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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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"Ich glaubte mich verloren," erzählte er. "und das erste Mal während des
Feldzuges flog die Klinge aus der Scheide. Aber der Ruf: äietro LriMnti
und der Anblick meiner geschwungnen Waffe reichte hin, sie Kehrt machen zu
zu lassen. Wahrscheinlich fürchteten sie sich, daß meine Leute mir beistehen
würden," fügte er lächelnd hinzu.

Nachdem meine Uniform fertig geworden, begab ich mich in's Lager bei
Se. Angelo. Den Säbel an der Seite meldete ich mich bei dem General
meiner Brigade, der eben vor der Front derselben auf und abschritt.

"Kommen Sie zu mir in mein Quartier, hier habe ich keine Zeit." er¬
widerte er, vermuthlich übel gelaunt; denn sonst war es doch der rechte Ort,
sich zu melden.

Ich hatte hier Gelegenheit die Brigade zu mustern, aber wie ich auch
zählte, konnte ich doch kaum ein Bataillon herausbringen. Aber das ganze
Offizierscorps muß beisammen gewesen sein, denn es waren ihrer mindestens
150 Ofsiziersmützen vorhanden, während die Brigade höchstens sechshundert
Mann stark war. Ich kam jetzt auf den Gedanken, daß es nur die Elite¬
truppen der Brigade seien und wurde darin bestärkt, in dem ich alle Waffen¬
gattungen, Musketiere, Jäger. Zuaven, nur keine Artillerie und keine Reiterei
vertreten fand. Allein sehr bald wurde ich meinen Irrthum gewahr. Die
Brigade war eben nicht stärker als angegeben. Bei andern Brigaden stand
es etwas besser, und einige harten wol die Stärke eines schwachen Regiments.
Aber alle hatten unverhältnißmäßig viele Offiziere, die Artillerie war sehr
schwach, die Cavallerie ebenfalls. Sehr viele Offiziere hatten ihren Grad
nicht ihrer Bildung, sondern bloß ihrer Tapferkeit, viele hatten ihn weder
dieser noch jener, sondern nur dem Umstand zu danken, daß sie Ungarn oder
desertirte Oestreichs waren. Engländer und Franzosen durften auch nicht
vor den Kopf gestoßen werden, und so kam es, daß ein Heer von etwa
22,000 Mann zuletzt wenigstens 5000 Offiziere hatte und daß man darunter
eine Menge von Generalen für Divisionen, die höchstens die Stärke eines
Regiments hatten, und für Brigaden fand, die kaum so stark als ein Bataillon
waren.

Mehrmals suchte ich den General auf, aber nie war er zu treffen.
Endlich wendete ich mich an den ihm Nächststehenden, einen Oberstlieutnant,
und erhielt die Zusage, eine Compagnie zu erhalten, sobald eine neue formirt,
sei. Indem ich mich dem Stäbe anschloß, um im Nothfall als Adjutant zu
fungiren, begegnete ich dem Capitän B., meinem frühern Nachbar im Hotel,
dem ich mich als Lagergenosse anschloß.

In dem Lager bei Santa Maria und Sant Angelo wollte es uns zuerst
keineswegs behagen. Die Ostericn der beiden Städtchen waren überfüllt und
sehr unreinlich. Als ich meine neuen Kameraden fragte, wo ich einen Diener


„Ich glaubte mich verloren," erzählte er. „und das erste Mal während des
Feldzuges flog die Klinge aus der Scheide. Aber der Ruf: äietro LriMnti
und der Anblick meiner geschwungnen Waffe reichte hin, sie Kehrt machen zu
zu lassen. Wahrscheinlich fürchteten sie sich, daß meine Leute mir beistehen
würden," fügte er lächelnd hinzu.

Nachdem meine Uniform fertig geworden, begab ich mich in's Lager bei
Se. Angelo. Den Säbel an der Seite meldete ich mich bei dem General
meiner Brigade, der eben vor der Front derselben auf und abschritt.

„Kommen Sie zu mir in mein Quartier, hier habe ich keine Zeit." er¬
widerte er, vermuthlich übel gelaunt; denn sonst war es doch der rechte Ort,
sich zu melden.

Ich hatte hier Gelegenheit die Brigade zu mustern, aber wie ich auch
zählte, konnte ich doch kaum ein Bataillon herausbringen. Aber das ganze
Offizierscorps muß beisammen gewesen sein, denn es waren ihrer mindestens
150 Ofsiziersmützen vorhanden, während die Brigade höchstens sechshundert
Mann stark war. Ich kam jetzt auf den Gedanken, daß es nur die Elite¬
truppen der Brigade seien und wurde darin bestärkt, in dem ich alle Waffen¬
gattungen, Musketiere, Jäger. Zuaven, nur keine Artillerie und keine Reiterei
vertreten fand. Allein sehr bald wurde ich meinen Irrthum gewahr. Die
Brigade war eben nicht stärker als angegeben. Bei andern Brigaden stand
es etwas besser, und einige harten wol die Stärke eines schwachen Regiments.
Aber alle hatten unverhältnißmäßig viele Offiziere, die Artillerie war sehr
schwach, die Cavallerie ebenfalls. Sehr viele Offiziere hatten ihren Grad
nicht ihrer Bildung, sondern bloß ihrer Tapferkeit, viele hatten ihn weder
dieser noch jener, sondern nur dem Umstand zu danken, daß sie Ungarn oder
desertirte Oestreichs waren. Engländer und Franzosen durften auch nicht
vor den Kopf gestoßen werden, und so kam es, daß ein Heer von etwa
22,000 Mann zuletzt wenigstens 5000 Offiziere hatte und daß man darunter
eine Menge von Generalen für Divisionen, die höchstens die Stärke eines
Regiments hatten, und für Brigaden fand, die kaum so stark als ein Bataillon
waren.

Mehrmals suchte ich den General auf, aber nie war er zu treffen.
Endlich wendete ich mich an den ihm Nächststehenden, einen Oberstlieutnant,
und erhielt die Zusage, eine Compagnie zu erhalten, sobald eine neue formirt,
sei. Indem ich mich dem Stäbe anschloß, um im Nothfall als Adjutant zu
fungiren, begegnete ich dem Capitän B., meinem frühern Nachbar im Hotel,
dem ich mich als Lagergenosse anschloß.

In dem Lager bei Santa Maria und Sant Angelo wollte es uns zuerst
keineswegs behagen. Die Ostericn der beiden Städtchen waren überfüllt und
sehr unreinlich. Als ich meine neuen Kameraden fragte, wo ich einen Diener


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[0438] „Ich glaubte mich verloren," erzählte er. „und das erste Mal während des Feldzuges flog die Klinge aus der Scheide. Aber der Ruf: äietro LriMnti und der Anblick meiner geschwungnen Waffe reichte hin, sie Kehrt machen zu zu lassen. Wahrscheinlich fürchteten sie sich, daß meine Leute mir beistehen würden," fügte er lächelnd hinzu. Nachdem meine Uniform fertig geworden, begab ich mich in's Lager bei Se. Angelo. Den Säbel an der Seite meldete ich mich bei dem General meiner Brigade, der eben vor der Front derselben auf und abschritt. „Kommen Sie zu mir in mein Quartier, hier habe ich keine Zeit." er¬ widerte er, vermuthlich übel gelaunt; denn sonst war es doch der rechte Ort, sich zu melden. Ich hatte hier Gelegenheit die Brigade zu mustern, aber wie ich auch zählte, konnte ich doch kaum ein Bataillon herausbringen. Aber das ganze Offizierscorps muß beisammen gewesen sein, denn es waren ihrer mindestens 150 Ofsiziersmützen vorhanden, während die Brigade höchstens sechshundert Mann stark war. Ich kam jetzt auf den Gedanken, daß es nur die Elite¬ truppen der Brigade seien und wurde darin bestärkt, in dem ich alle Waffen¬ gattungen, Musketiere, Jäger. Zuaven, nur keine Artillerie und keine Reiterei vertreten fand. Allein sehr bald wurde ich meinen Irrthum gewahr. Die Brigade war eben nicht stärker als angegeben. Bei andern Brigaden stand es etwas besser, und einige harten wol die Stärke eines schwachen Regiments. Aber alle hatten unverhältnißmäßig viele Offiziere, die Artillerie war sehr schwach, die Cavallerie ebenfalls. Sehr viele Offiziere hatten ihren Grad nicht ihrer Bildung, sondern bloß ihrer Tapferkeit, viele hatten ihn weder dieser noch jener, sondern nur dem Umstand zu danken, daß sie Ungarn oder desertirte Oestreichs waren. Engländer und Franzosen durften auch nicht vor den Kopf gestoßen werden, und so kam es, daß ein Heer von etwa 22,000 Mann zuletzt wenigstens 5000 Offiziere hatte und daß man darunter eine Menge von Generalen für Divisionen, die höchstens die Stärke eines Regiments hatten, und für Brigaden fand, die kaum so stark als ein Bataillon waren. Mehrmals suchte ich den General auf, aber nie war er zu treffen. Endlich wendete ich mich an den ihm Nächststehenden, einen Oberstlieutnant, und erhielt die Zusage, eine Compagnie zu erhalten, sobald eine neue formirt, sei. Indem ich mich dem Stäbe anschloß, um im Nothfall als Adjutant zu fungiren, begegnete ich dem Capitän B., meinem frühern Nachbar im Hotel, dem ich mich als Lagergenosse anschloß. In dem Lager bei Santa Maria und Sant Angelo wollte es uns zuerst keineswegs behagen. Die Ostericn der beiden Städtchen waren überfüllt und sehr unreinlich. Als ich meine neuen Kameraden fragte, wo ich einen Diener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/438>, abgerufen am 19.10.2024.