Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vor einigen Wochen ein Theil der Flotte der Union durch die Beamten der¬
selben verbrannt wurde, um nicht den Rebellen in die Hände zu fallen.

Die dritte Stadt des Staates ist Petersburg mit 16,000 Einwohnern.
Es liegt am Appomattox und der großen Route von Neuyork nach Charleston
und Neuorleans, 5 Meilen von Richmond und 34 von Washington. Au¬
ßerdem verdienen Erwähnung Fredericksburg, ein alterthümlich aussehendes
Städtchen von 5000 Einwohnern, 18 Meilen von Washington in einer frucht¬
baren Gegend des Rappcchannock-Thales gelegen, Lynchburg, an, obern Lauf
des James River, in der Nachbarschaft der Mineralquellen-Region. Staunton
mit einem Blinden- und einem Taubstummen-Institut, Wheeling am Ohio,
die Hauptstadt von Westvirginien, mit bedeutenden Manufacturen und 11.000
Einwohnern, unter denen gegen 4000 Deutsche sind. Alexandria. mit etwas
über 9000 Einwohnern, IV2 Meilen von Washington am Potomac gelegen,
endlich Charlottesville in der Nähe von Monticello, dem einstigen Wohnsitz
Jeffersons und seinem jetzigen Grabe. In Charlottesville oder vielmehr in
dessen Nachbarschaft befindet sich die Universität von Virginien. Das Gebäude
ist ein geschlossenes Rechteck von ein- und zweistöckigen Gebäuden mit Süu-
lengängen, die Umgebung eine anmuthige Hügellandschaft. Das Institut
wurde 1819 von Jefferson gegründet, der an ihm so großes Interesse nahm
und seine Bedeutung so hoch anschlug, daß er in der unter seinen hinterlas'
selten Papieren gefundenen Grabschrift seinen Antheil an ihrer Gründung für
das drittgrößte seiner Verdienste erklärte und nur der Autorschaft der Unab¬
hängigkeitserklärung und der Verfassung von Birginien den Vorrang einräumte.
Die Universität ist denn auch in ihrer Art recht gut und jedenfalls die beste
im Süden. Mit der Harward-Universität in Massachusetts freilich darf man
sie nicht vergleichen, und noch weniger darf man den Maßstab deutscher Hoch'
Schulen an sie legen. Am wenigsten darf man Förderung rein philosophi'
scher oder historischer Studien von ihr erwarten. Die Sklaverei kann sich
mit der Religion abfinden, wofür die zahlreichen Geistlichen Zeugniß ab¬
legen, welche Sklaven halten.*) Die Probe der Philosophie, die Kritik
des Geschichtsforschers hält sie nicht aus. und da die Universität bei Char¬
lottesville fast ausschließlich von jungen Leuten aus den Südstaaten
besucht wird (als Fröbel sie sah, studirten an ihr 327 Jünglinge, und
darunter befand sich nur einer, der einem Staat ohne Sklaverei angehörte)
so ist es nicht zu verwundern, daß solche Prüfsteine hier nicht in Anwendung
kommen. Es ist im Wesentlichen dasselbe Princip, nach dem man durch Ge¬
setz verbot, die Neger lesen und schreiben zu lehren.

Wenn wir von dem Volke Virginiens sprechen, so meinen wir eigentlich



') Man hat berechnet, daß nicht weniger als ein Neuntel der Sklaven in den Südstaa¬
ten im Besitz von Geistlichen sich befindet.

vor einigen Wochen ein Theil der Flotte der Union durch die Beamten der¬
selben verbrannt wurde, um nicht den Rebellen in die Hände zu fallen.

Die dritte Stadt des Staates ist Petersburg mit 16,000 Einwohnern.
Es liegt am Appomattox und der großen Route von Neuyork nach Charleston
und Neuorleans, 5 Meilen von Richmond und 34 von Washington. Au¬
ßerdem verdienen Erwähnung Fredericksburg, ein alterthümlich aussehendes
Städtchen von 5000 Einwohnern, 18 Meilen von Washington in einer frucht¬
baren Gegend des Rappcchannock-Thales gelegen, Lynchburg, an, obern Lauf
des James River, in der Nachbarschaft der Mineralquellen-Region. Staunton
mit einem Blinden- und einem Taubstummen-Institut, Wheeling am Ohio,
die Hauptstadt von Westvirginien, mit bedeutenden Manufacturen und 11.000
Einwohnern, unter denen gegen 4000 Deutsche sind. Alexandria. mit etwas
über 9000 Einwohnern, IV2 Meilen von Washington am Potomac gelegen,
endlich Charlottesville in der Nähe von Monticello, dem einstigen Wohnsitz
Jeffersons und seinem jetzigen Grabe. In Charlottesville oder vielmehr in
dessen Nachbarschaft befindet sich die Universität von Virginien. Das Gebäude
ist ein geschlossenes Rechteck von ein- und zweistöckigen Gebäuden mit Süu-
lengängen, die Umgebung eine anmuthige Hügellandschaft. Das Institut
wurde 1819 von Jefferson gegründet, der an ihm so großes Interesse nahm
und seine Bedeutung so hoch anschlug, daß er in der unter seinen hinterlas'
selten Papieren gefundenen Grabschrift seinen Antheil an ihrer Gründung für
das drittgrößte seiner Verdienste erklärte und nur der Autorschaft der Unab¬
hängigkeitserklärung und der Verfassung von Birginien den Vorrang einräumte.
Die Universität ist denn auch in ihrer Art recht gut und jedenfalls die beste
im Süden. Mit der Harward-Universität in Massachusetts freilich darf man
sie nicht vergleichen, und noch weniger darf man den Maßstab deutscher Hoch'
Schulen an sie legen. Am wenigsten darf man Förderung rein philosophi'
scher oder historischer Studien von ihr erwarten. Die Sklaverei kann sich
mit der Religion abfinden, wofür die zahlreichen Geistlichen Zeugniß ab¬
legen, welche Sklaven halten.*) Die Probe der Philosophie, die Kritik
des Geschichtsforschers hält sie nicht aus. und da die Universität bei Char¬
lottesville fast ausschließlich von jungen Leuten aus den Südstaaten
besucht wird (als Fröbel sie sah, studirten an ihr 327 Jünglinge, und
darunter befand sich nur einer, der einem Staat ohne Sklaverei angehörte)
so ist es nicht zu verwundern, daß solche Prüfsteine hier nicht in Anwendung
kommen. Es ist im Wesentlichen dasselbe Princip, nach dem man durch Ge¬
setz verbot, die Neger lesen und schreiben zu lehren.

Wenn wir von dem Volke Virginiens sprechen, so meinen wir eigentlich



') Man hat berechnet, daß nicht weniger als ein Neuntel der Sklaven in den Südstaa¬
ten im Besitz von Geistlichen sich befindet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111908"/>
          <p xml:id="ID_1700" prev="#ID_1699"> vor einigen Wochen ein Theil der Flotte der Union durch die Beamten der¬<lb/>
selben verbrannt wurde, um nicht den Rebellen in die Hände zu fallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1701"> Die dritte Stadt des Staates ist Petersburg mit 16,000 Einwohnern.<lb/>
Es liegt am Appomattox und der großen Route von Neuyork nach Charleston<lb/>
und Neuorleans, 5 Meilen von Richmond und 34 von Washington. Au¬<lb/>
ßerdem verdienen Erwähnung Fredericksburg, ein alterthümlich aussehendes<lb/>
Städtchen von 5000 Einwohnern, 18 Meilen von Washington in einer frucht¬<lb/>
baren Gegend des Rappcchannock-Thales gelegen, Lynchburg, an, obern Lauf<lb/>
des James River, in der Nachbarschaft der Mineralquellen-Region. Staunton<lb/>
mit einem Blinden- und einem Taubstummen-Institut, Wheeling am Ohio,<lb/>
die Hauptstadt von Westvirginien, mit bedeutenden Manufacturen und 11.000<lb/>
Einwohnern, unter denen gegen 4000 Deutsche sind. Alexandria. mit etwas<lb/>
über 9000 Einwohnern, IV2 Meilen von Washington am Potomac gelegen,<lb/>
endlich Charlottesville in der Nähe von Monticello, dem einstigen Wohnsitz<lb/>
Jeffersons und seinem jetzigen Grabe. In Charlottesville oder vielmehr in<lb/>
dessen Nachbarschaft befindet sich die Universität von Virginien. Das Gebäude<lb/>
ist ein geschlossenes Rechteck von ein- und zweistöckigen Gebäuden mit Süu-<lb/>
lengängen, die Umgebung eine anmuthige Hügellandschaft. Das Institut<lb/>
wurde 1819 von Jefferson gegründet, der an ihm so großes Interesse nahm<lb/>
und seine Bedeutung so hoch anschlug, daß er in der unter seinen hinterlas'<lb/>
selten Papieren gefundenen Grabschrift seinen Antheil an ihrer Gründung für<lb/>
das drittgrößte seiner Verdienste erklärte und nur der Autorschaft der Unab¬<lb/>
hängigkeitserklärung und der Verfassung von Birginien den Vorrang einräumte.<lb/>
Die Universität ist denn auch in ihrer Art recht gut und jedenfalls die beste<lb/>
im Süden. Mit der Harward-Universität in Massachusetts freilich darf man<lb/>
sie nicht vergleichen, und noch weniger darf man den Maßstab deutscher Hoch'<lb/>
Schulen an sie legen. Am wenigsten darf man Förderung rein philosophi'<lb/>
scher oder historischer Studien von ihr erwarten. Die Sklaverei kann sich<lb/>
mit der Religion abfinden, wofür die zahlreichen Geistlichen Zeugniß ab¬<lb/>
legen, welche Sklaven halten.*) Die Probe der Philosophie, die Kritik<lb/>
des Geschichtsforschers hält sie nicht aus. und da die Universität bei Char¬<lb/>
lottesville fast ausschließlich von jungen Leuten aus den Südstaaten<lb/>
besucht wird (als Fröbel sie sah, studirten an ihr 327 Jünglinge, und<lb/>
darunter befand sich nur einer, der einem Staat ohne Sklaverei angehörte)<lb/>
so ist es nicht zu verwundern, daß solche Prüfsteine hier nicht in Anwendung<lb/>
kommen. Es ist im Wesentlichen dasselbe Princip, nach dem man durch Ge¬<lb/>
setz verbot, die Neger lesen und schreiben zu lehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1702" next="#ID_1703"> Wenn wir von dem Volke Virginiens sprechen, so meinen wir eigentlich</p><lb/>
          <note xml:id="FID_27" place="foot"> ') Man hat berechnet, daß nicht weniger als ein Neuntel der Sklaven in den Südstaa¬<lb/>
ten im Besitz von Geistlichen sich befindet.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] vor einigen Wochen ein Theil der Flotte der Union durch die Beamten der¬ selben verbrannt wurde, um nicht den Rebellen in die Hände zu fallen. Die dritte Stadt des Staates ist Petersburg mit 16,000 Einwohnern. Es liegt am Appomattox und der großen Route von Neuyork nach Charleston und Neuorleans, 5 Meilen von Richmond und 34 von Washington. Au¬ ßerdem verdienen Erwähnung Fredericksburg, ein alterthümlich aussehendes Städtchen von 5000 Einwohnern, 18 Meilen von Washington in einer frucht¬ baren Gegend des Rappcchannock-Thales gelegen, Lynchburg, an, obern Lauf des James River, in der Nachbarschaft der Mineralquellen-Region. Staunton mit einem Blinden- und einem Taubstummen-Institut, Wheeling am Ohio, die Hauptstadt von Westvirginien, mit bedeutenden Manufacturen und 11.000 Einwohnern, unter denen gegen 4000 Deutsche sind. Alexandria. mit etwas über 9000 Einwohnern, IV2 Meilen von Washington am Potomac gelegen, endlich Charlottesville in der Nähe von Monticello, dem einstigen Wohnsitz Jeffersons und seinem jetzigen Grabe. In Charlottesville oder vielmehr in dessen Nachbarschaft befindet sich die Universität von Virginien. Das Gebäude ist ein geschlossenes Rechteck von ein- und zweistöckigen Gebäuden mit Süu- lengängen, die Umgebung eine anmuthige Hügellandschaft. Das Institut wurde 1819 von Jefferson gegründet, der an ihm so großes Interesse nahm und seine Bedeutung so hoch anschlug, daß er in der unter seinen hinterlas' selten Papieren gefundenen Grabschrift seinen Antheil an ihrer Gründung für das drittgrößte seiner Verdienste erklärte und nur der Autorschaft der Unab¬ hängigkeitserklärung und der Verfassung von Birginien den Vorrang einräumte. Die Universität ist denn auch in ihrer Art recht gut und jedenfalls die beste im Süden. Mit der Harward-Universität in Massachusetts freilich darf man sie nicht vergleichen, und noch weniger darf man den Maßstab deutscher Hoch' Schulen an sie legen. Am wenigsten darf man Förderung rein philosophi' scher oder historischer Studien von ihr erwarten. Die Sklaverei kann sich mit der Religion abfinden, wofür die zahlreichen Geistlichen Zeugniß ab¬ legen, welche Sklaven halten.*) Die Probe der Philosophie, die Kritik des Geschichtsforschers hält sie nicht aus. und da die Universität bei Char¬ lottesville fast ausschließlich von jungen Leuten aus den Südstaaten besucht wird (als Fröbel sie sah, studirten an ihr 327 Jünglinge, und darunter befand sich nur einer, der einem Staat ohne Sklaverei angehörte) so ist es nicht zu verwundern, daß solche Prüfsteine hier nicht in Anwendung kommen. Es ist im Wesentlichen dasselbe Princip, nach dem man durch Ge¬ setz verbot, die Neger lesen und schreiben zu lehren. Wenn wir von dem Volke Virginiens sprechen, so meinen wir eigentlich ') Man hat berechnet, daß nicht weniger als ein Neuntel der Sklaven in den Südstaa¬ ten im Besitz von Geistlichen sich befindet.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/476>, abgerufen am 03.07.2024.