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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Gaeta's und den royalistischen Banden sich mehr in den Kaffeehäusern und
auf den Promenaden der Stadt als auf ihrem Posten vor dem Feind befand.
Man begriff seine mitunter sehr naiven Ansichten nur, wenn man wußte, daß
der Krieg bis jetzt weniger ein Kampf als ein Davonlaufen der einen und
zwar der bei weitem stärkern Partei gewesen war.

Wir sahen das Jesuitenhaus, das jetzt in ein Armeespital umgewandelt,
und das Museo Borbonico, welches in Museo Nationale umgetauft war.
"Das ist das Albergo ti Poveri", sagte Herr S-. auf ein ungeheures Ge¬
bäude zeigend. "Es ist nächst der Caserna Grande das größte Bauwerk Nea¬
pels." Ich zuckte die Achseln. Ein Armenhaus und eine Caserne die grö߬
ten Gebäude der Residenz der sicilischen Bourbonen! Was spräche mehr gegen
das Regierungssystem dieser Dynastie! --

An der Table d'hole meines Gasthofs machte ich die Bekanntschaft zweier
Herren, welche ebenfalls das Heer Gnribaldi's zu vermehren gedachten. Man
redete mich auf Deutsch an, da die Tafel neben der Loge des Portinajo mich
verrathen. Doch waren die Persönlichkeiten, die mir auf diese Weise näher
traten, angenehmerer Art als jene, die sich mir auf dem Dampfer in deutscher
Sprache vorgestellt.

Der Anredende war eine gefällige Erscheinung mit feinen Manieren, ge¬
bildeter Sprache und jenem Takt, der belästigende Fragen ausschließt, und
unsere Unterhaltung endigte mit der Uebereinkunft, in Villa Reale den Kaffee
zu nehmen.

Villa Reale ist die schönste Promenade Neapels. Man arbeitete an einer
neuen Straße, welche die Verbindung mit den oberen Stadttheilen herstellen
und zugleich als Spaziergang dienen wird, und die sich an dem Abhang von
Se. Elmo hinschlängelt. Indeß soll der Bau von dem verstorbenen König
weniger, um dem Publicum eine Promenade zu schenken, als aus dem Grunde
unternommen worden sein, weil er mehre Punkte bietet, von denen einige
Hauptstraßen der Stadt wirksam mit Kartätschen bestrichen werden können,
was von dem hohen Se. Elmo nicht gut möglich ist. Ist das wahr -- und
wir haben keinen Grund daran zu zweifeln -- so hat die Straße ihren Zweck
nicht erfüllt. Bald nach, vielleicht schon vor dem Einzug des neuen Königs,
trug sie an der Häuserecke, wo sie anfängt, in goldenen Lettern aus Maria"
den Namen "Corso Vittorio Emcmuele."

Die Alleen von Villa Reale waren voll von schmutzigen, nachlässig
tragnen Uniformen, welche die Schönheit des Orts wesentlich beeinträchtigten
und übel zu dem Namen desselben paßten. Ich machte in dieser Beziehung
einige Bemerkungen zu Herrn B.. meinem Begleiter, und dieß gab Veranlas-
sung zu einem Austausch unserer Meinungen über die Truppen, von welchen
wir Bruchtheile vor uns hatten. Er meinte, da sei es doch in Oestreich an-


Gaeta's und den royalistischen Banden sich mehr in den Kaffeehäusern und
auf den Promenaden der Stadt als auf ihrem Posten vor dem Feind befand.
Man begriff seine mitunter sehr naiven Ansichten nur, wenn man wußte, daß
der Krieg bis jetzt weniger ein Kampf als ein Davonlaufen der einen und
zwar der bei weitem stärkern Partei gewesen war.

Wir sahen das Jesuitenhaus, das jetzt in ein Armeespital umgewandelt,
und das Museo Borbonico, welches in Museo Nationale umgetauft war.
„Das ist das Albergo ti Poveri", sagte Herr S-. auf ein ungeheures Ge¬
bäude zeigend. „Es ist nächst der Caserna Grande das größte Bauwerk Nea¬
pels." Ich zuckte die Achseln. Ein Armenhaus und eine Caserne die grö߬
ten Gebäude der Residenz der sicilischen Bourbonen! Was spräche mehr gegen
das Regierungssystem dieser Dynastie! —

An der Table d'hole meines Gasthofs machte ich die Bekanntschaft zweier
Herren, welche ebenfalls das Heer Gnribaldi's zu vermehren gedachten. Man
redete mich auf Deutsch an, da die Tafel neben der Loge des Portinajo mich
verrathen. Doch waren die Persönlichkeiten, die mir auf diese Weise näher
traten, angenehmerer Art als jene, die sich mir auf dem Dampfer in deutscher
Sprache vorgestellt.

Der Anredende war eine gefällige Erscheinung mit feinen Manieren, ge¬
bildeter Sprache und jenem Takt, der belästigende Fragen ausschließt, und
unsere Unterhaltung endigte mit der Uebereinkunft, in Villa Reale den Kaffee
zu nehmen.

Villa Reale ist die schönste Promenade Neapels. Man arbeitete an einer
neuen Straße, welche die Verbindung mit den oberen Stadttheilen herstellen
und zugleich als Spaziergang dienen wird, und die sich an dem Abhang von
Se. Elmo hinschlängelt. Indeß soll der Bau von dem verstorbenen König
weniger, um dem Publicum eine Promenade zu schenken, als aus dem Grunde
unternommen worden sein, weil er mehre Punkte bietet, von denen einige
Hauptstraßen der Stadt wirksam mit Kartätschen bestrichen werden können,
was von dem hohen Se. Elmo nicht gut möglich ist. Ist das wahr — und
wir haben keinen Grund daran zu zweifeln — so hat die Straße ihren Zweck
nicht erfüllt. Bald nach, vielleicht schon vor dem Einzug des neuen Königs,
trug sie an der Häuserecke, wo sie anfängt, in goldenen Lettern aus Maria"
den Namen „Corso Vittorio Emcmuele."

Die Alleen von Villa Reale waren voll von schmutzigen, nachlässig
tragnen Uniformen, welche die Schönheit des Orts wesentlich beeinträchtigten
und übel zu dem Namen desselben paßten. Ich machte in dieser Beziehung
einige Bemerkungen zu Herrn B.. meinem Begleiter, und dieß gab Veranlas-
sung zu einem Austausch unserer Meinungen über die Truppen, von welchen
wir Bruchtheile vor uns hatten. Er meinte, da sei es doch in Oestreich an-


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[0402] Gaeta's und den royalistischen Banden sich mehr in den Kaffeehäusern und auf den Promenaden der Stadt als auf ihrem Posten vor dem Feind befand. Man begriff seine mitunter sehr naiven Ansichten nur, wenn man wußte, daß der Krieg bis jetzt weniger ein Kampf als ein Davonlaufen der einen und zwar der bei weitem stärkern Partei gewesen war. Wir sahen das Jesuitenhaus, das jetzt in ein Armeespital umgewandelt, und das Museo Borbonico, welches in Museo Nationale umgetauft war. „Das ist das Albergo ti Poveri", sagte Herr S-. auf ein ungeheures Ge¬ bäude zeigend. „Es ist nächst der Caserna Grande das größte Bauwerk Nea¬ pels." Ich zuckte die Achseln. Ein Armenhaus und eine Caserne die grö߬ ten Gebäude der Residenz der sicilischen Bourbonen! Was spräche mehr gegen das Regierungssystem dieser Dynastie! — An der Table d'hole meines Gasthofs machte ich die Bekanntschaft zweier Herren, welche ebenfalls das Heer Gnribaldi's zu vermehren gedachten. Man redete mich auf Deutsch an, da die Tafel neben der Loge des Portinajo mich verrathen. Doch waren die Persönlichkeiten, die mir auf diese Weise näher traten, angenehmerer Art als jene, die sich mir auf dem Dampfer in deutscher Sprache vorgestellt. Der Anredende war eine gefällige Erscheinung mit feinen Manieren, ge¬ bildeter Sprache und jenem Takt, der belästigende Fragen ausschließt, und unsere Unterhaltung endigte mit der Uebereinkunft, in Villa Reale den Kaffee zu nehmen. Villa Reale ist die schönste Promenade Neapels. Man arbeitete an einer neuen Straße, welche die Verbindung mit den oberen Stadttheilen herstellen und zugleich als Spaziergang dienen wird, und die sich an dem Abhang von Se. Elmo hinschlängelt. Indeß soll der Bau von dem verstorbenen König weniger, um dem Publicum eine Promenade zu schenken, als aus dem Grunde unternommen worden sein, weil er mehre Punkte bietet, von denen einige Hauptstraßen der Stadt wirksam mit Kartätschen bestrichen werden können, was von dem hohen Se. Elmo nicht gut möglich ist. Ist das wahr — und wir haben keinen Grund daran zu zweifeln — so hat die Straße ihren Zweck nicht erfüllt. Bald nach, vielleicht schon vor dem Einzug des neuen Königs, trug sie an der Häuserecke, wo sie anfängt, in goldenen Lettern aus Maria" den Namen „Corso Vittorio Emcmuele." Die Alleen von Villa Reale waren voll von schmutzigen, nachlässig tragnen Uniformen, welche die Schönheit des Orts wesentlich beeinträchtigten und übel zu dem Namen desselben paßten. Ich machte in dieser Beziehung einige Bemerkungen zu Herrn B.. meinem Begleiter, und dieß gab Veranlas- sung zu einem Austausch unserer Meinungen über die Truppen, von welchen wir Bruchtheile vor uns hatten. Er meinte, da sei es doch in Oestreich an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/402>, abgerufen am 02.10.2024.