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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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als griechisch-amerikanisch bezeichnen möchten, von Weitem recht stattlich aus¬
sieht, in der Nähe betrachtet aber viel von seiner Wirkung verliert. In der
Haupihalle desselben findet mau eine lebensgroße Statue Washingtons, welche
den großen Patnoten in einfacher Bürgerkleiduug den Stab in der Hand vor¬
stellt und unsres Wissens das beste Bild, auf alle Fälle das treueste Porträt
desselben ist. da die Gesichtszüge nach einem Gypsabguß geformt sind, den
man im Leben von ihm abgenommen. Das Material des Standbildes ist
Marmor, der Bildner war der Franzose Houdon. Die Aussicht vom Porticus
des Capitals ist ungemein schön. Den unmittelbaren Vordergrund bildet die
Unterstadt, weiterhin wälzt der Fluß sein schäumendes Wasser über Felsklip¬
pen und zwischen kleinen in dichtes Laubwerk gehüllten Eilanden hin. Der
Stadt gegenüber, auf dem südlichen Ufer liegt das kleine Fabrikdorf Man¬
chester, wohin drei Brücken über die Wasserfalle und Strudel des Stroms
führen. Jenseits derselben breitet sich eine weite, nur an einigen Stellen ge¬
lichtete Landschaft mit grünem Wald aus. aus welchem der Wind in der Zeit
der Magnolienblüthe süße Düfte herbeiweht. Die übrigen erwähnenswerthen
öffentlichen Gebäude Richmonds sind die Cityhall, das Zollhaus, welches eine
halbe Million Dollars gekostet haben soll, und das Zuchthaus, welches eine
Fayade von 300 Fuß Länge hat. Von den 30 Kirchen zeichnet sich keine durch
ihre Bauart aus. Die Fabriken der Stadt, die sämmtlich durch Wasserkraft
getrieben werden, sind die größten in Virginien. Es sind Wollen- und Baum-
wollenenmanufacturen, Tabaksfactoreien, Eisenwerke und Mehlmühlen, von
welchen letzteren eine für die bedeutendste in der ganzen Union gilt und, wenn
sie in voller Bewegung ist, täglich gegen tausend Faß Mehl liefern kann.
Der südamerikanische Markt bezieht dieses Lebensbedürfniß hauptsächlich aus
Richmond, da der virginische Weizen im gemahlenen Zustand sich besser als
irgend ein anderer zur Versendung nach den Tropenländern eignet. Richmond
ist endlich auch einer der ersten Tabaksmärkte des Landes, indem sich hier das
Product des Staates sowol zum Export als zur Verarbeitung anhäuft. Die
Tabaksmasse, die sich auf diese Weise bisweilen hier ansammelt, wird nur
durch die überstiegen, welche gewöhnlich in den Speichern der Londoner Docks
ZU finden ist.

An Größe und Einwohnerzahl die zweite Stadt Virginiens ist Norfolk am
Elisabeth-River. einem Arm des James, 7 deutsche Meilen von der See. Es hat
18.000 Bewohner und ist unregelmäßig auf einer Ebene erbaut. Der Fluß ist bis
b>über mit den größten Seeschiffen zu befahren, der Hafen geräumig, sicher
und leicht zugänglich. Seine Vertheidigung besteht in den Forts Monroe und
Ealhoun. Unmittelbar gegenüber der Stadt befinden sich die Städtchen Gos-
port und Portsmouth, wo eine große Schiffswerfte der Verewigten Staaten
"'it einem ausgedehnten Trockendock und einem Marinehospital ist. und wo


Grenzboten II. 1361.

als griechisch-amerikanisch bezeichnen möchten, von Weitem recht stattlich aus¬
sieht, in der Nähe betrachtet aber viel von seiner Wirkung verliert. In der
Haupihalle desselben findet mau eine lebensgroße Statue Washingtons, welche
den großen Patnoten in einfacher Bürgerkleiduug den Stab in der Hand vor¬
stellt und unsres Wissens das beste Bild, auf alle Fälle das treueste Porträt
desselben ist. da die Gesichtszüge nach einem Gypsabguß geformt sind, den
man im Leben von ihm abgenommen. Das Material des Standbildes ist
Marmor, der Bildner war der Franzose Houdon. Die Aussicht vom Porticus
des Capitals ist ungemein schön. Den unmittelbaren Vordergrund bildet die
Unterstadt, weiterhin wälzt der Fluß sein schäumendes Wasser über Felsklip¬
pen und zwischen kleinen in dichtes Laubwerk gehüllten Eilanden hin. Der
Stadt gegenüber, auf dem südlichen Ufer liegt das kleine Fabrikdorf Man¬
chester, wohin drei Brücken über die Wasserfalle und Strudel des Stroms
führen. Jenseits derselben breitet sich eine weite, nur an einigen Stellen ge¬
lichtete Landschaft mit grünem Wald aus. aus welchem der Wind in der Zeit
der Magnolienblüthe süße Düfte herbeiweht. Die übrigen erwähnenswerthen
öffentlichen Gebäude Richmonds sind die Cityhall, das Zollhaus, welches eine
halbe Million Dollars gekostet haben soll, und das Zuchthaus, welches eine
Fayade von 300 Fuß Länge hat. Von den 30 Kirchen zeichnet sich keine durch
ihre Bauart aus. Die Fabriken der Stadt, die sämmtlich durch Wasserkraft
getrieben werden, sind die größten in Virginien. Es sind Wollen- und Baum-
wollenenmanufacturen, Tabaksfactoreien, Eisenwerke und Mehlmühlen, von
welchen letzteren eine für die bedeutendste in der ganzen Union gilt und, wenn
sie in voller Bewegung ist, täglich gegen tausend Faß Mehl liefern kann.
Der südamerikanische Markt bezieht dieses Lebensbedürfniß hauptsächlich aus
Richmond, da der virginische Weizen im gemahlenen Zustand sich besser als
irgend ein anderer zur Versendung nach den Tropenländern eignet. Richmond
ist endlich auch einer der ersten Tabaksmärkte des Landes, indem sich hier das
Product des Staates sowol zum Export als zur Verarbeitung anhäuft. Die
Tabaksmasse, die sich auf diese Weise bisweilen hier ansammelt, wird nur
durch die überstiegen, welche gewöhnlich in den Speichern der Londoner Docks
ZU finden ist.

An Größe und Einwohnerzahl die zweite Stadt Virginiens ist Norfolk am
Elisabeth-River. einem Arm des James, 7 deutsche Meilen von der See. Es hat
18.000 Bewohner und ist unregelmäßig auf einer Ebene erbaut. Der Fluß ist bis
b>über mit den größten Seeschiffen zu befahren, der Hafen geräumig, sicher
und leicht zugänglich. Seine Vertheidigung besteht in den Forts Monroe und
Ealhoun. Unmittelbar gegenüber der Stadt befinden sich die Städtchen Gos-
port und Portsmouth, wo eine große Schiffswerfte der Verewigten Staaten
"'it einem ausgedehnten Trockendock und einem Marinehospital ist. und wo


Grenzboten II. 1361.
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[0475] als griechisch-amerikanisch bezeichnen möchten, von Weitem recht stattlich aus¬ sieht, in der Nähe betrachtet aber viel von seiner Wirkung verliert. In der Haupihalle desselben findet mau eine lebensgroße Statue Washingtons, welche den großen Patnoten in einfacher Bürgerkleiduug den Stab in der Hand vor¬ stellt und unsres Wissens das beste Bild, auf alle Fälle das treueste Porträt desselben ist. da die Gesichtszüge nach einem Gypsabguß geformt sind, den man im Leben von ihm abgenommen. Das Material des Standbildes ist Marmor, der Bildner war der Franzose Houdon. Die Aussicht vom Porticus des Capitals ist ungemein schön. Den unmittelbaren Vordergrund bildet die Unterstadt, weiterhin wälzt der Fluß sein schäumendes Wasser über Felsklip¬ pen und zwischen kleinen in dichtes Laubwerk gehüllten Eilanden hin. Der Stadt gegenüber, auf dem südlichen Ufer liegt das kleine Fabrikdorf Man¬ chester, wohin drei Brücken über die Wasserfalle und Strudel des Stroms führen. Jenseits derselben breitet sich eine weite, nur an einigen Stellen ge¬ lichtete Landschaft mit grünem Wald aus. aus welchem der Wind in der Zeit der Magnolienblüthe süße Düfte herbeiweht. Die übrigen erwähnenswerthen öffentlichen Gebäude Richmonds sind die Cityhall, das Zollhaus, welches eine halbe Million Dollars gekostet haben soll, und das Zuchthaus, welches eine Fayade von 300 Fuß Länge hat. Von den 30 Kirchen zeichnet sich keine durch ihre Bauart aus. Die Fabriken der Stadt, die sämmtlich durch Wasserkraft getrieben werden, sind die größten in Virginien. Es sind Wollen- und Baum- wollenenmanufacturen, Tabaksfactoreien, Eisenwerke und Mehlmühlen, von welchen letzteren eine für die bedeutendste in der ganzen Union gilt und, wenn sie in voller Bewegung ist, täglich gegen tausend Faß Mehl liefern kann. Der südamerikanische Markt bezieht dieses Lebensbedürfniß hauptsächlich aus Richmond, da der virginische Weizen im gemahlenen Zustand sich besser als irgend ein anderer zur Versendung nach den Tropenländern eignet. Richmond ist endlich auch einer der ersten Tabaksmärkte des Landes, indem sich hier das Product des Staates sowol zum Export als zur Verarbeitung anhäuft. Die Tabaksmasse, die sich auf diese Weise bisweilen hier ansammelt, wird nur durch die überstiegen, welche gewöhnlich in den Speichern der Londoner Docks ZU finden ist. An Größe und Einwohnerzahl die zweite Stadt Virginiens ist Norfolk am Elisabeth-River. einem Arm des James, 7 deutsche Meilen von der See. Es hat 18.000 Bewohner und ist unregelmäßig auf einer Ebene erbaut. Der Fluß ist bis b>über mit den größten Seeschiffen zu befahren, der Hafen geräumig, sicher und leicht zugänglich. Seine Vertheidigung besteht in den Forts Monroe und Ealhoun. Unmittelbar gegenüber der Stadt befinden sich die Städtchen Gos- port und Portsmouth, wo eine große Schiffswerfte der Verewigten Staaten "'it einem ausgedehnten Trockendock und einem Marinehospital ist. und wo Grenzboten II. 1361.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/475>, abgerufen am 22.07.2024.