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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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getragen, ein und neben dem Capital befinden sich eine Menge von Statuen
und Statuengruppen, und auch die Straßen zeigen manches Standbild. Es
ist aber nichts von erstem Range darunter, ja man mochte fast Denen beipflichten,
welche nach den hier aufgestellten Leistungen der amerikanischen Sculptur an
der Fähigkeit der Yankees, auf diesem Gebiet auch nur Mittelmäßiges zu
schaffen, völlig verzweifeln wollen. Vergleicht man die ältern dieser Kunst-
producte, etwa den ColuiUbus an der einen Freitreppe des Capitels, der mit
seiner Erdkugel und seiner ausschreitenden Stellung wie ein Kegelschieber aus"
sieht, welcher sich anschickt, alle Neune zu schieben, mit den neuerdings aufgestell¬
ten, so findet man nicht den geringsten Fortschritt, oder doch nur einen Fortschritt
zum schlimmeren. Diese Statuen, welche Handel, Gewerbe und Erfindung dar¬
stellen sollen, werden von den Amerikanern sehr gelobt, als "ganz aus dem
Leben gegriffen", "ganz naturgetreu", und das sind sie in der That. Aber
es ist ein Realismus der niedrigsten Art, der sie geschaffen oder abphotv-
graphirt. Der echte Realismus läßt die Idee in der Wirklichkeit bewundern,
dieser gibt die platte Wirklichkeit, Gesichter und Gestalten wieder, wie sie jede
Gasse zeigt, gewöhnliche nüchterne Yankees, umgeben von Utensilien des Comp¬
toirs, Maschinen und Geldsäcken.

Nicht besser sind die Statuen von Jefferson und General Jackson, von
denen jene vor dem weißen Hanse, diese auf dem Lafayette-Sauare steht.
Im hohen Grade abgeschmackt nimmt sich die kolossale Marmorstatue Washing¬
tons aus, die der berühmteste Künstler Amerikas, Greenough, geliefert hat.
Sie befindet sich auf einem Rasenplatz vor der Ostsronte des Capitals und
sieht, da der General sitzend und (wahrscheinlich um an den olympischen
Jupiter zu erinnern) mit nacktem Oberkörper dargestellt ist, fast so aus, als
ob der alte Herr im Bade abconterfeit worden wäre. Wenig mehr Anspruch
auf Schönheit endlich hat die bronzene Reiterstatue Washingtons, welche, von
Clark Mills entworfen und ausgeführt, im Februar enthüllt wurde.
Der Gedanke des Denkmals ist aus Europa importirt, und zwar ist es eine
Nachahmung von Rauchs Reiterstandbild Friedrichs des Großen, aber leider
eine wenig geschmackvolle. Der Held ist dargestellt, wie er in der Schlacht
bei Princeton erschien, als er nach mehreren vergeblichen Versuchen, seine
weichenden Truppen zu sammeln, sein Pferd spornte, daß es ihn bis vor die
Mündung der feindlichen Geschütze trug. Das Piedestal, welches bei der
Enthüllungsseierlichkeit noch nicht vollendet war. ist von Marmor, 25 Fuß
^och und in drei Stockwerke getheilt, welche die Hauptmomente der amerika-
'Aschen Geschichte darstellen sollen. Das erste gibt die Anfänge dieser Ge¬
richte in Basreliefs, jagende und maisbauende Indianer, das zweite zeigt
in Hautreliefs den Kampf zwischen dem rothen und dem weißen Mann, den
beginn des Zerwürfnisses mit England und die Unterzeichnung der Auad-


getragen, ein und neben dem Capital befinden sich eine Menge von Statuen
und Statuengruppen, und auch die Straßen zeigen manches Standbild. Es
ist aber nichts von erstem Range darunter, ja man mochte fast Denen beipflichten,
welche nach den hier aufgestellten Leistungen der amerikanischen Sculptur an
der Fähigkeit der Yankees, auf diesem Gebiet auch nur Mittelmäßiges zu
schaffen, völlig verzweifeln wollen. Vergleicht man die ältern dieser Kunst-
producte, etwa den ColuiUbus an der einen Freitreppe des Capitels, der mit
seiner Erdkugel und seiner ausschreitenden Stellung wie ein Kegelschieber aus«
sieht, welcher sich anschickt, alle Neune zu schieben, mit den neuerdings aufgestell¬
ten, so findet man nicht den geringsten Fortschritt, oder doch nur einen Fortschritt
zum schlimmeren. Diese Statuen, welche Handel, Gewerbe und Erfindung dar¬
stellen sollen, werden von den Amerikanern sehr gelobt, als „ganz aus dem
Leben gegriffen", „ganz naturgetreu", und das sind sie in der That. Aber
es ist ein Realismus der niedrigsten Art, der sie geschaffen oder abphotv-
graphirt. Der echte Realismus läßt die Idee in der Wirklichkeit bewundern,
dieser gibt die platte Wirklichkeit, Gesichter und Gestalten wieder, wie sie jede
Gasse zeigt, gewöhnliche nüchterne Yankees, umgeben von Utensilien des Comp¬
toirs, Maschinen und Geldsäcken.

Nicht besser sind die Statuen von Jefferson und General Jackson, von
denen jene vor dem weißen Hanse, diese auf dem Lafayette-Sauare steht.
Im hohen Grade abgeschmackt nimmt sich die kolossale Marmorstatue Washing¬
tons aus, die der berühmteste Künstler Amerikas, Greenough, geliefert hat.
Sie befindet sich auf einem Rasenplatz vor der Ostsronte des Capitals und
sieht, da der General sitzend und (wahrscheinlich um an den olympischen
Jupiter zu erinnern) mit nacktem Oberkörper dargestellt ist, fast so aus, als
ob der alte Herr im Bade abconterfeit worden wäre. Wenig mehr Anspruch
auf Schönheit endlich hat die bronzene Reiterstatue Washingtons, welche, von
Clark Mills entworfen und ausgeführt, im Februar enthüllt wurde.
Der Gedanke des Denkmals ist aus Europa importirt, und zwar ist es eine
Nachahmung von Rauchs Reiterstandbild Friedrichs des Großen, aber leider
eine wenig geschmackvolle. Der Held ist dargestellt, wie er in der Schlacht
bei Princeton erschien, als er nach mehreren vergeblichen Versuchen, seine
weichenden Truppen zu sammeln, sein Pferd spornte, daß es ihn bis vor die
Mündung der feindlichen Geschütze trug. Das Piedestal, welches bei der
Enthüllungsseierlichkeit noch nicht vollendet war. ist von Marmor, 25 Fuß
^och und in drei Stockwerke getheilt, welche die Hauptmomente der amerika-
'Aschen Geschichte darstellen sollen. Das erste gibt die Anfänge dieser Ge¬
richte in Basreliefs, jagende und maisbauende Indianer, das zweite zeigt
in Hautreliefs den Kampf zwischen dem rothen und dem weißen Mann, den
beginn des Zerwürfnisses mit England und die Unterzeichnung der Auad-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/423>, abgerufen am 19.10.2024.