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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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sie von Unger für seinen Zweck gerettet, indem er darauf hinweist, daß die
wenigen bisher in Nordamerika entdeckten Tertiärpflanzen zwar unsern Tertiär-
Pflanzen, aber auch der jetzigen Flora Amerikas ähnlich sind, und dann behaup¬
tet, dasselbe finde auch auf jenen südatlantischen Inseln statt. "Es ist nicht
zu leugnen, daß die tertiäre europäische Flora sowol mit der (jetzigen) nord-
amenkanischen Flora übereinstimmt, als zugleich Anklänge an die Flora der
atlantischen Inseln zeigt, die ja auch ihrem gegenwärtigen vegetabilischen
Charakter nach ebenso zu Amerika als zu Europa hinneigen. Es ließen sich
gut ein Dutzend Tertiärpflanzcn finden, welche mit jetzt lebenden atlantischen
zusammenstimmen. Es kann daher nicht ausfallend sein, wenn die Tertiär-
Pflanzen Maderas mit den gegenwärtigen Pflanzen der atlantischen Inseln
übereinkommen, ja es würde zu wundern sein, wenn dies nicht der Fall wäre,
da Nordamerika sich in ganz gleicher Lage befindet." Und so hätte denn auch
über diese Eilande, ja vielleicht selbst über die noch südlicher gelegene Insel
Ascension die große Brücke geführt, welche, wahrscheinlich ebenfalls durch
Meeresarme in Inseln und Halbinseln getheilt, einst beide Continente mit
einander verband.

Um mehr über die Grenzen der auf diese Weise wiedergefundenen At¬
lantis sagen zu können, müßte man die Tiefen des atlantischen Meeres ge¬
nauer vermessen haben, als bis jetzt geschehen ist, und auch dann hätte man
noch zu fürchten, mit seinen Schlüssen an der einen und der andern wissen¬
schaftlichen Sandbank zu stranden.") Auch die bekannte Sargassosee im tro¬
pischen Theile des atlantischen Meeres als den Nest des einstigen Küstensaumes
anzusehen, dürfte gewagt sein, und so müssen wir uns vor der Hand be¬
gnügen, zu wissen, daß in der Molasseperiode oder Tertiärzeit ein Zwischen-
land zwischen Amerika und Europa existirte, welches sich von Island bis
über die Azoren hinab ausdehnte und wahrscheinlich eine große Insel oder
eine Gruppe nahe bei einander liegender Inseln war.

Nicht so sicher läßt sich angeben, wie weit diese Atlantis in die spätern
Erdperioden hineinragte, und da uns hier die Geologie fast ganz im Stich
laßt, so ist das Folgende, soweit es unsere wiedergefundene platonische Insel
betrifft, nur eine Kette von Andeutungen und Hypothesen.

Bekanntlich folgten auf die Tertiärzeit mit ihrem Pflanzen- und Blüthen¬
reichthum sehr trübe Begebenheiten, die allem Leben -- wenigstens auf der
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-) Die größten Tiefen ziehen sich von dem südlichen Rande der großen Neufoundland-
Bank in der Form eines stark gestreckten 8, etwa in der Mitte des atlantischen Meeres, doch
mehr nach Amerika hin, am Golf von Mcziko vorüber bis hinab über den Aequator. Rechts
und links folgen etwa in derselben Breite weniger tiefe Stellen, dann nach den beide" Konti¬
nenten zu noch flachere. Von Norden herab streicht, westlich bis zum 2". Längengrad, südlich
bis zum 20. Grad nördlicher Breite, ein verhältnißmäßig ebenfalls nicht sehr tiefes Stück, wel¬
ches die Gegend um die Azoren einschließt.

sie von Unger für seinen Zweck gerettet, indem er darauf hinweist, daß die
wenigen bisher in Nordamerika entdeckten Tertiärpflanzen zwar unsern Tertiär-
Pflanzen, aber auch der jetzigen Flora Amerikas ähnlich sind, und dann behaup¬
tet, dasselbe finde auch auf jenen südatlantischen Inseln statt. „Es ist nicht
zu leugnen, daß die tertiäre europäische Flora sowol mit der (jetzigen) nord-
amenkanischen Flora übereinstimmt, als zugleich Anklänge an die Flora der
atlantischen Inseln zeigt, die ja auch ihrem gegenwärtigen vegetabilischen
Charakter nach ebenso zu Amerika als zu Europa hinneigen. Es ließen sich
gut ein Dutzend Tertiärpflanzcn finden, welche mit jetzt lebenden atlantischen
zusammenstimmen. Es kann daher nicht ausfallend sein, wenn die Tertiär-
Pflanzen Maderas mit den gegenwärtigen Pflanzen der atlantischen Inseln
übereinkommen, ja es würde zu wundern sein, wenn dies nicht der Fall wäre,
da Nordamerika sich in ganz gleicher Lage befindet." Und so hätte denn auch
über diese Eilande, ja vielleicht selbst über die noch südlicher gelegene Insel
Ascension die große Brücke geführt, welche, wahrscheinlich ebenfalls durch
Meeresarme in Inseln und Halbinseln getheilt, einst beide Continente mit
einander verband.

Um mehr über die Grenzen der auf diese Weise wiedergefundenen At¬
lantis sagen zu können, müßte man die Tiefen des atlantischen Meeres ge¬
nauer vermessen haben, als bis jetzt geschehen ist, und auch dann hätte man
noch zu fürchten, mit seinen Schlüssen an der einen und der andern wissen¬
schaftlichen Sandbank zu stranden.») Auch die bekannte Sargassosee im tro¬
pischen Theile des atlantischen Meeres als den Nest des einstigen Küstensaumes
anzusehen, dürfte gewagt sein, und so müssen wir uns vor der Hand be¬
gnügen, zu wissen, daß in der Molasseperiode oder Tertiärzeit ein Zwischen-
land zwischen Amerika und Europa existirte, welches sich von Island bis
über die Azoren hinab ausdehnte und wahrscheinlich eine große Insel oder
eine Gruppe nahe bei einander liegender Inseln war.

Nicht so sicher läßt sich angeben, wie weit diese Atlantis in die spätern
Erdperioden hineinragte, und da uns hier die Geologie fast ganz im Stich
laßt, so ist das Folgende, soweit es unsere wiedergefundene platonische Insel
betrifft, nur eine Kette von Andeutungen und Hypothesen.

Bekanntlich folgten auf die Tertiärzeit mit ihrem Pflanzen- und Blüthen¬
reichthum sehr trübe Begebenheiten, die allem Leben — wenigstens auf der
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Bank in der Form eines stark gestreckten 8, etwa in der Mitte des atlantischen Meeres, doch
mehr nach Amerika hin, am Golf von Mcziko vorüber bis hinab über den Aequator. Rechts
und links folgen etwa in derselben Breite weniger tiefe Stellen, dann nach den beide» Konti¬
nenten zu noch flachere. Von Norden herab streicht, westlich bis zum 2». Längengrad, südlich
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/79>, abgerufen am 24.08.2024.