Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.öffentliche Tischgesellschaft mit bunter Reihe kommen sicher zehn, in welchen Gesellschaften, wo keine Frauen sich betheiligen, werden in der Regel Mit geistigen Genüssen ist Washington übel versorgt. Würde, hier Musik Der bessere Theil der Gesellschaft Washingtons beschränkt sich auf einen Grenzboten II. 1861. 53
öffentliche Tischgesellschaft mit bunter Reihe kommen sicher zehn, in welchen Gesellschaften, wo keine Frauen sich betheiligen, werden in der Regel Mit geistigen Genüssen ist Washington übel versorgt. Würde, hier Musik Der bessere Theil der Gesellschaft Washingtons beschränkt sich auf einen Grenzboten II. 1861. 53
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öffentliche Tischgesellschaft mit bunter Reihe kommen sicher zehn, in welchen
man außer der Frau vom Hause keine Dame findet.
Gesellschaften, wo keine Frauen sich betheiligen, werden in der Regel
die zarteren Seiten ihrer Mitglieder unausgebildet lassen und namentlich Takt,
Rücksichtnahme und artigen Ton gering schätzen. Leute serner, die einander
beständig unter denselben Verhältnissen wiedersehen, werden nur wenige Ge¬
genstände für ihre Unterhaltung haben. Dazu tritt hier, daß diese Gegen¬
stände meist politische sind. Parteifragen nehmen bei den Congreßmitgliedern
und den verschiedenen anderen Gattungen von Politikern, die sich mit ihnen
einfinden, sast alle Zeit in Anspruch, welche die Geschäfte im Capitol und das
Vergnügen des Barrooms, der Meß und des Spieltisches ihnen übrig lassen,
und die Discussionen über diese Fragen erhalten sie in einem Zustande fort¬
währender Erhitzung. Man gewohnt sich an das Streiten, man lernt das
Parteiinternst höher als die Gebote des Anstands stellen und wird dabei oft
rauher und schroffer, als es wünschenswerth ist. Nicht Wenige sinken auf diese
Weise bis zur Stufe der vollständigen Lümmelei herab, und es gibt eine gute
Anzahl Volksvertreter, zwischen deren Haltung und Sprache und der Haltung
und Sprache eines Rowdy von Baltimore, Neumleans oder Neuyork kein so
merklicher Unterschied ist, daß Verwechslungen unbedingt ausgeschlossen wären.
Ihre Ungeschliffenheit und ihr Mangel an Selbstbeherrschung artet nicht selten
in Thätlichkeiten aus. Man prügelte sich bekanntlich schon wiederholt in den Con-
greßsitzungen. Man verwebt Flüche und Schimpfworte in seine Rede. Werden
die Bären artig, so ist es jene geräuschvolle, zudringliche, durch Uebervertrau¬
lichkeit lästige Höflichkeit, die dein Mann von Welt unbequemer werden kann
als offne Grobheit.
Mit geistigen Genüssen ist Washington übel versorgt. Würde, hier Musik
g-epflegt, blühte das Theater oder konnte der ermüdete Politiker an anderen
Quellen höherer Unterhaltung sich Erholung suchen, so würde diesem Theil
der Gesellschaft wenigstens in etwas geholfen sein. Aber wie die Sachen stehen,
genügt die Ankunft einer Sängerin dritten Ranges oder einer Seiltänzergescll-
schaft, um Washington in eine eben so große Aufregung zu versetzen, wie sie
ein derartiges Ereigniß in einem deutschen Landstädtchen bewirken würde. In
Boston und Philadelphia sowie in einigen Kreisen in Neuyork und Richmond
ist Bildung in reichem Maaße vertreten. Wie wenig aber Amerika im Allge¬
meinen noch aufzuweisen hat. kann man in Washington inne werden.
Der bessere Theil der Gesellschaft Washingtons beschränkt sich auf einen
lehr engen Kreis mit einem festen Mittelpunkt, der die Familien der hier
wohnenden höheren Beamten umfaßt, und einer wechselnden Schale, die aus
den nur während der Congreßsaison hier verweilenden Familien und ab und
ZU gehenden Besuchern besteht. Ihr gegenseitiger Verkehr ist leicht und an-
Grenzboten II. 1861. 53
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