaaten besonders gewinnreichen Zollerhebungen, trotz der
anerkannten Verpflichtung derselben zu unausgesetzter Stromregulierung, ver¬
wildern Strombette und Ufer von Jahr zu Jahr mehr, so daß das Gutachten der
letzten Stromschaucommission im I. 1858 erklärte, „daß der gegenwärtige Zu¬
stand des Stromes von dem vorgesteckten Ziele noch weit entfernt sei, sich auch
seit der letzten gemeinsamen Befahrung (1850) im Ganzen kaum gebessert habe."
Die Abnahme des Elvverkehrs beweisen die Zolllisten in nur zu beklagens-
werther Weise. Beim Zollamt Wittemberge passierten 1845 noch 2.489,032
Ctnr.. im I. 1858 nur 271.666 Ctnr.. davon an Kaffee in jenem Jahre 326,613
Ctnr.. in diesem 41.371 Ctnr.. Tabak 46.689 und 670 Ctnr.. an Garnen
328.400 Ctnr. und 359 Ctnr. u. s. w. Dagegen hob sich die Durchfuhr von
Heringen, welche allein eine Zollminderung auf Vi° des Normalsatzes erfah¬
ren hatten, von 9,841 Ctnr. in jenem Jahre auf 141,371 Ctnr. in diesem. Und
doch ist man immer noch wie zu Anfang weit entfernt, den ganz besonders
und allein zum Schutz und zur Hebung der deutschen Volkswirthschaft begrün¬
deten Zollverein von diesem schneidendsten und folgenschwersten Widerspruche
zu befreien, und doch hat man auch jetzt wieder in schleppenden Verhandlun¬
gen gezögert und gezaudert, bis man dem Main und des Rheines,Nebenflüs-
sen wenigstens einige Erleichterung verschaffte, obwol doch niemand mehr
zweifelt, daß endlich auch einmal der letzte Rest dieses mittelalterlichen Zollun-
F. Wesens verschwinden muß und wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/142>, abgerufen am 22.12.2024.