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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ich im Hofe wartete, fuhr derselbe Wagen, in dem ich Garibaldi in Neapel
gesehen, vor. und zugleich stellte sich die englische Legion des Obersten Styles
aus dem Platze auf, die soeben von einer Excursion zurückkehrte. Es
war eine hübsche Truppe und mit Ausnahme der Ungarn die einzige des
Heeres, welche wirklich uniformirt zu nennen war. Die Leute sahen sauber,
fast elegant aus, und es befanden sich unter ihnen viele kräftige und mehre
sehr hochgewachsene Gestalten, wahre Grenadierfiguren. Sie trugen eine rothe
Tunika mit grünen Aufschlägen, die indeß nicht so eng anschloß, wie der
deutsche Waffenrock, sondern mehr dem rothen Garibaldihemd glich. Der Kra¬
gen, ebenfalls grün, war mit einer Granate geschmückt und hatte weiße Passe-
poils. Die gelben Knöpfe trugen das Savoyische Kreuz. Die Bewegungen
der Truppe waren etwas langsam, um nicht zu sagen, schwerfällig, hatten
aber doch einen echt militärischen Anstrich.

Um den Wagen und vor der Thür des Dictators hatten sich verschiedene
Civilpersonen gesammelt, die Anliegen an ihn hatten, und als er erschien,
stieß und drängte man sich, um ihm nahe zu kommen. Er sah dem ruhig
und mit wohlwollender Miene eine Weile zu, keine Wache war da, um das
Volk zurückzutreiben. Eine arme Frau war die erste, die vor ihn gelangte,
nachdem sie eine andere zurückgedrängt. Sein gewöhnlicher Begleiter, der,
wie man mir sagte, sein Arzt war, wurde beauftragt, ihr Geld zu geben, wo¬
für sie dem General inbrünstig den Aermel küßte. So wurden noch einige
Gaben vertheilt, der Dictator hörte mit Langmuth und prüfend die Klagen
Anderer an. Ein Weib schien bei der Vertheilung des Geldes zu kurz ge¬
kommen oder übergangen worden zu sein. Wüthend stellte sie sich vor den
Wagenschlag, und ich glaube, daß sie ihm einige Derbheiten gesagt haben
muß, denn ein kaum bemerkbares Lächeln spielte um seine Lippen,'als er end¬
lich in den Wagen stieg. Ein Offizier, der einige, wahrscheinlich wenig vor¬
theilhafte Worte über das böse Weib geäußert, wurde von ihr über den gan¬
zen Hosplatz mit Schimpfworten verfolgt.

Unverrichteter Sache kehrte ich von Sa. Maria zurück. Der Minister war
nicht zu sprechen gewesen; indeß hatte ich Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie
die Soldaten von einem jener zahlreichen Gefechte zurückkehrten, die vor einer
belagerten Festung so oft vorkommen, und wo man beiderseits sich rühmt,
einander zurückgeschlagen zu haben. Ich bin überzeugt, daß die hier sich rüh¬
menden Zungen die Wahrheit sprachen, denn ein erbärmlicheres Benehmen,
als das der neapolitanischen Armee im Gefechte ist schwerlich zu denken.
An dem Tage, wo die ehemalige Division Türr, nunmehr von Rüstow com-
mandirt. so rasch die ausgerückten Neapolitaner zurückwarf, und mit den-
selben auf das Glacis der Festung vordrang, geschah es. daß der Oberst beim
Rückzüge auf einem Gehöft von fünf feindlichen Dragonern überrascht wurde.


ich im Hofe wartete, fuhr derselbe Wagen, in dem ich Garibaldi in Neapel
gesehen, vor. und zugleich stellte sich die englische Legion des Obersten Styles
aus dem Platze auf, die soeben von einer Excursion zurückkehrte. Es
war eine hübsche Truppe und mit Ausnahme der Ungarn die einzige des
Heeres, welche wirklich uniformirt zu nennen war. Die Leute sahen sauber,
fast elegant aus, und es befanden sich unter ihnen viele kräftige und mehre
sehr hochgewachsene Gestalten, wahre Grenadierfiguren. Sie trugen eine rothe
Tunika mit grünen Aufschlägen, die indeß nicht so eng anschloß, wie der
deutsche Waffenrock, sondern mehr dem rothen Garibaldihemd glich. Der Kra¬
gen, ebenfalls grün, war mit einer Granate geschmückt und hatte weiße Passe-
poils. Die gelben Knöpfe trugen das Savoyische Kreuz. Die Bewegungen
der Truppe waren etwas langsam, um nicht zu sagen, schwerfällig, hatten
aber doch einen echt militärischen Anstrich.

Um den Wagen und vor der Thür des Dictators hatten sich verschiedene
Civilpersonen gesammelt, die Anliegen an ihn hatten, und als er erschien,
stieß und drängte man sich, um ihm nahe zu kommen. Er sah dem ruhig
und mit wohlwollender Miene eine Weile zu, keine Wache war da, um das
Volk zurückzutreiben. Eine arme Frau war die erste, die vor ihn gelangte,
nachdem sie eine andere zurückgedrängt. Sein gewöhnlicher Begleiter, der,
wie man mir sagte, sein Arzt war, wurde beauftragt, ihr Geld zu geben, wo¬
für sie dem General inbrünstig den Aermel küßte. So wurden noch einige
Gaben vertheilt, der Dictator hörte mit Langmuth und prüfend die Klagen
Anderer an. Ein Weib schien bei der Vertheilung des Geldes zu kurz ge¬
kommen oder übergangen worden zu sein. Wüthend stellte sie sich vor den
Wagenschlag, und ich glaube, daß sie ihm einige Derbheiten gesagt haben
muß, denn ein kaum bemerkbares Lächeln spielte um seine Lippen,'als er end¬
lich in den Wagen stieg. Ein Offizier, der einige, wahrscheinlich wenig vor¬
theilhafte Worte über das böse Weib geäußert, wurde von ihr über den gan¬
zen Hosplatz mit Schimpfworten verfolgt.

Unverrichteter Sache kehrte ich von Sa. Maria zurück. Der Minister war
nicht zu sprechen gewesen; indeß hatte ich Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie
die Soldaten von einem jener zahlreichen Gefechte zurückkehrten, die vor einer
belagerten Festung so oft vorkommen, und wo man beiderseits sich rühmt,
einander zurückgeschlagen zu haben. Ich bin überzeugt, daß die hier sich rüh¬
menden Zungen die Wahrheit sprachen, denn ein erbärmlicheres Benehmen,
als das der neapolitanischen Armee im Gefechte ist schwerlich zu denken.
An dem Tage, wo die ehemalige Division Türr, nunmehr von Rüstow com-
mandirt. so rasch die ausgerückten Neapolitaner zurückwarf, und mit den-
selben auf das Glacis der Festung vordrang, geschah es. daß der Oberst beim
Rückzüge auf einem Gehöft von fünf feindlichen Dragonern überrascht wurde.


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[0437] ich im Hofe wartete, fuhr derselbe Wagen, in dem ich Garibaldi in Neapel gesehen, vor. und zugleich stellte sich die englische Legion des Obersten Styles aus dem Platze auf, die soeben von einer Excursion zurückkehrte. Es war eine hübsche Truppe und mit Ausnahme der Ungarn die einzige des Heeres, welche wirklich uniformirt zu nennen war. Die Leute sahen sauber, fast elegant aus, und es befanden sich unter ihnen viele kräftige und mehre sehr hochgewachsene Gestalten, wahre Grenadierfiguren. Sie trugen eine rothe Tunika mit grünen Aufschlägen, die indeß nicht so eng anschloß, wie der deutsche Waffenrock, sondern mehr dem rothen Garibaldihemd glich. Der Kra¬ gen, ebenfalls grün, war mit einer Granate geschmückt und hatte weiße Passe- poils. Die gelben Knöpfe trugen das Savoyische Kreuz. Die Bewegungen der Truppe waren etwas langsam, um nicht zu sagen, schwerfällig, hatten aber doch einen echt militärischen Anstrich. Um den Wagen und vor der Thür des Dictators hatten sich verschiedene Civilpersonen gesammelt, die Anliegen an ihn hatten, und als er erschien, stieß und drängte man sich, um ihm nahe zu kommen. Er sah dem ruhig und mit wohlwollender Miene eine Weile zu, keine Wache war da, um das Volk zurückzutreiben. Eine arme Frau war die erste, die vor ihn gelangte, nachdem sie eine andere zurückgedrängt. Sein gewöhnlicher Begleiter, der, wie man mir sagte, sein Arzt war, wurde beauftragt, ihr Geld zu geben, wo¬ für sie dem General inbrünstig den Aermel küßte. So wurden noch einige Gaben vertheilt, der Dictator hörte mit Langmuth und prüfend die Klagen Anderer an. Ein Weib schien bei der Vertheilung des Geldes zu kurz ge¬ kommen oder übergangen worden zu sein. Wüthend stellte sie sich vor den Wagenschlag, und ich glaube, daß sie ihm einige Derbheiten gesagt haben muß, denn ein kaum bemerkbares Lächeln spielte um seine Lippen,'als er end¬ lich in den Wagen stieg. Ein Offizier, der einige, wahrscheinlich wenig vor¬ theilhafte Worte über das böse Weib geäußert, wurde von ihr über den gan¬ zen Hosplatz mit Schimpfworten verfolgt. Unverrichteter Sache kehrte ich von Sa. Maria zurück. Der Minister war nicht zu sprechen gewesen; indeß hatte ich Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie die Soldaten von einem jener zahlreichen Gefechte zurückkehrten, die vor einer belagerten Festung so oft vorkommen, und wo man beiderseits sich rühmt, einander zurückgeschlagen zu haben. Ich bin überzeugt, daß die hier sich rüh¬ menden Zungen die Wahrheit sprachen, denn ein erbärmlicheres Benehmen, als das der neapolitanischen Armee im Gefechte ist schwerlich zu denken. An dem Tage, wo die ehemalige Division Türr, nunmehr von Rüstow com- mandirt. so rasch die ausgerückten Neapolitaner zurückwarf, und mit den- selben auf das Glacis der Festung vordrang, geschah es. daß der Oberst beim Rückzüge auf einem Gehöft von fünf feindlichen Dragonern überrascht wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/437>, abgerufen am 19.10.2024.