Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Während dieser Beobachtungen war es Zeit geworden, das Cas6 Europa
aufzusuchen, und bei dem Rufe, den dasselbe genießt, war es bald gefunden.
Es liegt an einer Ecke der Toledostraße und war damals ein Hauptversamm-
lmigsvrt der Freiwilligen.

Mein freundlicher Begleiter stand bald neben mir, und nicht lange darauf
betraten wir die Vorzimmer des Generals Türr, den wir "och bei Tafel fan¬
den. In die äußern Räume wurden leere Flaschen herausgetragen, ebenso
war man daselbst beschäftigt, Geschirr zu reinigen. Eine offene Thür zu einen"
dritten Zunmcr ließ auch eine halbabgedcckte Tafel sehen, um welcher noch
einige Herren in Uniform und Civil ihre Plätze innehalten. Das Ganze trug
den Stempel eines gemüthlichen Feldlagers.

Wir wurden in ein Zimmer gewiesen, wo mehrere Uniformirte sich auf¬
hielten. Wie ich vermuthete, waren sie Adjutanten des Generals und-Gou¬
verneurs. Ein junger Mann, den ich, da er keinerlei Abzeichen und ein le¬
dernes Portepee trug, für eine" Gemeinen hielt, trat uns entgegen. Wir nann¬
ten unsre Namen und baten angemeldet zu werden. Dieß geschah, und es
erfolgte die Antwort, daß wir sogleich empfangen werden sollten. Die Zwi¬
schenzeit benutzte der junge Mann, dem mein Blick auf sein Portepee aufge¬
fallen sein mußte, sich uns.als Capitän vorzustellen und uns zu erzählen, daß
er Ungar sei und eine Zeit lang als Gemeiner bei den Oestreichern habe
dienen müssen. Er war noch nicht damit zu Ende, als drinnen "Capitano"
gerufen und gleich darauf die Thür geöffnet wurde.

Wir traten ein. Das Zimmer war prachtvoll, es war aber jene leere
Pracht ohne Comfort, die fast alle italienische Zimmer so unbehaglick macht.
Einige herumliegende Gegenstände zeigten die Gewohnheiten und den Beruf
des Soldaten. Der Tisch, neben dem der General gesessen, war voll von
Papieren und bewies eine Thätigkeit, die den Herren Adjutanten viel Mühe
erspart zu haben schien.

Ich wurde ihm vorgestellt, und er bot uns Plätze an. Ehe ich den mei-
nigen einnahm, überreichte ich ihm eine Karte, deren Rückseite einige Chiffren
trug, welche sein ernstes Gesicht freundlicher machten, und ihn wol veranla߬
ten, mir die Hand zu reichen und mich willkommen heißen. Sein Gesicht
sah damals sehr leidend aus*) und er erwähnte selbst, daß er an Bluthusten
litt. Seine Züge hatten den schwermüthigen Ausdruck, den man bei vielen
Ungarn trifft, doch glaubte ich hier noch etwas wie Weichheit zu lesen, was
auch in seiner Stimme lag. Er ist eure lange, stattliche Figur, nur ein
wenig zu mager. Der große ungarisch zugespitzte Schnurrbart ließ sein Gesicht
noch schmaler erscheinen, und der lange spitzige Kinnbart verlängerte dasselbe,



") Er soll schon bei der Landung zu Marsala krank gewesen sein und von einer Trag¬
bahre aus die nöthigen Befehle ertheilt haben. --

Während dieser Beobachtungen war es Zeit geworden, das Cas6 Europa
aufzusuchen, und bei dem Rufe, den dasselbe genießt, war es bald gefunden.
Es liegt an einer Ecke der Toledostraße und war damals ein Hauptversamm-
lmigsvrt der Freiwilligen.

Mein freundlicher Begleiter stand bald neben mir, und nicht lange darauf
betraten wir die Vorzimmer des Generals Türr, den wir »och bei Tafel fan¬
den. In die äußern Räume wurden leere Flaschen herausgetragen, ebenso
war man daselbst beschäftigt, Geschirr zu reinigen. Eine offene Thür zu einen»
dritten Zunmcr ließ auch eine halbabgedcckte Tafel sehen, um welcher noch
einige Herren in Uniform und Civil ihre Plätze innehalten. Das Ganze trug
den Stempel eines gemüthlichen Feldlagers.

Wir wurden in ein Zimmer gewiesen, wo mehrere Uniformirte sich auf¬
hielten. Wie ich vermuthete, waren sie Adjutanten des Generals und-Gou¬
verneurs. Ein junger Mann, den ich, da er keinerlei Abzeichen und ein le¬
dernes Portepee trug, für eine» Gemeinen hielt, trat uns entgegen. Wir nann¬
ten unsre Namen und baten angemeldet zu werden. Dieß geschah, und es
erfolgte die Antwort, daß wir sogleich empfangen werden sollten. Die Zwi¬
schenzeit benutzte der junge Mann, dem mein Blick auf sein Portepee aufge¬
fallen sein mußte, sich uns.als Capitän vorzustellen und uns zu erzählen, daß
er Ungar sei und eine Zeit lang als Gemeiner bei den Oestreichern habe
dienen müssen. Er war noch nicht damit zu Ende, als drinnen „Capitano"
gerufen und gleich darauf die Thür geöffnet wurde.

Wir traten ein. Das Zimmer war prachtvoll, es war aber jene leere
Pracht ohne Comfort, die fast alle italienische Zimmer so unbehaglick macht.
Einige herumliegende Gegenstände zeigten die Gewohnheiten und den Beruf
des Soldaten. Der Tisch, neben dem der General gesessen, war voll von
Papieren und bewies eine Thätigkeit, die den Herren Adjutanten viel Mühe
erspart zu haben schien.

Ich wurde ihm vorgestellt, und er bot uns Plätze an. Ehe ich den mei-
nigen einnahm, überreichte ich ihm eine Karte, deren Rückseite einige Chiffren
trug, welche sein ernstes Gesicht freundlicher machten, und ihn wol veranla߬
ten, mir die Hand zu reichen und mich willkommen heißen. Sein Gesicht
sah damals sehr leidend aus*) und er erwähnte selbst, daß er an Bluthusten
litt. Seine Züge hatten den schwermüthigen Ausdruck, den man bei vielen
Ungarn trifft, doch glaubte ich hier noch etwas wie Weichheit zu lesen, was
auch in seiner Stimme lag. Er ist eure lange, stattliche Figur, nur ein
wenig zu mager. Der große ungarisch zugespitzte Schnurrbart ließ sein Gesicht
noch schmaler erscheinen, und der lange spitzige Kinnbart verlängerte dasselbe,



") Er soll schon bei der Landung zu Marsala krank gewesen sein und von einer Trag¬
bahre aus die nöthigen Befehle ertheilt haben. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111832"/>
            <p xml:id="ID_1338"> Während dieser Beobachtungen war es Zeit geworden, das Cas6 Europa<lb/>
aufzusuchen, und bei dem Rufe, den dasselbe genießt, war es bald gefunden.<lb/>
Es liegt an einer Ecke der Toledostraße und war damals ein Hauptversamm-<lb/>
lmigsvrt der Freiwilligen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1339"> Mein freundlicher Begleiter stand bald neben mir, und nicht lange darauf<lb/>
betraten wir die Vorzimmer des Generals Türr, den wir »och bei Tafel fan¬<lb/>
den. In die äußern Räume wurden leere Flaschen herausgetragen, ebenso<lb/>
war man daselbst beschäftigt, Geschirr zu reinigen. Eine offene Thür zu einen»<lb/>
dritten Zunmcr ließ auch eine halbabgedcckte Tafel sehen, um welcher noch<lb/>
einige Herren in Uniform und Civil ihre Plätze innehalten. Das Ganze trug<lb/>
den Stempel eines gemüthlichen Feldlagers.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1340"> Wir wurden in ein Zimmer gewiesen, wo mehrere Uniformirte sich auf¬<lb/>
hielten. Wie ich vermuthete, waren sie Adjutanten des Generals und-Gou¬<lb/>
verneurs. Ein junger Mann, den ich, da er keinerlei Abzeichen und ein le¬<lb/>
dernes Portepee trug, für eine» Gemeinen hielt, trat uns entgegen. Wir nann¬<lb/>
ten unsre Namen und baten angemeldet zu werden. Dieß geschah, und es<lb/>
erfolgte die Antwort, daß wir sogleich empfangen werden sollten. Die Zwi¬<lb/>
schenzeit benutzte der junge Mann, dem mein Blick auf sein Portepee aufge¬<lb/>
fallen sein mußte, sich uns.als Capitän vorzustellen und uns zu erzählen, daß<lb/>
er Ungar sei und eine Zeit lang als Gemeiner bei den Oestreichern habe<lb/>
dienen müssen. Er war noch nicht damit zu Ende, als drinnen &#x201E;Capitano"<lb/>
gerufen und gleich darauf die Thür geöffnet wurde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1341"> Wir traten ein. Das Zimmer war prachtvoll, es war aber jene leere<lb/>
Pracht ohne Comfort, die fast alle italienische Zimmer so unbehaglick macht.<lb/>
Einige herumliegende Gegenstände zeigten die Gewohnheiten und den Beruf<lb/>
des Soldaten. Der Tisch, neben dem der General gesessen, war voll von<lb/>
Papieren und bewies eine Thätigkeit, die den Herren Adjutanten viel Mühe<lb/>
erspart zu haben schien.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1342" next="#ID_1343"> Ich wurde ihm vorgestellt, und er bot uns Plätze an. Ehe ich den mei-<lb/>
nigen einnahm, überreichte ich ihm eine Karte, deren Rückseite einige Chiffren<lb/>
trug, welche sein ernstes Gesicht freundlicher machten, und ihn wol veranla߬<lb/>
ten, mir die Hand zu reichen und mich willkommen heißen. Sein Gesicht<lb/>
sah damals sehr leidend aus*) und er erwähnte selbst, daß er an Bluthusten<lb/>
litt. Seine Züge hatten den schwermüthigen Ausdruck, den man bei vielen<lb/>
Ungarn trifft, doch glaubte ich hier noch etwas wie Weichheit zu lesen, was<lb/>
auch in seiner Stimme lag. Er ist eure lange, stattliche Figur, nur ein<lb/>
wenig zu mager. Der große ungarisch zugespitzte Schnurrbart ließ sein Gesicht<lb/>
noch schmaler erscheinen, und der lange spitzige Kinnbart verlängerte dasselbe,</p><lb/>
            <note xml:id="FID_23" place="foot"> ") Er soll schon bei der Landung zu Marsala krank gewesen sein und von einer Trag¬<lb/>
bahre aus die nöthigen Befehle ertheilt haben. &#x2014;</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0400] Während dieser Beobachtungen war es Zeit geworden, das Cas6 Europa aufzusuchen, und bei dem Rufe, den dasselbe genießt, war es bald gefunden. Es liegt an einer Ecke der Toledostraße und war damals ein Hauptversamm- lmigsvrt der Freiwilligen. Mein freundlicher Begleiter stand bald neben mir, und nicht lange darauf betraten wir die Vorzimmer des Generals Türr, den wir »och bei Tafel fan¬ den. In die äußern Räume wurden leere Flaschen herausgetragen, ebenso war man daselbst beschäftigt, Geschirr zu reinigen. Eine offene Thür zu einen» dritten Zunmcr ließ auch eine halbabgedcckte Tafel sehen, um welcher noch einige Herren in Uniform und Civil ihre Plätze innehalten. Das Ganze trug den Stempel eines gemüthlichen Feldlagers. Wir wurden in ein Zimmer gewiesen, wo mehrere Uniformirte sich auf¬ hielten. Wie ich vermuthete, waren sie Adjutanten des Generals und-Gou¬ verneurs. Ein junger Mann, den ich, da er keinerlei Abzeichen und ein le¬ dernes Portepee trug, für eine» Gemeinen hielt, trat uns entgegen. Wir nann¬ ten unsre Namen und baten angemeldet zu werden. Dieß geschah, und es erfolgte die Antwort, daß wir sogleich empfangen werden sollten. Die Zwi¬ schenzeit benutzte der junge Mann, dem mein Blick auf sein Portepee aufge¬ fallen sein mußte, sich uns.als Capitän vorzustellen und uns zu erzählen, daß er Ungar sei und eine Zeit lang als Gemeiner bei den Oestreichern habe dienen müssen. Er war noch nicht damit zu Ende, als drinnen „Capitano" gerufen und gleich darauf die Thür geöffnet wurde. Wir traten ein. Das Zimmer war prachtvoll, es war aber jene leere Pracht ohne Comfort, die fast alle italienische Zimmer so unbehaglick macht. Einige herumliegende Gegenstände zeigten die Gewohnheiten und den Beruf des Soldaten. Der Tisch, neben dem der General gesessen, war voll von Papieren und bewies eine Thätigkeit, die den Herren Adjutanten viel Mühe erspart zu haben schien. Ich wurde ihm vorgestellt, und er bot uns Plätze an. Ehe ich den mei- nigen einnahm, überreichte ich ihm eine Karte, deren Rückseite einige Chiffren trug, welche sein ernstes Gesicht freundlicher machten, und ihn wol veranla߬ ten, mir die Hand zu reichen und mich willkommen heißen. Sein Gesicht sah damals sehr leidend aus*) und er erwähnte selbst, daß er an Bluthusten litt. Seine Züge hatten den schwermüthigen Ausdruck, den man bei vielen Ungarn trifft, doch glaubte ich hier noch etwas wie Weichheit zu lesen, was auch in seiner Stimme lag. Er ist eure lange, stattliche Figur, nur ein wenig zu mager. Der große ungarisch zugespitzte Schnurrbart ließ sein Gesicht noch schmaler erscheinen, und der lange spitzige Kinnbart verlängerte dasselbe, ") Er soll schon bei der Landung zu Marsala krank gewesen sein und von einer Trag¬ bahre aus die nöthigen Befehle ertheilt haben. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/400
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/400>, abgerufen am 02.07.2024.