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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Schnelligkeit und Uiiwiderstehlichkeit, die alle ander" Erobern"gszüge, Hunnen.
Sarazenen, Mongolen, die Ideen von 1789 und die Uanstes überbot, ihre
Reise um die Erde bis wieder in ihr Hennathsland fortsetzte. Um das Jahr
1500 brachte der Naturforscher Hernandez das Kraut nach Spanien. Von
dort gelangte es uach Portugal, von wo es durch Jean Nicol, der seine
Blätter als Wundvflaster verwendete, nach Paris kam. England soll das
seltsame Schauspiel des "Tabaktrinteus" -- so nannte man es anfänglich in
der abendländischen Welt, wie noch jetzt im Morgenlande -- zuerst am 27. Juli
1580 gesehen haben, an welchem Tage die durch Drake'S Flotte vom Unter¬
gang geretteten Neste der ersten britischen Kolonie in Virginien mit brennen¬
den Pfeifen, die sie vou ihren transatlantischen Nachbarn, den Rothhäuten,
entlehnt, zu Plymonth an's Land stiegen. Sehr bald auch Andern, selbst
Flaum, zur Leidenschaft geworden, verbreitere sich die Gewohnheit von hier
uach dem Continent, und zwar scheinen von ihr zuerst die,Studenten der
Universität Leyden angesteckt worden zu sein. Nach Deutschland wurde sie
vermuthlich durch britische Regimenter, welche Graf Grey 1020 dem König
vou Böhmen zuführte, verpflanzt. Englische Händler und Schiffer lehrten die
Schweden, die Nüssen und vermuthlich auch die Türken den Gebrauch der
Pfeife. Portugiesen und Holländer wurden zu Missionären des seligmachen-
den Rauchers in Ostasien. 1601 wurde der Tabak in Java eingeführt. vou
wo er sich binnen wenigen Jahren über ganz Indien und China ausbreitete.
In Aegypten glimmten die ersten Tschibbuls um das Jahr 1,010 der Fluch!
(1601 u. Chr.), im Reich des Großmogul meldete sich der seltsame Gast
unter Dschellaleddiu Akhdar Padischa, um 1005. Gegen die Mitte des sieb-
zchnien Jahrhunderts war die Welteroberung vollendet, und der Tabak allent¬
halben mehr oder minder eingebürgert und als Bedürfniß anerkannt.

Indeß breitete die neue Sitte ihre Herrschaft uicht ohne ernsieu Wider¬
stand ans. Gewalt und Ueberredung stellten sich wie vielen andern Perbesse-
ruugen auch der Verbesserung der Lust entgegen, ja sie hatte sogar in nicht
wenigen Ländern oller Ernstes ihre Märtyrer. Könige und Czaren, Papste
und Sultane, selbst ehrsame Schweizerrepubliken unternahmen Feldzüge gegen
sie. ein Theil der gelehrten Welt beschoß sie mit den Karthauue" seiner Be¬
redsamkeit, und "och war kein halbes Jahrhundert seit ihrer Ueberfahrt von
Mexiko nach Spanien verflossen, so zählte die Literatur schon mehr als hun¬
dert Bücher, die das Rauchen verdammten. Es war aber alle Mühe ver¬
loren. Das verbotene Kraut überwand alle Hindernisse, gewann sich alle
Stände, den Soldaten im Lager, den Bürger, den Gelehrten, den Adel.
Es wußte sich selbst bei gekrönten Häuptern beliebt zu machen. Es g"'Ü
mit ihm "ugesuhr wie jetzt mit einer gewisse" politischen Theorie: die Einen
schmähte" dagege" als einen Wah"si"", eure Gottlosigkeit, einen Ruin aller


Schnelligkeit und Uiiwiderstehlichkeit, die alle ander» Erobern»gszüge, Hunnen.
Sarazenen, Mongolen, die Ideen von 1789 und die Uanstes überbot, ihre
Reise um die Erde bis wieder in ihr Hennathsland fortsetzte. Um das Jahr
1500 brachte der Naturforscher Hernandez das Kraut nach Spanien. Von
dort gelangte es uach Portugal, von wo es durch Jean Nicol, der seine
Blätter als Wundvflaster verwendete, nach Paris kam. England soll das
seltsame Schauspiel des „Tabaktrinteus" — so nannte man es anfänglich in
der abendländischen Welt, wie noch jetzt im Morgenlande — zuerst am 27. Juli
1580 gesehen haben, an welchem Tage die durch Drake'S Flotte vom Unter¬
gang geretteten Neste der ersten britischen Kolonie in Virginien mit brennen¬
den Pfeifen, die sie vou ihren transatlantischen Nachbarn, den Rothhäuten,
entlehnt, zu Plymonth an's Land stiegen. Sehr bald auch Andern, selbst
Flaum, zur Leidenschaft geworden, verbreitere sich die Gewohnheit von hier
uach dem Continent, und zwar scheinen von ihr zuerst die,Studenten der
Universität Leyden angesteckt worden zu sein. Nach Deutschland wurde sie
vermuthlich durch britische Regimenter, welche Graf Grey 1020 dem König
vou Böhmen zuführte, verpflanzt. Englische Händler und Schiffer lehrten die
Schweden, die Nüssen und vermuthlich auch die Türken den Gebrauch der
Pfeife. Portugiesen und Holländer wurden zu Missionären des seligmachen-
den Rauchers in Ostasien. 1601 wurde der Tabak in Java eingeführt. vou
wo er sich binnen wenigen Jahren über ganz Indien und China ausbreitete.
In Aegypten glimmten die ersten Tschibbuls um das Jahr 1,010 der Fluch!
(1601 u. Chr.), im Reich des Großmogul meldete sich der seltsame Gast
unter Dschellaleddiu Akhdar Padischa, um 1005. Gegen die Mitte des sieb-
zchnien Jahrhunderts war die Welteroberung vollendet, und der Tabak allent¬
halben mehr oder minder eingebürgert und als Bedürfniß anerkannt.

Indeß breitete die neue Sitte ihre Herrschaft uicht ohne ernsieu Wider¬
stand ans. Gewalt und Ueberredung stellten sich wie vielen andern Perbesse-
ruugen auch der Verbesserung der Lust entgegen, ja sie hatte sogar in nicht
wenigen Ländern oller Ernstes ihre Märtyrer. Könige und Czaren, Papste
und Sultane, selbst ehrsame Schweizerrepubliken unternahmen Feldzüge gegen
sie. ein Theil der gelehrten Welt beschoß sie mit den Karthauue» seiner Be¬
redsamkeit, und »och war kein halbes Jahrhundert seit ihrer Ueberfahrt von
Mexiko nach Spanien verflossen, so zählte die Literatur schon mehr als hun¬
dert Bücher, die das Rauchen verdammten. Es war aber alle Mühe ver¬
loren. Das verbotene Kraut überwand alle Hindernisse, gewann sich alle
Stände, den Soldaten im Lager, den Bürger, den Gelehrten, den Adel.
Es wußte sich selbst bei gekrönten Häuptern beliebt zu machen. Es g"'Ü
mit ihm »ugesuhr wie jetzt mit einer gewisse» politischen Theorie: die Einen
schmähte» dagege» als einen Wah»si»», eure Gottlosigkeit, einen Ruin aller


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[0384] Schnelligkeit und Uiiwiderstehlichkeit, die alle ander» Erobern»gszüge, Hunnen. Sarazenen, Mongolen, die Ideen von 1789 und die Uanstes überbot, ihre Reise um die Erde bis wieder in ihr Hennathsland fortsetzte. Um das Jahr 1500 brachte der Naturforscher Hernandez das Kraut nach Spanien. Von dort gelangte es uach Portugal, von wo es durch Jean Nicol, der seine Blätter als Wundvflaster verwendete, nach Paris kam. England soll das seltsame Schauspiel des „Tabaktrinteus" — so nannte man es anfänglich in der abendländischen Welt, wie noch jetzt im Morgenlande — zuerst am 27. Juli 1580 gesehen haben, an welchem Tage die durch Drake'S Flotte vom Unter¬ gang geretteten Neste der ersten britischen Kolonie in Virginien mit brennen¬ den Pfeifen, die sie vou ihren transatlantischen Nachbarn, den Rothhäuten, entlehnt, zu Plymonth an's Land stiegen. Sehr bald auch Andern, selbst Flaum, zur Leidenschaft geworden, verbreitere sich die Gewohnheit von hier uach dem Continent, und zwar scheinen von ihr zuerst die,Studenten der Universität Leyden angesteckt worden zu sein. Nach Deutschland wurde sie vermuthlich durch britische Regimenter, welche Graf Grey 1020 dem König vou Böhmen zuführte, verpflanzt. Englische Händler und Schiffer lehrten die Schweden, die Nüssen und vermuthlich auch die Türken den Gebrauch der Pfeife. Portugiesen und Holländer wurden zu Missionären des seligmachen- den Rauchers in Ostasien. 1601 wurde der Tabak in Java eingeführt. vou wo er sich binnen wenigen Jahren über ganz Indien und China ausbreitete. In Aegypten glimmten die ersten Tschibbuls um das Jahr 1,010 der Fluch! (1601 u. Chr.), im Reich des Großmogul meldete sich der seltsame Gast unter Dschellaleddiu Akhdar Padischa, um 1005. Gegen die Mitte des sieb- zchnien Jahrhunderts war die Welteroberung vollendet, und der Tabak allent¬ halben mehr oder minder eingebürgert und als Bedürfniß anerkannt. Indeß breitete die neue Sitte ihre Herrschaft uicht ohne ernsieu Wider¬ stand ans. Gewalt und Ueberredung stellten sich wie vielen andern Perbesse- ruugen auch der Verbesserung der Lust entgegen, ja sie hatte sogar in nicht wenigen Ländern oller Ernstes ihre Märtyrer. Könige und Czaren, Papste und Sultane, selbst ehrsame Schweizerrepubliken unternahmen Feldzüge gegen sie. ein Theil der gelehrten Welt beschoß sie mit den Karthauue» seiner Be¬ redsamkeit, und »och war kein halbes Jahrhundert seit ihrer Ueberfahrt von Mexiko nach Spanien verflossen, so zählte die Literatur schon mehr als hun¬ dert Bücher, die das Rauchen verdammten. Es war aber alle Mühe ver¬ loren. Das verbotene Kraut überwand alle Hindernisse, gewann sich alle Stände, den Soldaten im Lager, den Bürger, den Gelehrten, den Adel. Es wußte sich selbst bei gekrönten Häuptern beliebt zu machen. Es g"'Ü mit ihm »ugesuhr wie jetzt mit einer gewisse» politischen Theorie: die Einen schmähte» dagege» als einen Wah»si»», eure Gottlosigkeit, einen Ruin aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/384>, abgerufen am 25.08.2024.