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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Gras Z. de Maistre.
eorresponäa-nos äiplomMquö as av Uf-istro 1811 -- 1817 recueillis et
xudliss xar ^. Zlsue. ?aris. Lev^ 1861.

Der Graf de Maistre war bis vor wenigen Jahren dem großen Publicum
nur bekannt als Verfasser einiger ultramontanen Schriften, die. in der Zeit der
Restauration veröffentlicht, der Ausgangspunkt einer Schule wurden, welche
auf dem kirchlichen Gebiete dasselbe erstrebte, was Haller in der Politik ver¬
sucht hatte. Wie letzterer den modernen Staat in die mittelalterliche Landes-
hoheit zurückschrauben wollte, so stellte das Buch an ein System auf.

die Religionsfreiheit in ihren Aeußerungen zu unterdrücken und alle Gewissen
wieder von Rom abhängig zu machen; die Soirües de Se. Petersburg un¬
ternehmen den Beweis, daß der Protestantismus in den letzten Zügen liege
und die griechische Kirche bald zusammenstürzen müsse. Die Borstellung, die
man sich von der Person des Verfassers nach diesen Schriften machen mußte,
wurde zuerst erschüttert durch die Beröffentlichung einer Sammlung von Pa¬
pieren und Depeschen desselben, welche A. Blanc vor einigen Jahren aus
dem Türmer Archive entnommen hatte. Man sah mit Verwunderung, wie
wenig consequent in der Praxis der Graf seine Theorien befolgt. Das Haupt
der katholischen Christenheit, dem Alles untergeben sein sollte, wurde mit den
unsanftesten Ausdrücken behandelt, als es sich dazu verstand. Napoleon zu
krönen, die legitimen Monarchen wurden mit allen ihren Schwächen ver¬
spottet, vor Allem aber ging durch sämmtliche Actenstücke ein Haß gegen die
Regierung Sr. K. K. Apostolischen Majestät, wie ihn Graf Cavour schwer¬
lich stärker hegen mag. Oestreich, hieß es. sei eine große Feindin des mensch¬
lichen Geschlechts, der König von Sardinien müsse der Befreier Italiens
werden. Das Buch erregte die größte Aufmerksamkeit, ein französischer Kritiker
nannte es die erstaunlichste psychologische Enthüllung der letzten Zeit. Die
vorliegende Sammlung ist bestimmt, dasselbe zu ergänzen, sie enthält die
Depeschen de Maistre's aus den ereignißreichen Jahren von 1810--1817 voll-
ständig, und es verlohnt wol einen Blick darauf zu werfen.

Der Graf war bekanntlich, nachdem der König von Sardinien sein
ganzes festländisches Gebiet verloren und sich nach Cagliari hatte zurückziehen
'Nüssen, als Gesandter nach Petersburg geschickt, um dort für die Interessen
seines Herrn zu wirken, der ihm dies in keiner Weise dankte, sondern ihn
rücksichtslos behandelte und sein Gehalt so kürglich muaß, daß er nicht leben
konnte und einmal ruft: lo eesss MS as mourir ä<z tala et suis
6oras6 xour mon tiers." Trotzdem wußte er sich durch seinen Geist die Gunst


Gr-nzbotm II. 1861.
Gras Z. de Maistre.
eorresponäa-nos äiplomMquö as av Uf-istro 1811 — 1817 recueillis et
xudliss xar ^. Zlsue. ?aris. Lev^ 1861.

Der Graf de Maistre war bis vor wenigen Jahren dem großen Publicum
nur bekannt als Verfasser einiger ultramontanen Schriften, die. in der Zeit der
Restauration veröffentlicht, der Ausgangspunkt einer Schule wurden, welche
auf dem kirchlichen Gebiete dasselbe erstrebte, was Haller in der Politik ver¬
sucht hatte. Wie letzterer den modernen Staat in die mittelalterliche Landes-
hoheit zurückschrauben wollte, so stellte das Buch an ein System auf.

die Religionsfreiheit in ihren Aeußerungen zu unterdrücken und alle Gewissen
wieder von Rom abhängig zu machen; die Soirües de Se. Petersburg un¬
ternehmen den Beweis, daß der Protestantismus in den letzten Zügen liege
und die griechische Kirche bald zusammenstürzen müsse. Die Borstellung, die
man sich von der Person des Verfassers nach diesen Schriften machen mußte,
wurde zuerst erschüttert durch die Beröffentlichung einer Sammlung von Pa¬
pieren und Depeschen desselben, welche A. Blanc vor einigen Jahren aus
dem Türmer Archive entnommen hatte. Man sah mit Verwunderung, wie
wenig consequent in der Praxis der Graf seine Theorien befolgt. Das Haupt
der katholischen Christenheit, dem Alles untergeben sein sollte, wurde mit den
unsanftesten Ausdrücken behandelt, als es sich dazu verstand. Napoleon zu
krönen, die legitimen Monarchen wurden mit allen ihren Schwächen ver¬
spottet, vor Allem aber ging durch sämmtliche Actenstücke ein Haß gegen die
Regierung Sr. K. K. Apostolischen Majestät, wie ihn Graf Cavour schwer¬
lich stärker hegen mag. Oestreich, hieß es. sei eine große Feindin des mensch¬
lichen Geschlechts, der König von Sardinien müsse der Befreier Italiens
werden. Das Buch erregte die größte Aufmerksamkeit, ein französischer Kritiker
nannte es die erstaunlichste psychologische Enthüllung der letzten Zeit. Die
vorliegende Sammlung ist bestimmt, dasselbe zu ergänzen, sie enthält die
Depeschen de Maistre's aus den ereignißreichen Jahren von 1810—1817 voll-
ständig, und es verlohnt wol einen Blick darauf zu werfen.

Der Graf war bekanntlich, nachdem der König von Sardinien sein
ganzes festländisches Gebiet verloren und sich nach Cagliari hatte zurückziehen
'Nüssen, als Gesandter nach Petersburg geschickt, um dort für die Interessen
seines Herrn zu wirken, der ihm dies in keiner Weise dankte, sondern ihn
rücksichtslos behandelte und sein Gehalt so kürglich muaß, daß er nicht leben
konnte und einmal ruft: lo eesss MS as mourir ä<z tala et suis
6oras6 xour mon tiers.« Trotzdem wußte er sich durch seinen Geist die Gunst


Gr-nzbotm II. 1861.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/83>, abgerufen am 22.07.2024.