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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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dem auch das Binnenland, welches bisher von denselben versorgt wurde,
muß, da weder das eigene, noch ein fremdes Schiff mehr an die Küste ge¬
langen kann, durch gesteigerte Preise der fremden Waaren, verringerten Werth
der eigenen Producte, verminderte Benutzung der Vcrkehrscinstalten z. B. der
Eisenbahnen, in allen volkswirthschaftlichen Beziehungen die Leiden des See¬
kriegs empfinden. Aber diese Wunden werden nur dem Wohlstand des
schwächeren Theils geschlagen. Durch eine ausreichende Kriegsflotte wird es
möglich, die Handelsflotte auf den Meeren in ihrer Fahrt vor dem legalisirten
Seeraub zu sichern und die Blockade auch nur einzelner Plätze entweder zu
hindern oder, wenn sie versucht wird, dieselbe zu zerstören und dadurch die
Leiden des Krieges auf die geringeren zurückzuführen, welche der Landkrieg
im Gefolge hat. -- Leiden, die das Privateigenthum und den Verkehr mit
der übrigen Welt doch immer nur indirect treffen. Neben diesen, aus der
Eigenthümlichkeit des Seekrieges hervorgehenden Zwecken der Beschützung des
Privateigenthums und des internationalen Verkehrs ist die Flotte im Kriege
wie die Landarmee ein Mittel der Landesvertheidigung, sowol der eigentlichen
Vertheidigung als auch der die Vertheidigung vorwegnehmenden Offensive.

Der Saum, wo das Festland vom Meer berührt wird, ist eine Landes¬
grenze, wie jede andere, und nur dadurch unterschieden, daß sie freilich nicht
so leicht überschritten wird, als die meisten continentalen Grenzen, daß sie
aber auch nicht bloß von den Truppen des angrenzenden Staats, sondern
von denjenigen aller Seestaaten angegriffen werden kann. Diese Wassergrenze
ist zugänglicher als alle anderen. Zu ihrer Vertheidigung genügen stehende
Landbcfestigungen nicht, dieselbe kann mit Erfolg nur durch schwimmende
Batterien, bewaffnete Fahrzeuge bewirkt werden.

Ein Krieg mit Frankreich oder Nußland winde Deutschland sehr bald
"eigen, daß nicht bloß über die Landesgrenze, sondern auch über d'le See¬
grenze feindliche Truppen eine Invasion versuchen können.

Andrerseits hat grade die neueste Zeit gezeigt, welch' ein furchtbares An-
gnffsmittel eine Kriegsflotte im Landkriege durch die Ausbildung des See¬
transports geworden ist. Nußland und Oestreich sind beide freilich nur durch
Landarmeen besiegt worden, aber nur weil dieselben von Kriegsflotten unter¬
stützt wurden. Der Angriff auf Sebastopol, das rasche und ungefährdete
^scheinen der französischen Hilfstruppen ans dem italienischen Kriegsschau¬
platze und die Bedrohung des Festungsvierecks von Osten aus wurde nur
durch die von den Siegern über das Meer geübte Herrschaft möglich. Für
^njenigen der kriegführenden Theile, der zur See das Uebergewicht hat, ist
das Mxxr ^in> Brücke, die seine Truppen mit geringeren' Schwierigkeiten in
die entferntesten Gegenden führt, als es zu Lande geschehen könnte, und ist
'"r seine Gegner andrerseits ein meilenbreiter Graben. Dieses Uebergewicht


dem auch das Binnenland, welches bisher von denselben versorgt wurde,
muß, da weder das eigene, noch ein fremdes Schiff mehr an die Küste ge¬
langen kann, durch gesteigerte Preise der fremden Waaren, verringerten Werth
der eigenen Producte, verminderte Benutzung der Vcrkehrscinstalten z. B. der
Eisenbahnen, in allen volkswirthschaftlichen Beziehungen die Leiden des See¬
kriegs empfinden. Aber diese Wunden werden nur dem Wohlstand des
schwächeren Theils geschlagen. Durch eine ausreichende Kriegsflotte wird es
möglich, die Handelsflotte auf den Meeren in ihrer Fahrt vor dem legalisirten
Seeraub zu sichern und die Blockade auch nur einzelner Plätze entweder zu
hindern oder, wenn sie versucht wird, dieselbe zu zerstören und dadurch die
Leiden des Krieges auf die geringeren zurückzuführen, welche der Landkrieg
im Gefolge hat. — Leiden, die das Privateigenthum und den Verkehr mit
der übrigen Welt doch immer nur indirect treffen. Neben diesen, aus der
Eigenthümlichkeit des Seekrieges hervorgehenden Zwecken der Beschützung des
Privateigenthums und des internationalen Verkehrs ist die Flotte im Kriege
wie die Landarmee ein Mittel der Landesvertheidigung, sowol der eigentlichen
Vertheidigung als auch der die Vertheidigung vorwegnehmenden Offensive.

Der Saum, wo das Festland vom Meer berührt wird, ist eine Landes¬
grenze, wie jede andere, und nur dadurch unterschieden, daß sie freilich nicht
so leicht überschritten wird, als die meisten continentalen Grenzen, daß sie
aber auch nicht bloß von den Truppen des angrenzenden Staats, sondern
von denjenigen aller Seestaaten angegriffen werden kann. Diese Wassergrenze
ist zugänglicher als alle anderen. Zu ihrer Vertheidigung genügen stehende
Landbcfestigungen nicht, dieselbe kann mit Erfolg nur durch schwimmende
Batterien, bewaffnete Fahrzeuge bewirkt werden.

Ein Krieg mit Frankreich oder Nußland winde Deutschland sehr bald
»eigen, daß nicht bloß über die Landesgrenze, sondern auch über d'le See¬
grenze feindliche Truppen eine Invasion versuchen können.

Andrerseits hat grade die neueste Zeit gezeigt, welch' ein furchtbares An-
gnffsmittel eine Kriegsflotte im Landkriege durch die Ausbildung des See¬
transports geworden ist. Nußland und Oestreich sind beide freilich nur durch
Landarmeen besiegt worden, aber nur weil dieselben von Kriegsflotten unter¬
stützt wurden. Der Angriff auf Sebastopol, das rasche und ungefährdete
^scheinen der französischen Hilfstruppen ans dem italienischen Kriegsschau¬
platze und die Bedrohung des Festungsvierecks von Osten aus wurde nur
durch die von den Siegern über das Meer geübte Herrschaft möglich. Für
^njenigen der kriegführenden Theile, der zur See das Uebergewicht hat, ist
das Mxxr ^in> Brücke, die seine Truppen mit geringeren' Schwierigkeiten in
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'"r seine Gegner andrerseits ein meilenbreiter Graben. Dieses Uebergewicht


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[0375] dem auch das Binnenland, welches bisher von denselben versorgt wurde, muß, da weder das eigene, noch ein fremdes Schiff mehr an die Küste ge¬ langen kann, durch gesteigerte Preise der fremden Waaren, verringerten Werth der eigenen Producte, verminderte Benutzung der Vcrkehrscinstalten z. B. der Eisenbahnen, in allen volkswirthschaftlichen Beziehungen die Leiden des See¬ kriegs empfinden. Aber diese Wunden werden nur dem Wohlstand des schwächeren Theils geschlagen. Durch eine ausreichende Kriegsflotte wird es möglich, die Handelsflotte auf den Meeren in ihrer Fahrt vor dem legalisirten Seeraub zu sichern und die Blockade auch nur einzelner Plätze entweder zu hindern oder, wenn sie versucht wird, dieselbe zu zerstören und dadurch die Leiden des Krieges auf die geringeren zurückzuführen, welche der Landkrieg im Gefolge hat. — Leiden, die das Privateigenthum und den Verkehr mit der übrigen Welt doch immer nur indirect treffen. Neben diesen, aus der Eigenthümlichkeit des Seekrieges hervorgehenden Zwecken der Beschützung des Privateigenthums und des internationalen Verkehrs ist die Flotte im Kriege wie die Landarmee ein Mittel der Landesvertheidigung, sowol der eigentlichen Vertheidigung als auch der die Vertheidigung vorwegnehmenden Offensive. Der Saum, wo das Festland vom Meer berührt wird, ist eine Landes¬ grenze, wie jede andere, und nur dadurch unterschieden, daß sie freilich nicht so leicht überschritten wird, als die meisten continentalen Grenzen, daß sie aber auch nicht bloß von den Truppen des angrenzenden Staats, sondern von denjenigen aller Seestaaten angegriffen werden kann. Diese Wassergrenze ist zugänglicher als alle anderen. Zu ihrer Vertheidigung genügen stehende Landbcfestigungen nicht, dieselbe kann mit Erfolg nur durch schwimmende Batterien, bewaffnete Fahrzeuge bewirkt werden. Ein Krieg mit Frankreich oder Nußland winde Deutschland sehr bald »eigen, daß nicht bloß über die Landesgrenze, sondern auch über d'le See¬ grenze feindliche Truppen eine Invasion versuchen können. Andrerseits hat grade die neueste Zeit gezeigt, welch' ein furchtbares An- gnffsmittel eine Kriegsflotte im Landkriege durch die Ausbildung des See¬ transports geworden ist. Nußland und Oestreich sind beide freilich nur durch Landarmeen besiegt worden, aber nur weil dieselben von Kriegsflotten unter¬ stützt wurden. Der Angriff auf Sebastopol, das rasche und ungefährdete ^scheinen der französischen Hilfstruppen ans dem italienischen Kriegsschau¬ platze und die Bedrohung des Festungsvierecks von Osten aus wurde nur durch die von den Siegern über das Meer geübte Herrschaft möglich. Für ^njenigen der kriegführenden Theile, der zur See das Uebergewicht hat, ist das Mxxr ^in> Brücke, die seine Truppen mit geringeren' Schwierigkeiten in die entferntesten Gegenden führt, als es zu Lande geschehen könnte, und ist '"r seine Gegner andrerseits ein meilenbreiter Graben. Dieses Uebergewicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/375>, abgerufen am 02.07.2024.