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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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sittlichen Grundlagen! die Andern setzten sich über die etwaigen Bedenken
hinweg, adoptirten die Neuerung und befanden siel" wast dabei -- wohler
als die Gegner.

Diese Kampf- und Leidenszeit des Tabaks ist der Gegenstand der
n a es stehenden A bhandl u n g.

In Spanien und Portugal fand das Rauchvpfer aus dem Jndiancrland
wenig oder gar keinen Widerstand. Man wird dort zu viel mit Ver-
folgung anderer Ketzereien beschäftigt gewesen sein, um Zeit für diese zu
haben.

In England dagegen entbrannte sehr bald nach Bekanntwerden des
Gebrauchs ein gewaltiger Streit über denselben. Die Geistlichkeit eiferte da¬
gegen, weil es die Sitten Alt-Englands verderbe, und weil es vorkam, das;
man sein Rauchwerk selbst in der Kirche glimmen ließ. Liebhaber der Pfeife
und Dose antworteten darauf mit Verherrlichung dieser Gottesgnben in Ver¬
sen und Prosa, die von der Gegenpartei wieder nut heftigen Salven von
Schimpfwortern und Bibelsprüchen, Citaten aus den Alten und ähnlichen
Missilen der damaligen Zeit erwidert wurden. Der große Admiral Naleigh
dampfte sein Pfeifchen im Tower, während der Scharfrichter das Beil für
seinen Nacken schliff. Ben Johnson, der Freund Shakespeares, rühmte den
Tabak als das edelste Gewächs, das die Erde dem Menschengeschlecht ge¬
schenkt. Andere fochten feinen Rauch als "gräulichen stygischen Qualm" an.
So schwankte der Kampf, "mener mehr zum Siege der Tabaksfreunde hin¬
neigend, als König Jakob der Erste sich in den Streit mischte. Ueberhaupt
ein wunderlicher Heiliger, halb Mystiker, halb Pedant, schreibselig und dis-
putationssüchlig. stark in der Theologie, stellte er sich auf die Seite der
Tabaksfeinde, und wie er früher tapfer für die Möglichkeit der Zauberei und
das Vorhandensein böser Geister gefochten, sich mit gründlichen Untersuchungen
des Umstandes, daß der Teufel am liebsten mit alten Weibern verkehre, be¬
schäftigt, fleißig nach dem Sinn der Offenbarung Johannis geforscht und ni
speculativer Vertheidigung des absoluten Herrscherrechts der Könige und des
passiven Gehorsams der Unterthanen manche Feder stumpf geschrieben, so
fügte er den durch diese schriftstellerischen Leistungen erworbenen Titeln jetzt
noch einen andern, dazu passenden hinzu. Die literarischen Geschütze, die er
i^'gar den Gegenstand seines königlichen Zornes auffuhr, führte" die Namen
eounwldlast. w'l'odacev" und "ni"0WMU8^, d. h. ein "Gcgcupaff gegen
den Tabak" und "der Nanchfeind". Es waren gewaltige Dinger, diese Feld¬
schlangen, mit furchtbaren Geschossen geladen wie Lancasterkcmonen. aber von
ebenso geringem Erfolg wie diese.

In der ersteren Schrift hielt der gekrönte Schriftsteller seinen rauchenden
Unterthanen eine Strafpredigt, die noch ziemlich väterlich auffiel. Er sagte


sittlichen Grundlagen! die Andern setzten sich über die etwaigen Bedenken
hinweg, adoptirten die Neuerung und befanden siel» wast dabei — wohler
als die Gegner.

Diese Kampf- und Leidenszeit des Tabaks ist der Gegenstand der
n a es stehenden A bhandl u n g.

In Spanien und Portugal fand das Rauchvpfer aus dem Jndiancrland
wenig oder gar keinen Widerstand. Man wird dort zu viel mit Ver-
folgung anderer Ketzereien beschäftigt gewesen sein, um Zeit für diese zu
haben.

In England dagegen entbrannte sehr bald nach Bekanntwerden des
Gebrauchs ein gewaltiger Streit über denselben. Die Geistlichkeit eiferte da¬
gegen, weil es die Sitten Alt-Englands verderbe, und weil es vorkam, das;
man sein Rauchwerk selbst in der Kirche glimmen ließ. Liebhaber der Pfeife
und Dose antworteten darauf mit Verherrlichung dieser Gottesgnben in Ver¬
sen und Prosa, die von der Gegenpartei wieder nut heftigen Salven von
Schimpfwortern und Bibelsprüchen, Citaten aus den Alten und ähnlichen
Missilen der damaligen Zeit erwidert wurden. Der große Admiral Naleigh
dampfte sein Pfeifchen im Tower, während der Scharfrichter das Beil für
seinen Nacken schliff. Ben Johnson, der Freund Shakespeares, rühmte den
Tabak als das edelste Gewächs, das die Erde dem Menschengeschlecht ge¬
schenkt. Andere fochten feinen Rauch als „gräulichen stygischen Qualm" an.
So schwankte der Kampf, »mener mehr zum Siege der Tabaksfreunde hin¬
neigend, als König Jakob der Erste sich in den Streit mischte. Ueberhaupt
ein wunderlicher Heiliger, halb Mystiker, halb Pedant, schreibselig und dis-
putationssüchlig. stark in der Theologie, stellte er sich auf die Seite der
Tabaksfeinde, und wie er früher tapfer für die Möglichkeit der Zauberei und
das Vorhandensein böser Geister gefochten, sich mit gründlichen Untersuchungen
des Umstandes, daß der Teufel am liebsten mit alten Weibern verkehre, be¬
schäftigt, fleißig nach dem Sinn der Offenbarung Johannis geforscht und ni
speculativer Vertheidigung des absoluten Herrscherrechts der Könige und des
passiven Gehorsams der Unterthanen manche Feder stumpf geschrieben, so
fügte er den durch diese schriftstellerischen Leistungen erworbenen Titeln jetzt
noch einen andern, dazu passenden hinzu. Die literarischen Geschütze, die er
i^'gar den Gegenstand seines königlichen Zornes auffuhr, führte» die Namen
eounwldlast. w'l'odacev" und „ni«0WMU8^, d. h. ein „Gcgcupaff gegen
den Tabak" und „der Nanchfeind". Es waren gewaltige Dinger, diese Feld¬
schlangen, mit furchtbaren Geschossen geladen wie Lancasterkcmonen. aber von
ebenso geringem Erfolg wie diese.

In der ersteren Schrift hielt der gekrönte Schriftsteller seinen rauchenden
Unterthanen eine Strafpredigt, die noch ziemlich väterlich auffiel. Er sagte


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[0385] sittlichen Grundlagen! die Andern setzten sich über die etwaigen Bedenken hinweg, adoptirten die Neuerung und befanden siel» wast dabei — wohler als die Gegner. Diese Kampf- und Leidenszeit des Tabaks ist der Gegenstand der n a es stehenden A bhandl u n g. In Spanien und Portugal fand das Rauchvpfer aus dem Jndiancrland wenig oder gar keinen Widerstand. Man wird dort zu viel mit Ver- folgung anderer Ketzereien beschäftigt gewesen sein, um Zeit für diese zu haben. In England dagegen entbrannte sehr bald nach Bekanntwerden des Gebrauchs ein gewaltiger Streit über denselben. Die Geistlichkeit eiferte da¬ gegen, weil es die Sitten Alt-Englands verderbe, und weil es vorkam, das; man sein Rauchwerk selbst in der Kirche glimmen ließ. Liebhaber der Pfeife und Dose antworteten darauf mit Verherrlichung dieser Gottesgnben in Ver¬ sen und Prosa, die von der Gegenpartei wieder nut heftigen Salven von Schimpfwortern und Bibelsprüchen, Citaten aus den Alten und ähnlichen Missilen der damaligen Zeit erwidert wurden. Der große Admiral Naleigh dampfte sein Pfeifchen im Tower, während der Scharfrichter das Beil für seinen Nacken schliff. Ben Johnson, der Freund Shakespeares, rühmte den Tabak als das edelste Gewächs, das die Erde dem Menschengeschlecht ge¬ schenkt. Andere fochten feinen Rauch als „gräulichen stygischen Qualm" an. So schwankte der Kampf, »mener mehr zum Siege der Tabaksfreunde hin¬ neigend, als König Jakob der Erste sich in den Streit mischte. Ueberhaupt ein wunderlicher Heiliger, halb Mystiker, halb Pedant, schreibselig und dis- putationssüchlig. stark in der Theologie, stellte er sich auf die Seite der Tabaksfeinde, und wie er früher tapfer für die Möglichkeit der Zauberei und das Vorhandensein böser Geister gefochten, sich mit gründlichen Untersuchungen des Umstandes, daß der Teufel am liebsten mit alten Weibern verkehre, be¬ schäftigt, fleißig nach dem Sinn der Offenbarung Johannis geforscht und ni speculativer Vertheidigung des absoluten Herrscherrechts der Könige und des passiven Gehorsams der Unterthanen manche Feder stumpf geschrieben, so fügte er den durch diese schriftstellerischen Leistungen erworbenen Titeln jetzt noch einen andern, dazu passenden hinzu. Die literarischen Geschütze, die er i^'gar den Gegenstand seines königlichen Zornes auffuhr, führte» die Namen eounwldlast. w'l'odacev" und „ni«0WMU8^, d. h. ein „Gcgcupaff gegen den Tabak" und „der Nanchfeind". Es waren gewaltige Dinger, diese Feld¬ schlangen, mit furchtbaren Geschossen geladen wie Lancasterkcmonen. aber von ebenso geringem Erfolg wie diese. In der ersteren Schrift hielt der gekrönte Schriftsteller seinen rauchenden Unterthanen eine Strafpredigt, die noch ziemlich väterlich auffiel. Er sagte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/385>, abgerufen am 25.08.2024.