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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ohne es zu verschönern. Auch er trug dieselbe einfache Tracht, wie der Offizier,
der uns eingeführt, das rothe Hemd ohne Abzeichen, ein Paar graue Bein¬
kleider mit rothen Streifen, und eine blaue Schärpe um den Leib. Von sei¬
nen Schultern war, als er aufstand, ein dünner Mantel gefallen, weiß mit
rothgefütterter Capuze, der wie mir schien, von leichtem Kaschmir gemacht
war.

Herr S. erwähnte nun (beiläufig auf französisch), die Veranlassung un¬
seres Besuches, was wol übrigens nicht nöthig war, da die Buchstaben auf der
Rückseite der Karte, aller Wahrscheinlichkeit nach, dieselbe angegeben hatten.
Demohngeachtet war ich mit seiner Beredsamkeit zufrieden, indem ich so unge¬
störter beobachten konnte. Ich war dabei zu- dem Schluß gelangt, daß, der
einfachen Tracht ohngeachtet, eine gewisse Eitelkeit und Prnnklicbe ihm nicht
fremd sei, als ich von ihm angeredet wurde, und zwar auf deutsch, was
mein Begleiter nicht verstand. Als ich ihn bei meiner Antwort Excellenz titu-
lirte, brach er meine Rede kurz mit den Worten ab: "ich bin nicht Excel¬
lenz. Garibaldi hat mich zum General gemacht und hierher gesetzt." Ich
mußte mich also in dem letzten Theil meiner Combinationen geirrt haben.
Der General bedauerte nun, daß ich nicht einige Tage früher gekommen sei,
da er noch seine Division gehabt. Jetzt wäre überdies; Alles dem Ministe¬
rium unterworfen, was er indeß in meinem Interesse thun könnte, solle sicher
geschehen. Auf alle Fälle werde er mich auf das Wärmste dem Kriegsminister
empfehlen. Mein Herr S. schien die Gelegenheit, den Governatore zu spre¬
chen, recht ausnutzen zu wollen. Er bemerkte nicht die Zeichen, mit denen ich
an den Aufbruch' mahnte, bis ein langsam anfangender und immer hef¬
tiger werdender Hustenanfall beim General den Säumigen aufzustehen nö¬
thigte. Der Husten legte sich ein Wenig, so daß der General mir sagen
konnte: "Besuchen Sie mich in einigen Tagen wieder, so will ich Ihnen nä¬
heren Bescheid geben." Ein herzlicher Händedruck seinerseits, und die Thür
war hinter uns verschlossen.

Wir machten einen Gang nach der Toledostraße, riefen einen Fiaker an und
fuhren, in eine der dort auf- und abrollenden Wagenreihen einlenkend, die
ganze prachtvolle Straße entlang. In den Kutschen begegneten uns Massen
eleganter Damen, die sehr oft Garibaldi'sehe Ossiziersuniformcn, bisweilen
"weh einen Priester neben sich hatten. Häufig auch sahen wir Wagen, die
ganz mit Freiwilligen angefüllt waren. Letztere bezeugten ihre gute Laune durch
lautes Jauchzen. Der Krieg schien hier einen recht behaglichen, gemüthlichen
Charakter zu haben und, nach der Art, wie mein Begleiter sich äußerte, war
^ in der That im Lager bisher ungenirter zugegangen, als sonst Gebrauch
Herr S. schien zu meinen, daß sich, wie bis jetzt. Alles von selbst machen
Werde, und es ganz in der Ordnung zu finden, daß die Armee trotz Capua's,


ohne es zu verschönern. Auch er trug dieselbe einfache Tracht, wie der Offizier,
der uns eingeführt, das rothe Hemd ohne Abzeichen, ein Paar graue Bein¬
kleider mit rothen Streifen, und eine blaue Schärpe um den Leib. Von sei¬
nen Schultern war, als er aufstand, ein dünner Mantel gefallen, weiß mit
rothgefütterter Capuze, der wie mir schien, von leichtem Kaschmir gemacht
war.

Herr S. erwähnte nun (beiläufig auf französisch), die Veranlassung un¬
seres Besuches, was wol übrigens nicht nöthig war, da die Buchstaben auf der
Rückseite der Karte, aller Wahrscheinlichkeit nach, dieselbe angegeben hatten.
Demohngeachtet war ich mit seiner Beredsamkeit zufrieden, indem ich so unge¬
störter beobachten konnte. Ich war dabei zu- dem Schluß gelangt, daß, der
einfachen Tracht ohngeachtet, eine gewisse Eitelkeit und Prnnklicbe ihm nicht
fremd sei, als ich von ihm angeredet wurde, und zwar auf deutsch, was
mein Begleiter nicht verstand. Als ich ihn bei meiner Antwort Excellenz titu-
lirte, brach er meine Rede kurz mit den Worten ab: „ich bin nicht Excel¬
lenz. Garibaldi hat mich zum General gemacht und hierher gesetzt." Ich
mußte mich also in dem letzten Theil meiner Combinationen geirrt haben.
Der General bedauerte nun, daß ich nicht einige Tage früher gekommen sei,
da er noch seine Division gehabt. Jetzt wäre überdies; Alles dem Ministe¬
rium unterworfen, was er indeß in meinem Interesse thun könnte, solle sicher
geschehen. Auf alle Fälle werde er mich auf das Wärmste dem Kriegsminister
empfehlen. Mein Herr S. schien die Gelegenheit, den Governatore zu spre¬
chen, recht ausnutzen zu wollen. Er bemerkte nicht die Zeichen, mit denen ich
an den Aufbruch' mahnte, bis ein langsam anfangender und immer hef¬
tiger werdender Hustenanfall beim General den Säumigen aufzustehen nö¬
thigte. Der Husten legte sich ein Wenig, so daß der General mir sagen
konnte: „Besuchen Sie mich in einigen Tagen wieder, so will ich Ihnen nä¬
heren Bescheid geben." Ein herzlicher Händedruck seinerseits, und die Thür
war hinter uns verschlossen.

Wir machten einen Gang nach der Toledostraße, riefen einen Fiaker an und
fuhren, in eine der dort auf- und abrollenden Wagenreihen einlenkend, die
ganze prachtvolle Straße entlang. In den Kutschen begegneten uns Massen
eleganter Damen, die sehr oft Garibaldi'sehe Ossiziersuniformcn, bisweilen
«weh einen Priester neben sich hatten. Häufig auch sahen wir Wagen, die
ganz mit Freiwilligen angefüllt waren. Letztere bezeugten ihre gute Laune durch
lautes Jauchzen. Der Krieg schien hier einen recht behaglichen, gemüthlichen
Charakter zu haben und, nach der Art, wie mein Begleiter sich äußerte, war
^ in der That im Lager bisher ungenirter zugegangen, als sonst Gebrauch
Herr S. schien zu meinen, daß sich, wie bis jetzt. Alles von selbst machen
Werde, und es ganz in der Ordnung zu finden, daß die Armee trotz Capua's,


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[0401] ohne es zu verschönern. Auch er trug dieselbe einfache Tracht, wie der Offizier, der uns eingeführt, das rothe Hemd ohne Abzeichen, ein Paar graue Bein¬ kleider mit rothen Streifen, und eine blaue Schärpe um den Leib. Von sei¬ nen Schultern war, als er aufstand, ein dünner Mantel gefallen, weiß mit rothgefütterter Capuze, der wie mir schien, von leichtem Kaschmir gemacht war. Herr S. erwähnte nun (beiläufig auf französisch), die Veranlassung un¬ seres Besuches, was wol übrigens nicht nöthig war, da die Buchstaben auf der Rückseite der Karte, aller Wahrscheinlichkeit nach, dieselbe angegeben hatten. Demohngeachtet war ich mit seiner Beredsamkeit zufrieden, indem ich so unge¬ störter beobachten konnte. Ich war dabei zu- dem Schluß gelangt, daß, der einfachen Tracht ohngeachtet, eine gewisse Eitelkeit und Prnnklicbe ihm nicht fremd sei, als ich von ihm angeredet wurde, und zwar auf deutsch, was mein Begleiter nicht verstand. Als ich ihn bei meiner Antwort Excellenz titu- lirte, brach er meine Rede kurz mit den Worten ab: „ich bin nicht Excel¬ lenz. Garibaldi hat mich zum General gemacht und hierher gesetzt." Ich mußte mich also in dem letzten Theil meiner Combinationen geirrt haben. Der General bedauerte nun, daß ich nicht einige Tage früher gekommen sei, da er noch seine Division gehabt. Jetzt wäre überdies; Alles dem Ministe¬ rium unterworfen, was er indeß in meinem Interesse thun könnte, solle sicher geschehen. Auf alle Fälle werde er mich auf das Wärmste dem Kriegsminister empfehlen. Mein Herr S. schien die Gelegenheit, den Governatore zu spre¬ chen, recht ausnutzen zu wollen. Er bemerkte nicht die Zeichen, mit denen ich an den Aufbruch' mahnte, bis ein langsam anfangender und immer hef¬ tiger werdender Hustenanfall beim General den Säumigen aufzustehen nö¬ thigte. Der Husten legte sich ein Wenig, so daß der General mir sagen konnte: „Besuchen Sie mich in einigen Tagen wieder, so will ich Ihnen nä¬ heren Bescheid geben." Ein herzlicher Händedruck seinerseits, und die Thür war hinter uns verschlossen. Wir machten einen Gang nach der Toledostraße, riefen einen Fiaker an und fuhren, in eine der dort auf- und abrollenden Wagenreihen einlenkend, die ganze prachtvolle Straße entlang. In den Kutschen begegneten uns Massen eleganter Damen, die sehr oft Garibaldi'sehe Ossiziersuniformcn, bisweilen «weh einen Priester neben sich hatten. Häufig auch sahen wir Wagen, die ganz mit Freiwilligen angefüllt waren. Letztere bezeugten ihre gute Laune durch lautes Jauchzen. Der Krieg schien hier einen recht behaglichen, gemüthlichen Charakter zu haben und, nach der Art, wie mein Begleiter sich äußerte, war ^ in der That im Lager bisher ungenirter zugegangen, als sonst Gebrauch Herr S. schien zu meinen, daß sich, wie bis jetzt. Alles von selbst machen Werde, und es ganz in der Ordnung zu finden, daß die Armee trotz Capua's,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/401>, abgerufen am 22.07.2024.