Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"Die haben alle Esel in Stambul," erwiderte der störrische Soldat, "aber
seine Eselsstimme wird nicht hindern, daß er den Weg Sultan Osmans geht."
(Derselbe wurde in einem Aufstand ermordet.)

Das Boot stieß jetzt an das Ufer. Es war schon finster, Der Sipahi
sprang an's Land, und Murad folgte ihm ans dem Fuße. Als sie einige
Schritte gegangen waren, hielt er jenen an und sagte: "Höre, Dein Aussehen
gefallt mir und Deine Sprache zeigt einen unerschrockenen Mann. Du bist hier
fremd, und ich will Dir ein Qnnrtier ausmachen. Komm, ich und meine
Freunde wir kümmern uns keine Mandelschale um den Sultan. Wir wollen
zusammen eins rauchen."

Der Soldat schaute sich einen Augenblick um, und als er Niemand in
der Nahe sah, erwiderte er! "Freund. Deine Worte gefallen mir nicht. Ich
habe schon allerhand von den Tücken dieses Sultans gehört. Er schießt die
Leute mit dem Bogen nieder, als wären sie Hunde. In Deiner Rede ist Ho¬
nig, in Deinen Augen aber Galle. Du bist entweder ein Spion oder der Sul¬
tan selbst. Im erstern Fall gebührt Dir ein Strick, im andern etwas Schlim¬
meres. Nur ein Schenke kann ausgehungerte Menschen in den Tod locken
wollen." Damit zog er eine kurze Keule hervor und versetzte dem Tyrannen
einige tüchtige Hiebe, worauf er mit der Schnelligkeit einer Gazelle in eine
Seitengasse sprang und in der Dunkelheit verschwand.

Als Murad, außer sich vor Wuth und Scham, von einem gemeinen Sol¬
daten geprügelt worden zu sein, und mit halvzerschmettcrte" Knochen seine
Diener, die ihn an bestimmter Stelle erwarteten, erreicht hatte, kehrte, er,
ohne ein Wort von seinem Abenteuer zu sagen, nach dem Serail zurück, wo
er sofort Befehl ertheilte, den Chef der Polizei von Tophanc, wo die Scene
vorgefallen, zu köpfen und allen Tscbauschen (Schutzmännern) dieses Viertels die
Baston abe zu geben. Am nächsten Morgen aber gebot er dem Wessir eine
Bekanntmachung zu erlassen, in welcher dem Sipahi, der in vergangener Nacht
unweit des Landungsplatzes von Tovhane einen Bürger geprügelt, zehn Beu¬
tel Gold und volle Verzeihung versprochen wurden, falls er sich ohne Verzug
bei dem Bostandschi Baschi stelle. Der Sipahi jedoch, der sich erinnerte, daß
Köpfe nicht wie grüne Feigen nachwachsen, ließ nichts von sich sehen, und
der Sultan fand keine Gelegenheit, seinen Vorsatz in Betreff des Pfeifenrohrs
zur Ausführung zu bringen.

Auch Ibrahim der Erste verfolgte die Tabakraucher mit großer Strenge
und ließ Tausende diese Liebhaberei mit dem Tode büßen. Unter Mohammed
dem Vierten wurden die Verbote zurückgenommen und seit der Zeit hat das
Rauchen in allen Gegenden der Türkei so zugenommen, daß eine lange Pfeife
von nnsecer Vorstellung von einem echten Türken so untrennbar ist. wie Bart
und Turban. Selbst die Frauen sind in allen Strichen der Levante stark im


„Die haben alle Esel in Stambul," erwiderte der störrische Soldat, „aber
seine Eselsstimme wird nicht hindern, daß er den Weg Sultan Osmans geht."
(Derselbe wurde in einem Aufstand ermordet.)

Das Boot stieß jetzt an das Ufer. Es war schon finster, Der Sipahi
sprang an's Land, und Murad folgte ihm ans dem Fuße. Als sie einige
Schritte gegangen waren, hielt er jenen an und sagte: „Höre, Dein Aussehen
gefallt mir und Deine Sprache zeigt einen unerschrockenen Mann. Du bist hier
fremd, und ich will Dir ein Qnnrtier ausmachen. Komm, ich und meine
Freunde wir kümmern uns keine Mandelschale um den Sultan. Wir wollen
zusammen eins rauchen."

Der Soldat schaute sich einen Augenblick um, und als er Niemand in
der Nahe sah, erwiderte er! „Freund. Deine Worte gefallen mir nicht. Ich
habe schon allerhand von den Tücken dieses Sultans gehört. Er schießt die
Leute mit dem Bogen nieder, als wären sie Hunde. In Deiner Rede ist Ho¬
nig, in Deinen Augen aber Galle. Du bist entweder ein Spion oder der Sul¬
tan selbst. Im erstern Fall gebührt Dir ein Strick, im andern etwas Schlim¬
meres. Nur ein Schenke kann ausgehungerte Menschen in den Tod locken
wollen." Damit zog er eine kurze Keule hervor und versetzte dem Tyrannen
einige tüchtige Hiebe, worauf er mit der Schnelligkeit einer Gazelle in eine
Seitengasse sprang und in der Dunkelheit verschwand.

Als Murad, außer sich vor Wuth und Scham, von einem gemeinen Sol¬
daten geprügelt worden zu sein, und mit halvzerschmettcrte» Knochen seine
Diener, die ihn an bestimmter Stelle erwarteten, erreicht hatte, kehrte, er,
ohne ein Wort von seinem Abenteuer zu sagen, nach dem Serail zurück, wo
er sofort Befehl ertheilte, den Chef der Polizei von Tophanc, wo die Scene
vorgefallen, zu köpfen und allen Tscbauschen (Schutzmännern) dieses Viertels die
Baston abe zu geben. Am nächsten Morgen aber gebot er dem Wessir eine
Bekanntmachung zu erlassen, in welcher dem Sipahi, der in vergangener Nacht
unweit des Landungsplatzes von Tovhane einen Bürger geprügelt, zehn Beu¬
tel Gold und volle Verzeihung versprochen wurden, falls er sich ohne Verzug
bei dem Bostandschi Baschi stelle. Der Sipahi jedoch, der sich erinnerte, daß
Köpfe nicht wie grüne Feigen nachwachsen, ließ nichts von sich sehen, und
der Sultan fand keine Gelegenheit, seinen Vorsatz in Betreff des Pfeifenrohrs
zur Ausführung zu bringen.

Auch Ibrahim der Erste verfolgte die Tabakraucher mit großer Strenge
und ließ Tausende diese Liebhaberei mit dem Tode büßen. Unter Mohammed
dem Vierten wurden die Verbote zurückgenommen und seit der Zeit hat das
Rauchen in allen Gegenden der Türkei so zugenommen, daß eine lange Pfeife
von nnsecer Vorstellung von einem echten Türken so untrennbar ist. wie Bart
und Turban. Selbst die Frauen sind in allen Strichen der Levante stark im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111824"/>
          <p xml:id="ID_1307"> &#x201E;Die haben alle Esel in Stambul," erwiderte der störrische Soldat, &#x201E;aber<lb/>
seine Eselsstimme wird nicht hindern, daß er den Weg Sultan Osmans geht."<lb/>
(Derselbe wurde in einem Aufstand ermordet.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1308"> Das Boot stieß jetzt an das Ufer. Es war schon finster, Der Sipahi<lb/>
sprang an's Land, und Murad folgte ihm ans dem Fuße. Als sie einige<lb/>
Schritte gegangen waren, hielt er jenen an und sagte: &#x201E;Höre, Dein Aussehen<lb/>
gefallt mir und Deine Sprache zeigt einen unerschrockenen Mann. Du bist hier<lb/>
fremd, und ich will Dir ein Qnnrtier ausmachen. Komm, ich und meine<lb/>
Freunde wir kümmern uns keine Mandelschale um den Sultan. Wir wollen<lb/>
zusammen eins rauchen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1309"> Der Soldat schaute sich einen Augenblick um, und als er Niemand in<lb/>
der Nahe sah, erwiderte er! &#x201E;Freund. Deine Worte gefallen mir nicht. Ich<lb/>
habe schon allerhand von den Tücken dieses Sultans gehört. Er schießt die<lb/>
Leute mit dem Bogen nieder, als wären sie Hunde. In Deiner Rede ist Ho¬<lb/>
nig, in Deinen Augen aber Galle. Du bist entweder ein Spion oder der Sul¬<lb/>
tan selbst. Im erstern Fall gebührt Dir ein Strick, im andern etwas Schlim¬<lb/>
meres. Nur ein Schenke kann ausgehungerte Menschen in den Tod locken<lb/>
wollen." Damit zog er eine kurze Keule hervor und versetzte dem Tyrannen<lb/>
einige tüchtige Hiebe, worauf er mit der Schnelligkeit einer Gazelle in eine<lb/>
Seitengasse sprang und in der Dunkelheit verschwand.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1310"> Als Murad, außer sich vor Wuth und Scham, von einem gemeinen Sol¬<lb/>
daten geprügelt worden zu sein, und mit halvzerschmettcrte» Knochen seine<lb/>
Diener, die ihn an bestimmter Stelle erwarteten, erreicht hatte, kehrte, er,<lb/>
ohne ein Wort von seinem Abenteuer zu sagen, nach dem Serail zurück, wo<lb/>
er sofort Befehl ertheilte, den Chef der Polizei von Tophanc, wo die Scene<lb/>
vorgefallen, zu köpfen und allen Tscbauschen (Schutzmännern) dieses Viertels die<lb/>
Baston abe zu geben. Am nächsten Morgen aber gebot er dem Wessir eine<lb/>
Bekanntmachung zu erlassen, in welcher dem Sipahi, der in vergangener Nacht<lb/>
unweit des Landungsplatzes von Tovhane einen Bürger geprügelt, zehn Beu¬<lb/>
tel Gold und volle Verzeihung versprochen wurden, falls er sich ohne Verzug<lb/>
bei dem Bostandschi Baschi stelle. Der Sipahi jedoch, der sich erinnerte, daß<lb/>
Köpfe nicht wie grüne Feigen nachwachsen, ließ nichts von sich sehen, und<lb/>
der Sultan fand keine Gelegenheit, seinen Vorsatz in Betreff des Pfeifenrohrs<lb/>
zur Ausführung zu bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1311" next="#ID_1312"> Auch Ibrahim der Erste verfolgte die Tabakraucher mit großer Strenge<lb/>
und ließ Tausende diese Liebhaberei mit dem Tode büßen. Unter Mohammed<lb/>
dem Vierten wurden die Verbote zurückgenommen und seit der Zeit hat das<lb/>
Rauchen in allen Gegenden der Türkei so zugenommen, daß eine lange Pfeife<lb/>
von nnsecer Vorstellung von einem echten Türken so untrennbar ist. wie Bart<lb/>
und Turban.  Selbst die Frauen sind in allen Strichen der Levante stark im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0392] „Die haben alle Esel in Stambul," erwiderte der störrische Soldat, „aber seine Eselsstimme wird nicht hindern, daß er den Weg Sultan Osmans geht." (Derselbe wurde in einem Aufstand ermordet.) Das Boot stieß jetzt an das Ufer. Es war schon finster, Der Sipahi sprang an's Land, und Murad folgte ihm ans dem Fuße. Als sie einige Schritte gegangen waren, hielt er jenen an und sagte: „Höre, Dein Aussehen gefallt mir und Deine Sprache zeigt einen unerschrockenen Mann. Du bist hier fremd, und ich will Dir ein Qnnrtier ausmachen. Komm, ich und meine Freunde wir kümmern uns keine Mandelschale um den Sultan. Wir wollen zusammen eins rauchen." Der Soldat schaute sich einen Augenblick um, und als er Niemand in der Nahe sah, erwiderte er! „Freund. Deine Worte gefallen mir nicht. Ich habe schon allerhand von den Tücken dieses Sultans gehört. Er schießt die Leute mit dem Bogen nieder, als wären sie Hunde. In Deiner Rede ist Ho¬ nig, in Deinen Augen aber Galle. Du bist entweder ein Spion oder der Sul¬ tan selbst. Im erstern Fall gebührt Dir ein Strick, im andern etwas Schlim¬ meres. Nur ein Schenke kann ausgehungerte Menschen in den Tod locken wollen." Damit zog er eine kurze Keule hervor und versetzte dem Tyrannen einige tüchtige Hiebe, worauf er mit der Schnelligkeit einer Gazelle in eine Seitengasse sprang und in der Dunkelheit verschwand. Als Murad, außer sich vor Wuth und Scham, von einem gemeinen Sol¬ daten geprügelt worden zu sein, und mit halvzerschmettcrte» Knochen seine Diener, die ihn an bestimmter Stelle erwarteten, erreicht hatte, kehrte, er, ohne ein Wort von seinem Abenteuer zu sagen, nach dem Serail zurück, wo er sofort Befehl ertheilte, den Chef der Polizei von Tophanc, wo die Scene vorgefallen, zu köpfen und allen Tscbauschen (Schutzmännern) dieses Viertels die Baston abe zu geben. Am nächsten Morgen aber gebot er dem Wessir eine Bekanntmachung zu erlassen, in welcher dem Sipahi, der in vergangener Nacht unweit des Landungsplatzes von Tovhane einen Bürger geprügelt, zehn Beu¬ tel Gold und volle Verzeihung versprochen wurden, falls er sich ohne Verzug bei dem Bostandschi Baschi stelle. Der Sipahi jedoch, der sich erinnerte, daß Köpfe nicht wie grüne Feigen nachwachsen, ließ nichts von sich sehen, und der Sultan fand keine Gelegenheit, seinen Vorsatz in Betreff des Pfeifenrohrs zur Ausführung zu bringen. Auch Ibrahim der Erste verfolgte die Tabakraucher mit großer Strenge und ließ Tausende diese Liebhaberei mit dem Tode büßen. Unter Mohammed dem Vierten wurden die Verbote zurückgenommen und seit der Zeit hat das Rauchen in allen Gegenden der Türkei so zugenommen, daß eine lange Pfeife von nnsecer Vorstellung von einem echten Türken so untrennbar ist. wie Bart und Turban. Selbst die Frauen sind in allen Strichen der Levante stark im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/392
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/392>, abgerufen am 24.08.2024.