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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Grundeigenthum eines virginischen Oekonomen gleicht in vielen Hinsichten einem
mecklenburgischen Rittergut. Der transatlantische Rittergutsbesitzer erfreut sich
allerdings nicht der politischen Lorrechte seines norddeutschen Seilenstücks, aber
in jeder andern Beziehung übt er dieselbe Gewalt über sein Eigenthum aus,
welche jenem zusteht. Das Herrenhaus befindet sich gewöhnlich an der an-
muthigsten Stelle der Besitzung, und mit Ausnahme der Herrschaft sind alle,
d>e dort wohnen, Lehensleute oder Sklaven des Eigenthümer??. W>e bei
uns hat jedes solche Gut seinen besondern Name", aber man benennt das¬
selbe nicht nach dem im Norden vorwaltenden Princip, nach welchem das Land-
eigcnthum eines Jeden als der oder der Ausschnitt in der oder der Abthei¬
lung von der oder der Gemeinde bekannt ist, sondern gibt ihm einen indi¬
viduellen Namen.

Der Einfluß, den diese Gewohnheiten auf d>e Gesellschaft ausüben, ist
sehr auffallend. Kaum finden sich in Amerika größere Gegensätze, als das
Leben des Grundbesitzers im Süden und des Grundbesitzers im Norden. Nur
in der Nähe größerer Städte trifft man im Norden Gutseigenlhümer, die sich
nicht persönlich mit der Bcarbnlung ihres Grundes und Bodens beschäftigen,
und dann ist das Gut in der Regel mehr als Landsitz, den man zum Ver¬
gnügen bewohnt, wie als Landwirthschaft, die Geld einbringen soll, angesehen.
Der Farmer des Nordens ist fast überall de^c erste Arbeiter auf seinem Stück
Land, und auch seine Frau, seine Töchter und Söhne nehmen, wenn letztere
nicht der Ehrgeiz antreibt, sich in den Städten mit der Kaufmannschaft oder
einem gelehrten Beruf zu versuchen, ihren Antheil an der Bewirthschaftung der
Farm, obwol die Frauen in Amerika nie Feld- oder Stallarbeit, sondern nur
häusliche Geschäfte verrichten. Der nördliche Laubwerks ist mit einem Wort
ein Bauer, und mag er sich noch so vortheilhaft in Haltung, Rede und Bil¬
dung von den meisten unserer Bauern unterscheiden, so ist doch die Gewohn¬
heit täglicher schwerer Arbeit der Entwickelung geistiger Anmuth wenig günstig.
Derselbe wird trocken, wortkarg, nüchtern und prosaisch. Aber auf der andern
Seite entwickelt die Arbeit in ihm Eigenschaften, welche jene Mängel ganz
bedeutend überwiegen, sie erweckt Selbstvertrauen, hindert das Einschlafen der
Willenskraft und fördert und kräftigt den Sinn für Unabhängigkeit.

Vollkommen verschieden hiervon ist das Leben des südlichen Pflanzers,
den es in den Augen seiner Standesgenossen herabsetzen würde, wenn er aus
seinem Gut selbst mit Hand anlegen wollte. Die Arbeit ist für den Sklaven
da, der Herr lebt nur für den Genuß, für die Politik und bisweilen für die
Literatur und die Wissenschaft überhaupt. Handarbeit stellt, wenigstens auf
dem Lande, den Weißen dem Neger gleich, und selbst der Handwerker der
Städte wird von dem virginischen Cavalier höchstens als ein Mittelwesen
zwischen dem freien Mann und dem Sklaven angesehen, beiläufig eine An-


Grundeigenthum eines virginischen Oekonomen gleicht in vielen Hinsichten einem
mecklenburgischen Rittergut. Der transatlantische Rittergutsbesitzer erfreut sich
allerdings nicht der politischen Lorrechte seines norddeutschen Seilenstücks, aber
in jeder andern Beziehung übt er dieselbe Gewalt über sein Eigenthum aus,
welche jenem zusteht. Das Herrenhaus befindet sich gewöhnlich an der an-
muthigsten Stelle der Besitzung, und mit Ausnahme der Herrschaft sind alle,
d>e dort wohnen, Lehensleute oder Sklaven des Eigenthümer??. W>e bei
uns hat jedes solche Gut seinen besondern Name», aber man benennt das¬
selbe nicht nach dem im Norden vorwaltenden Princip, nach welchem das Land-
eigcnthum eines Jeden als der oder der Ausschnitt in der oder der Abthei¬
lung von der oder der Gemeinde bekannt ist, sondern gibt ihm einen indi¬
viduellen Namen.

Der Einfluß, den diese Gewohnheiten auf d>e Gesellschaft ausüben, ist
sehr auffallend. Kaum finden sich in Amerika größere Gegensätze, als das
Leben des Grundbesitzers im Süden und des Grundbesitzers im Norden. Nur
in der Nähe größerer Städte trifft man im Norden Gutseigenlhümer, die sich
nicht persönlich mit der Bcarbnlung ihres Grundes und Bodens beschäftigen,
und dann ist das Gut in der Regel mehr als Landsitz, den man zum Ver¬
gnügen bewohnt, wie als Landwirthschaft, die Geld einbringen soll, angesehen.
Der Farmer des Nordens ist fast überall de^c erste Arbeiter auf seinem Stück
Land, und auch seine Frau, seine Töchter und Söhne nehmen, wenn letztere
nicht der Ehrgeiz antreibt, sich in den Städten mit der Kaufmannschaft oder
einem gelehrten Beruf zu versuchen, ihren Antheil an der Bewirthschaftung der
Farm, obwol die Frauen in Amerika nie Feld- oder Stallarbeit, sondern nur
häusliche Geschäfte verrichten. Der nördliche Laubwerks ist mit einem Wort
ein Bauer, und mag er sich noch so vortheilhaft in Haltung, Rede und Bil¬
dung von den meisten unserer Bauern unterscheiden, so ist doch die Gewohn¬
heit täglicher schwerer Arbeit der Entwickelung geistiger Anmuth wenig günstig.
Derselbe wird trocken, wortkarg, nüchtern und prosaisch. Aber auf der andern
Seite entwickelt die Arbeit in ihm Eigenschaften, welche jene Mängel ganz
bedeutend überwiegen, sie erweckt Selbstvertrauen, hindert das Einschlafen der
Willenskraft und fördert und kräftigt den Sinn für Unabhängigkeit.

Vollkommen verschieden hiervon ist das Leben des südlichen Pflanzers,
den es in den Augen seiner Standesgenossen herabsetzen würde, wenn er aus
seinem Gut selbst mit Hand anlegen wollte. Die Arbeit ist für den Sklaven
da, der Herr lebt nur für den Genuß, für die Politik und bisweilen für die
Literatur und die Wissenschaft überhaupt. Handarbeit stellt, wenigstens auf
dem Lande, den Weißen dem Neger gleich, und selbst der Handwerker der
Städte wird von dem virginischen Cavalier höchstens als ein Mittelwesen
zwischen dem freien Mann und dem Sklaven angesehen, beiläufig eine An-


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[0514] Grundeigenthum eines virginischen Oekonomen gleicht in vielen Hinsichten einem mecklenburgischen Rittergut. Der transatlantische Rittergutsbesitzer erfreut sich allerdings nicht der politischen Lorrechte seines norddeutschen Seilenstücks, aber in jeder andern Beziehung übt er dieselbe Gewalt über sein Eigenthum aus, welche jenem zusteht. Das Herrenhaus befindet sich gewöhnlich an der an- muthigsten Stelle der Besitzung, und mit Ausnahme der Herrschaft sind alle, d>e dort wohnen, Lehensleute oder Sklaven des Eigenthümer??. W>e bei uns hat jedes solche Gut seinen besondern Name», aber man benennt das¬ selbe nicht nach dem im Norden vorwaltenden Princip, nach welchem das Land- eigcnthum eines Jeden als der oder der Ausschnitt in der oder der Abthei¬ lung von der oder der Gemeinde bekannt ist, sondern gibt ihm einen indi¬ viduellen Namen. Der Einfluß, den diese Gewohnheiten auf d>e Gesellschaft ausüben, ist sehr auffallend. Kaum finden sich in Amerika größere Gegensätze, als das Leben des Grundbesitzers im Süden und des Grundbesitzers im Norden. Nur in der Nähe größerer Städte trifft man im Norden Gutseigenlhümer, die sich nicht persönlich mit der Bcarbnlung ihres Grundes und Bodens beschäftigen, und dann ist das Gut in der Regel mehr als Landsitz, den man zum Ver¬ gnügen bewohnt, wie als Landwirthschaft, die Geld einbringen soll, angesehen. Der Farmer des Nordens ist fast überall de^c erste Arbeiter auf seinem Stück Land, und auch seine Frau, seine Töchter und Söhne nehmen, wenn letztere nicht der Ehrgeiz antreibt, sich in den Städten mit der Kaufmannschaft oder einem gelehrten Beruf zu versuchen, ihren Antheil an der Bewirthschaftung der Farm, obwol die Frauen in Amerika nie Feld- oder Stallarbeit, sondern nur häusliche Geschäfte verrichten. Der nördliche Laubwerks ist mit einem Wort ein Bauer, und mag er sich noch so vortheilhaft in Haltung, Rede und Bil¬ dung von den meisten unserer Bauern unterscheiden, so ist doch die Gewohn¬ heit täglicher schwerer Arbeit der Entwickelung geistiger Anmuth wenig günstig. Derselbe wird trocken, wortkarg, nüchtern und prosaisch. Aber auf der andern Seite entwickelt die Arbeit in ihm Eigenschaften, welche jene Mängel ganz bedeutend überwiegen, sie erweckt Selbstvertrauen, hindert das Einschlafen der Willenskraft und fördert und kräftigt den Sinn für Unabhängigkeit. Vollkommen verschieden hiervon ist das Leben des südlichen Pflanzers, den es in den Augen seiner Standesgenossen herabsetzen würde, wenn er aus seinem Gut selbst mit Hand anlegen wollte. Die Arbeit ist für den Sklaven da, der Herr lebt nur für den Genuß, für die Politik und bisweilen für die Literatur und die Wissenschaft überhaupt. Handarbeit stellt, wenigstens auf dem Lande, den Weißen dem Neger gleich, und selbst der Handwerker der Städte wird von dem virginischen Cavalier höchstens als ein Mittelwesen zwischen dem freien Mann und dem Sklaven angesehen, beiläufig eine An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/514>, abgerufen am 25.08.2024.