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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Ministerwerden und wartete der Gelegenheit, wo er die ihm gebührende Stelle
einnehmen könne.

Die Gelegenheit fand sich und mit ihr zugleich eine andere, die nämlich,
auch für Vergrößerung seines Besitzstandes zu sorgen. Sörensen hatte schon
geraume Zeit ein Auge auf ein schönes Stück Land, welches um Süden an
sein Landgut grenzte und einem von den Söhnen jenes Nachbars gehörte,
der den alten Sören nnter die gebildeten Leute aufgenommen hatte und dem
auch Sörensen für mancherlei gute Gaben Dank schuldig war. Das Land
war fast so viel werth wie das Verlorne Gut Norwegen, es hätte Sörensens
Finanzen beträchtlich gebessert, wenn es ihm zugesprochen worden wäre. Es
ging eine Sage, daß wenigstens die Hälfte davon vor Iahrhundericn einmal
im Besitz eines Großvaters Sörensens gewesen und darauf hin pctitiorurte
letzterer beim König um Rückgabe. Es war kein rechtlicher Grund dazu vor¬
handen, und der König schien zu schwanken. Er war im Herzen wol für
Sörensen, der ihm. man weiß nicht warum, besser gefiel, wie der in seinem
Eigenthum Bedrohte, aber er konnte doch nicht >n Abrede stellen, daß dieser
letztere das Recht für sich hatte. Er gab zuletzt eine Antwort, die ungefähr
darauf hinauskam: es ginge wol, aber es geht nicht.

Sörensen erwiderte patzig, es muß gehen. Er demonstrirte, revoltirte,
zeigte die Fahne der Republik. Es wurden oratorische Karthaunen in den
Straßen ausgefahre" und in der erwähnten Brauerei alle Hähne aufgedreht,
so daß eine Sündfluth von Freiheit in die Gassen lief.

Die Lage des Königs wurde kritisch. Der Bevollmächtigte des Guts¬
besitzers im Süden vertrat noch einmal mit dringenden Worten die Sache
seines Vollmachtgebers! Umsonst! Eine Dame, deren damaliges Verhält¬
niß zum Hofe der Anstand zu bezeichnen verbietet, gab den Rath: "Majestät,
werfen Sie sich in die Arme des Volkes." Und der König folgte dem Rath.
Er warf sich in die Arme des Volkes -- in die Arme Sörensens, der in dieser
Umarmung zum vollständigen Herrn Sörensen, zum Herrn auch des Königs
wurde und bisjetzt Herr im Lande Dänemark geblieben ist. Das betreffende
Stück Land wurde mit Beschlag belegt und mit Sörensens Gut verbunden.
Der rechte Besitzer setzte sich dagegen zur Wehre, und fand dabei Hilfe bei
seinem Vater. Es gab einen langen Streit, der zuletzt damit endigte, daß
der Vater des Angegriffenen demselben verbot, sich länger zu wehren, und
daß ein Vergleich zu Stande kam. nach welchem das streitige Land weder
der einen noch der anderen Partei gehören sollte.

Sörensens König war damit zufrieden. Sörensen oder wie wir ihn jetzt
nennen müssen, Herr Sörensen, war damit nicht zufrieden. Er war ein gro¬
ßer Mann geworden, und so mußte er nothwendig auch ein großes Landgut be¬
sitzen. Er legte sich den Vertrag in seiner Weise aus. behandelte das betref¬
fende Stück Land als sein Eigenthum, setzte Vögte hin, welche Jeden, der
solche Behandlung tadelte, ohne Weiteres abstraften, nahm den Leuten im


Grenzboten II. 1861. 65

Ministerwerden und wartete der Gelegenheit, wo er die ihm gebührende Stelle
einnehmen könne.

Die Gelegenheit fand sich und mit ihr zugleich eine andere, die nämlich,
auch für Vergrößerung seines Besitzstandes zu sorgen. Sörensen hatte schon
geraume Zeit ein Auge auf ein schönes Stück Land, welches um Süden an
sein Landgut grenzte und einem von den Söhnen jenes Nachbars gehörte,
der den alten Sören nnter die gebildeten Leute aufgenommen hatte und dem
auch Sörensen für mancherlei gute Gaben Dank schuldig war. Das Land
war fast so viel werth wie das Verlorne Gut Norwegen, es hätte Sörensens
Finanzen beträchtlich gebessert, wenn es ihm zugesprochen worden wäre. Es
ging eine Sage, daß wenigstens die Hälfte davon vor Iahrhundericn einmal
im Besitz eines Großvaters Sörensens gewesen und darauf hin pctitiorurte
letzterer beim König um Rückgabe. Es war kein rechtlicher Grund dazu vor¬
handen, und der König schien zu schwanken. Er war im Herzen wol für
Sörensen, der ihm. man weiß nicht warum, besser gefiel, wie der in seinem
Eigenthum Bedrohte, aber er konnte doch nicht >n Abrede stellen, daß dieser
letztere das Recht für sich hatte. Er gab zuletzt eine Antwort, die ungefähr
darauf hinauskam: es ginge wol, aber es geht nicht.

Sörensen erwiderte patzig, es muß gehen. Er demonstrirte, revoltirte,
zeigte die Fahne der Republik. Es wurden oratorische Karthaunen in den
Straßen ausgefahre» und in der erwähnten Brauerei alle Hähne aufgedreht,
so daß eine Sündfluth von Freiheit in die Gassen lief.

Die Lage des Königs wurde kritisch. Der Bevollmächtigte des Guts¬
besitzers im Süden vertrat noch einmal mit dringenden Worten die Sache
seines Vollmachtgebers! Umsonst! Eine Dame, deren damaliges Verhält¬
niß zum Hofe der Anstand zu bezeichnen verbietet, gab den Rath: „Majestät,
werfen Sie sich in die Arme des Volkes." Und der König folgte dem Rath.
Er warf sich in die Arme des Volkes — in die Arme Sörensens, der in dieser
Umarmung zum vollständigen Herrn Sörensen, zum Herrn auch des Königs
wurde und bisjetzt Herr im Lande Dänemark geblieben ist. Das betreffende
Stück Land wurde mit Beschlag belegt und mit Sörensens Gut verbunden.
Der rechte Besitzer setzte sich dagegen zur Wehre, und fand dabei Hilfe bei
seinem Vater. Es gab einen langen Streit, der zuletzt damit endigte, daß
der Vater des Angegriffenen demselben verbot, sich länger zu wehren, und
daß ein Vergleich zu Stande kam. nach welchem das streitige Land weder
der einen noch der anderen Partei gehören sollte.

Sörensens König war damit zufrieden. Sörensen oder wie wir ihn jetzt
nennen müssen, Herr Sörensen, war damit nicht zufrieden. Er war ein gro¬
ßer Mann geworden, und so mußte er nothwendig auch ein großes Landgut be¬
sitzen. Er legte sich den Vertrag in seiner Weise aus. behandelte das betref¬
fende Stück Land als sein Eigenthum, setzte Vögte hin, welche Jeden, der
solche Behandlung tadelte, ohne Weiteres abstraften, nahm den Leuten im


Grenzboten II. 1861. 65
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[0523] Ministerwerden und wartete der Gelegenheit, wo er die ihm gebührende Stelle einnehmen könne. Die Gelegenheit fand sich und mit ihr zugleich eine andere, die nämlich, auch für Vergrößerung seines Besitzstandes zu sorgen. Sörensen hatte schon geraume Zeit ein Auge auf ein schönes Stück Land, welches um Süden an sein Landgut grenzte und einem von den Söhnen jenes Nachbars gehörte, der den alten Sören nnter die gebildeten Leute aufgenommen hatte und dem auch Sörensen für mancherlei gute Gaben Dank schuldig war. Das Land war fast so viel werth wie das Verlorne Gut Norwegen, es hätte Sörensens Finanzen beträchtlich gebessert, wenn es ihm zugesprochen worden wäre. Es ging eine Sage, daß wenigstens die Hälfte davon vor Iahrhundericn einmal im Besitz eines Großvaters Sörensens gewesen und darauf hin pctitiorurte letzterer beim König um Rückgabe. Es war kein rechtlicher Grund dazu vor¬ handen, und der König schien zu schwanken. Er war im Herzen wol für Sörensen, der ihm. man weiß nicht warum, besser gefiel, wie der in seinem Eigenthum Bedrohte, aber er konnte doch nicht >n Abrede stellen, daß dieser letztere das Recht für sich hatte. Er gab zuletzt eine Antwort, die ungefähr darauf hinauskam: es ginge wol, aber es geht nicht. Sörensen erwiderte patzig, es muß gehen. Er demonstrirte, revoltirte, zeigte die Fahne der Republik. Es wurden oratorische Karthaunen in den Straßen ausgefahre» und in der erwähnten Brauerei alle Hähne aufgedreht, so daß eine Sündfluth von Freiheit in die Gassen lief. Die Lage des Königs wurde kritisch. Der Bevollmächtigte des Guts¬ besitzers im Süden vertrat noch einmal mit dringenden Worten die Sache seines Vollmachtgebers! Umsonst! Eine Dame, deren damaliges Verhält¬ niß zum Hofe der Anstand zu bezeichnen verbietet, gab den Rath: „Majestät, werfen Sie sich in die Arme des Volkes." Und der König folgte dem Rath. Er warf sich in die Arme des Volkes — in die Arme Sörensens, der in dieser Umarmung zum vollständigen Herrn Sörensen, zum Herrn auch des Königs wurde und bisjetzt Herr im Lande Dänemark geblieben ist. Das betreffende Stück Land wurde mit Beschlag belegt und mit Sörensens Gut verbunden. Der rechte Besitzer setzte sich dagegen zur Wehre, und fand dabei Hilfe bei seinem Vater. Es gab einen langen Streit, der zuletzt damit endigte, daß der Vater des Angegriffenen demselben verbot, sich länger zu wehren, und daß ein Vergleich zu Stande kam. nach welchem das streitige Land weder der einen noch der anderen Partei gehören sollte. Sörensens König war damit zufrieden. Sörensen oder wie wir ihn jetzt nennen müssen, Herr Sörensen, war damit nicht zufrieden. Er war ein gro¬ ßer Mann geworden, und so mußte er nothwendig auch ein großes Landgut be¬ sitzen. Er legte sich den Vertrag in seiner Weise aus. behandelte das betref¬ fende Stück Land als sein Eigenthum, setzte Vögte hin, welche Jeden, der solche Behandlung tadelte, ohne Weiteres abstraften, nahm den Leuten im Grenzboten II. 1861. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/523>, abgerufen am 01.07.2024.