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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Genusse des Tabaks, und nur die Drusen des Libanon und die Wechabiten
in Arabien sind Gegner desselben.

Avr Konstantinipel kam die Gewohnheit des Rauchers über das arme¬
nische Hochgebirge nach Persien, und zwar lernten dessen Bewohner sie durch
einen Feldzug Schah Abbas des Großen gegen die Türken kennen. Dieser
Fürst, war ein entschiedener Feind derselben. Er lies; den Rauchern Nase und
Lippe" abschneiden und einen Kaufmann, der die verbotene Waare in's Lager
eingeschmuggelt, ans einem Scheiterhaufen verbrennen, der. aus dieser selben
Waare aufgeschichtet war. Man hat von ihm eine nicht ganz reinliche, aber
ziemlich pikante Anekdote, welche zeigt, daß trotz jener Strafen der Tabak
selbst unter seinen Großen Proselyten machte. AIs er einst die Würdenträger seines
Hofes zu einem Gelage um sich versammelt, ließ er Pfeifen bringen, die mit
getrocknetem Pferdemist gestopft waren. Nachdem die Wessire. Hofmarschälle,
Kammerherren u. s. w. einige Züge geraucht hatten, fragte der Schah: "Nun,
wie findet ihr diesen Tabak? Er ist ein Geschenk meines Wesfirö in Hama-
dan, der behauptet, daß dieß der beste Tabak der Welt sei." Jeder fand ihn
natürlich so vortrefflich, wie er ihn schlecht gefunden hätte, wenn der Gebieter
dieß angedeutet hätte. Endlich wendete sich Abbas an einen General, der
nnter Allen die höchste Achtung genoß, und fragte: "Sage mir frei und of¬
fen, wie kommt Dir dieser Tabak vor?" -- "Herr." antwortete derselbe, "ich
schwöre bei Deinem heiligen Haupte, daß er wie die schönste Blume duftet."
Da warf der Schah einen unwilligen Blick auf die Gesellschaft und rief:
"Verflucht sei das Zeug, das sich nicht von Pfcrdekoth unterscheiden läßt."
Auch der Nachfolger Abbas' des Großen verfolgte die Raucher, aber dennoch
machte die Sitte Fortschritte, und jetzt zählen die Perser zu den leidenschaft¬
lichsten Verehrern des Tabaks.

Hier mag ein Wort über türkischen und persischen Tabak eingeschaltet
werden. Der Verbrauch desselben in den großen Häusern Konstantinopels
übersteigt täglich oft ?, ja 4 Pfund, und mancher Türke genießt den Tag über
seine zwei Dutzend Pfeifen, wobei indeß bemerkt werden muß, daß Reiche nur
das oberste im Pfeifenkopf, den Nahm (Haimat) rauchen, und daß manche Vor¬
nehme, z. B. Rifat und Neschid Pascha, sowie auch der jetzige Sultan sich
des Gebrauchs ganz enthalten. Im Ganzen soll Stambul allein jährlich
gegen 24 Millionen Oka. d. h. 60 Millionen Pfund Tabak in Asche verwan¬
deln. Die Sorten, welche von den vornehmern Ständen geraucht werden,
kommen auf 60 bis 90 Piaster die Oka zu stehen, die feinsten liefert Dschebel
salonik (das Gebirge bei Salonik) und der Bergdistrict zwischen dem Libanon
und dem Taurus, welcher sein Product über Latakiah ausführt. Der Tabak
von Salonik ist hellgelb, der Latakiah schwarzbraun. Letzterer wird auf Stan¬
gen über einem Feuer getrocknet, in weiches man wohlriechende Hölzer und


Genusse des Tabaks, und nur die Drusen des Libanon und die Wechabiten
in Arabien sind Gegner desselben.

Avr Konstantinipel kam die Gewohnheit des Rauchers über das arme¬
nische Hochgebirge nach Persien, und zwar lernten dessen Bewohner sie durch
einen Feldzug Schah Abbas des Großen gegen die Türken kennen. Dieser
Fürst, war ein entschiedener Feind derselben. Er lies; den Rauchern Nase und
Lippe» abschneiden und einen Kaufmann, der die verbotene Waare in's Lager
eingeschmuggelt, ans einem Scheiterhaufen verbrennen, der. aus dieser selben
Waare aufgeschichtet war. Man hat von ihm eine nicht ganz reinliche, aber
ziemlich pikante Anekdote, welche zeigt, daß trotz jener Strafen der Tabak
selbst unter seinen Großen Proselyten machte. AIs er einst die Würdenträger seines
Hofes zu einem Gelage um sich versammelt, ließ er Pfeifen bringen, die mit
getrocknetem Pferdemist gestopft waren. Nachdem die Wessire. Hofmarschälle,
Kammerherren u. s. w. einige Züge geraucht hatten, fragte der Schah: „Nun,
wie findet ihr diesen Tabak? Er ist ein Geschenk meines Wesfirö in Hama-
dan, der behauptet, daß dieß der beste Tabak der Welt sei." Jeder fand ihn
natürlich so vortrefflich, wie er ihn schlecht gefunden hätte, wenn der Gebieter
dieß angedeutet hätte. Endlich wendete sich Abbas an einen General, der
nnter Allen die höchste Achtung genoß, und fragte: „Sage mir frei und of¬
fen, wie kommt Dir dieser Tabak vor?" — „Herr." antwortete derselbe, „ich
schwöre bei Deinem heiligen Haupte, daß er wie die schönste Blume duftet."
Da warf der Schah einen unwilligen Blick auf die Gesellschaft und rief:
„Verflucht sei das Zeug, das sich nicht von Pfcrdekoth unterscheiden läßt."
Auch der Nachfolger Abbas' des Großen verfolgte die Raucher, aber dennoch
machte die Sitte Fortschritte, und jetzt zählen die Perser zu den leidenschaft¬
lichsten Verehrern des Tabaks.

Hier mag ein Wort über türkischen und persischen Tabak eingeschaltet
werden. Der Verbrauch desselben in den großen Häusern Konstantinopels
übersteigt täglich oft ?, ja 4 Pfund, und mancher Türke genießt den Tag über
seine zwei Dutzend Pfeifen, wobei indeß bemerkt werden muß, daß Reiche nur
das oberste im Pfeifenkopf, den Nahm (Haimat) rauchen, und daß manche Vor¬
nehme, z. B. Rifat und Neschid Pascha, sowie auch der jetzige Sultan sich
des Gebrauchs ganz enthalten. Im Ganzen soll Stambul allein jährlich
gegen 24 Millionen Oka. d. h. 60 Millionen Pfund Tabak in Asche verwan¬
deln. Die Sorten, welche von den vornehmern Ständen geraucht werden,
kommen auf 60 bis 90 Piaster die Oka zu stehen, die feinsten liefert Dschebel
salonik (das Gebirge bei Salonik) und der Bergdistrict zwischen dem Libanon
und dem Taurus, welcher sein Product über Latakiah ausführt. Der Tabak
von Salonik ist hellgelb, der Latakiah schwarzbraun. Letzterer wird auf Stan¬
gen über einem Feuer getrocknet, in weiches man wohlriechende Hölzer und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/393>, abgerufen am 24.08.2024.