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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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aus Freiwilligen, das Offiziercorps aus sehr verschiedenen, zu gutem Theil un¬
fähigen Elementen, es mangelte an tüchtigen Gehilfen in der Verwaltung,
und dazu kamen die politischen Wirren, die schiefe Stellung zu Sardinien,
die obschwebenden Verhandlungen mit Turin und das allgemeine Gefühl, daß
nach dem Einbruch der regelmäßigen sardinischen Armee im Kirchenstaat und
der Ankunft derselben im Neapolitanischen mit der Organisation des Süd-
Heeres bald große Veränderungen eintreten mußten.

Die Festung Capua war theilweise von uns eingeschlossen, blockirt, nicht
belagert, denn zu einer Belagerung gehören von vorn herein schwere Geschütze,
dann Schanzen, Batterien und Trancheen, und von alledem war bei meiner
Ankunft im Lager so gut wie nichts vorhanden. Von Kanonen sah ich nur
einige Vier- oder Sechspfünder. Der Bau von Schanzen hatte erst an eini¬
gen Punkten begonnen. Zelte waren nur für einige Corps vorhanden, und
ebenso wenig war der Hüttenbau sehr weit vorgeschritten. An Muth zum
Schlagen fehlte es nirgends, wol aber an System, Ordnung, Geschick und Sach¬
kenntnis Allmälig wurde für bessere Bekleidung gesorgt, die Verpflegung
war genügend, aber mit einem Lager, wie es sein sott, war das Lager Gari-
baldi's auch in der besten Zeit kaum zu vergleichen. Am wenigsten war hier
das frische frohe Leben deutscher Lager zu finden. Mit manchen deutschen
Kameraden mochte man -- da die Typen vom Dampfschiff sich unter ihnen
oft wiederholten -- nichts zu thun haben. Die Italiener blickten vielfach auf
uns als entbehrliche Fremdlinge, die ihnen nur die guten Stellen wegnahmen,
und so mangelte, wie schon gesagt, der Trost, der in der Kameradschaftlichkeit
liegt, fast vollständig.

Da wir sehr wenig beschäftigt waren, so hatten wir sicher mehr von der
Langeweile zu leiden, als unsre Gegner in der Festung. Sie kannten uns
wenigstens dann und wann eine Kugel zusenden und gelegentlich einen Aus¬
fall, oder, wie wir es nannten, eine Landpartie machen. Wir hatten lange
Zeit nichts, um ihnen ihre eisernen Grüße zurückzugeben, und Partien nach
der Stadt ließen sich der zu tiefen Gräben halber nicht unternehmen. Frei¬
lich thaten uns ihre schlechten Geschütze sast gar keinen Schaden, und zu Land-
Partien schienen sie sehr wenig Neigung zu haben. Wagler sie einmal einen
Ausfall, so war er nicht sehr ernstlich gemeint. Kaum waren sie erschienen,
gleich stürmten ihnen einige Colonnen entgegen. Rasch vorwärts, etwas un¬
geordnet zwar, aber doch immer vorwärts -- ein paar Salven, dann Bayon-
net und Kolben, mitunter auch der Dolch, und bald machten die Kläglichen
Kehrt, und im Rücken hatten sie die ungarischen Husaren, flotte Bursche, die,
was nicht entlief, niedersäbelten oder mitnahmen.

Des Abends, wenn die Sonne hinter dem Monte Cifato verschwunden
^ar, saß man mit denen, die sich genähert, weil Bildung und Charakter ahn-


aus Freiwilligen, das Offiziercorps aus sehr verschiedenen, zu gutem Theil un¬
fähigen Elementen, es mangelte an tüchtigen Gehilfen in der Verwaltung,
und dazu kamen die politischen Wirren, die schiefe Stellung zu Sardinien,
die obschwebenden Verhandlungen mit Turin und das allgemeine Gefühl, daß
nach dem Einbruch der regelmäßigen sardinischen Armee im Kirchenstaat und
der Ankunft derselben im Neapolitanischen mit der Organisation des Süd-
Heeres bald große Veränderungen eintreten mußten.

Die Festung Capua war theilweise von uns eingeschlossen, blockirt, nicht
belagert, denn zu einer Belagerung gehören von vorn herein schwere Geschütze,
dann Schanzen, Batterien und Trancheen, und von alledem war bei meiner
Ankunft im Lager so gut wie nichts vorhanden. Von Kanonen sah ich nur
einige Vier- oder Sechspfünder. Der Bau von Schanzen hatte erst an eini¬
gen Punkten begonnen. Zelte waren nur für einige Corps vorhanden, und
ebenso wenig war der Hüttenbau sehr weit vorgeschritten. An Muth zum
Schlagen fehlte es nirgends, wol aber an System, Ordnung, Geschick und Sach¬
kenntnis Allmälig wurde für bessere Bekleidung gesorgt, die Verpflegung
war genügend, aber mit einem Lager, wie es sein sott, war das Lager Gari-
baldi's auch in der besten Zeit kaum zu vergleichen. Am wenigsten war hier
das frische frohe Leben deutscher Lager zu finden. Mit manchen deutschen
Kameraden mochte man — da die Typen vom Dampfschiff sich unter ihnen
oft wiederholten — nichts zu thun haben. Die Italiener blickten vielfach auf
uns als entbehrliche Fremdlinge, die ihnen nur die guten Stellen wegnahmen,
und so mangelte, wie schon gesagt, der Trost, der in der Kameradschaftlichkeit
liegt, fast vollständig.

Da wir sehr wenig beschäftigt waren, so hatten wir sicher mehr von der
Langeweile zu leiden, als unsre Gegner in der Festung. Sie kannten uns
wenigstens dann und wann eine Kugel zusenden und gelegentlich einen Aus¬
fall, oder, wie wir es nannten, eine Landpartie machen. Wir hatten lange
Zeit nichts, um ihnen ihre eisernen Grüße zurückzugeben, und Partien nach
der Stadt ließen sich der zu tiefen Gräben halber nicht unternehmen. Frei¬
lich thaten uns ihre schlechten Geschütze sast gar keinen Schaden, und zu Land-
Partien schienen sie sehr wenig Neigung zu haben. Wagler sie einmal einen
Ausfall, so war er nicht sehr ernstlich gemeint. Kaum waren sie erschienen,
gleich stürmten ihnen einige Colonnen entgegen. Rasch vorwärts, etwas un¬
geordnet zwar, aber doch immer vorwärts — ein paar Salven, dann Bayon-
net und Kolben, mitunter auch der Dolch, und bald machten die Kläglichen
Kehrt, und im Rücken hatten sie die ungarischen Husaren, flotte Bursche, die,
was nicht entlief, niedersäbelten oder mitnahmen.

Des Abends, wenn die Sonne hinter dem Monte Cifato verschwunden
^ar, saß man mit denen, die sich genähert, weil Bildung und Charakter ahn-


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[0441] aus Freiwilligen, das Offiziercorps aus sehr verschiedenen, zu gutem Theil un¬ fähigen Elementen, es mangelte an tüchtigen Gehilfen in der Verwaltung, und dazu kamen die politischen Wirren, die schiefe Stellung zu Sardinien, die obschwebenden Verhandlungen mit Turin und das allgemeine Gefühl, daß nach dem Einbruch der regelmäßigen sardinischen Armee im Kirchenstaat und der Ankunft derselben im Neapolitanischen mit der Organisation des Süd- Heeres bald große Veränderungen eintreten mußten. Die Festung Capua war theilweise von uns eingeschlossen, blockirt, nicht belagert, denn zu einer Belagerung gehören von vorn herein schwere Geschütze, dann Schanzen, Batterien und Trancheen, und von alledem war bei meiner Ankunft im Lager so gut wie nichts vorhanden. Von Kanonen sah ich nur einige Vier- oder Sechspfünder. Der Bau von Schanzen hatte erst an eini¬ gen Punkten begonnen. Zelte waren nur für einige Corps vorhanden, und ebenso wenig war der Hüttenbau sehr weit vorgeschritten. An Muth zum Schlagen fehlte es nirgends, wol aber an System, Ordnung, Geschick und Sach¬ kenntnis Allmälig wurde für bessere Bekleidung gesorgt, die Verpflegung war genügend, aber mit einem Lager, wie es sein sott, war das Lager Gari- baldi's auch in der besten Zeit kaum zu vergleichen. Am wenigsten war hier das frische frohe Leben deutscher Lager zu finden. Mit manchen deutschen Kameraden mochte man — da die Typen vom Dampfschiff sich unter ihnen oft wiederholten — nichts zu thun haben. Die Italiener blickten vielfach auf uns als entbehrliche Fremdlinge, die ihnen nur die guten Stellen wegnahmen, und so mangelte, wie schon gesagt, der Trost, der in der Kameradschaftlichkeit liegt, fast vollständig. Da wir sehr wenig beschäftigt waren, so hatten wir sicher mehr von der Langeweile zu leiden, als unsre Gegner in der Festung. Sie kannten uns wenigstens dann und wann eine Kugel zusenden und gelegentlich einen Aus¬ fall, oder, wie wir es nannten, eine Landpartie machen. Wir hatten lange Zeit nichts, um ihnen ihre eisernen Grüße zurückzugeben, und Partien nach der Stadt ließen sich der zu tiefen Gräben halber nicht unternehmen. Frei¬ lich thaten uns ihre schlechten Geschütze sast gar keinen Schaden, und zu Land- Partien schienen sie sehr wenig Neigung zu haben. Wagler sie einmal einen Ausfall, so war er nicht sehr ernstlich gemeint. Kaum waren sie erschienen, gleich stürmten ihnen einige Colonnen entgegen. Rasch vorwärts, etwas un¬ geordnet zwar, aber doch immer vorwärts — ein paar Salven, dann Bayon- net und Kolben, mitunter auch der Dolch, und bald machten die Kläglichen Kehrt, und im Rücken hatten sie die ungarischen Husaren, flotte Bursche, die, was nicht entlief, niedersäbelten oder mitnahmen. Des Abends, wenn die Sonne hinter dem Monte Cifato verschwunden ^ar, saß man mit denen, die sich genähert, weil Bildung und Charakter ahn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/441>, abgerufen am 03.07.2024.