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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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preußischer Kriegsschiffe eine Austreibung der Deutschen aus Japan oder ihre
Bedrückung verhinderte.

Die Thätigkeit und der wagende Sinn des Deutschen führt ihn an die
Küsten aller Welttheile, Fleiß und Mäßigkeit lassen ihn überall einen Platz
finden, von dem aus er Handelsverbindungen anknüpft, welche schließlich zur
Bereicherung seines Vaterlandes dienen. Aber nirgends findet, abgesehen von
Preußen, der Deutsche einen Schutz, nirgends eine legitime Förderung seiner
Interessen, weder die Anlehnung an deutsche Kolonien, noch die Fürsprache
der Feuerschlünde. Das Höchste, was ihm sein Vaterland gewährt, ist der
sog. Schutz der Handelsconsuln; was aber der Schutz der Vertreter ohnmäch¬
tiger Staaten zu bedeuten hat, bedarf nicht der Ausführung. Die natürliche
Folge dieser Zustände ist, daß der Deutsche in der Concurrenz mit dem Eng¬
länder, Franzosen u. s. w. zurücksteht, und daß daher auch der Industrie
Deutschlands nicht diejenigen Absatzquellen geöffnet sind, welche der anderer
Nationen fließen. Nur soweit Preußen jetzt an jenen Küsten seine Kriegsschiffe
erscheinen läßt, macht sich eine Besserung dieser Verhältnisse schon jetzt fühlbar.
Es beginnen -- um diesen Gesichtspunkt nicht zu vernachlässigen -- sich die
Kosten der preußischen Kriegsmarine zu verzinsen.

Wir haben bisher nur von der Wirksamkeit einer Kriegsflotte im Frieden
gesprochen. Auch im Kriege wird der Besitz einer solchen für die am See¬
handel betheiligten Nationen nicht nur durch die allgemeinen Erfordernisse
der Landesvertheidigung, sondern noch durch besondere Verhältnisse zu eiuer
Nothwendigkeit gemacht. Denn das Völkerrecht, welches im Landkriege die
Achtung des fremden Privateigenthumsund des regelmäßigen Verkehrs gebietet,
ist im Seekriege noch nicht bis zu dieser Entwicklung gelangt.

Es sind zwei Sätze des Völkerrechts, welche den Seekrieg für die Pri¬
vaten verderblicher machen, als es der Landkrieg ist. Erstens: Das einem Un¬
terthanen der einen kriegführenden Macht gehörende Schiff kann, mit de>n Pri¬
vateigenthum darauf, soweit es Eigenthum von Unterthanen dieser Macht ist,
von dem Feinde weggenommen und in aller Form Rechtens für sein Eigen¬
thum erklärt werden. Zweitens: Jeder Kriegführende hat das Recht, jeden
Seeverkehr anderer Nationen mit der feindlichen Küste abzusperren. Das neu¬
trale Schiff, welches die Blockade bricht, d. h. dieses Recht verletzt, wird Ei¬
genthum der blockirenden Macht.

In Folge des ersten Satzes sind Handelsschiffe und die darauf befind¬
lichen Waaren des schwächeren kriegführenden Theils ein Raub des Feindes.
Seine Schifffahrt hört auf und die Millionen, welche in derselben befindlich
sind, werden ein unfruchtbares Capital.-

In Folge des zweiten Satzes hört der Seeverkehr und damit der See
Handel des schwächeren Theiles überhaupt auf. Nicht bloß die Küsten, son-


preußischer Kriegsschiffe eine Austreibung der Deutschen aus Japan oder ihre
Bedrückung verhinderte.

Die Thätigkeit und der wagende Sinn des Deutschen führt ihn an die
Küsten aller Welttheile, Fleiß und Mäßigkeit lassen ihn überall einen Platz
finden, von dem aus er Handelsverbindungen anknüpft, welche schließlich zur
Bereicherung seines Vaterlandes dienen. Aber nirgends findet, abgesehen von
Preußen, der Deutsche einen Schutz, nirgends eine legitime Förderung seiner
Interessen, weder die Anlehnung an deutsche Kolonien, noch die Fürsprache
der Feuerschlünde. Das Höchste, was ihm sein Vaterland gewährt, ist der
sog. Schutz der Handelsconsuln; was aber der Schutz der Vertreter ohnmäch¬
tiger Staaten zu bedeuten hat, bedarf nicht der Ausführung. Die natürliche
Folge dieser Zustände ist, daß der Deutsche in der Concurrenz mit dem Eng¬
länder, Franzosen u. s. w. zurücksteht, und daß daher auch der Industrie
Deutschlands nicht diejenigen Absatzquellen geöffnet sind, welche der anderer
Nationen fließen. Nur soweit Preußen jetzt an jenen Küsten seine Kriegsschiffe
erscheinen läßt, macht sich eine Besserung dieser Verhältnisse schon jetzt fühlbar.
Es beginnen — um diesen Gesichtspunkt nicht zu vernachlässigen — sich die
Kosten der preußischen Kriegsmarine zu verzinsen.

Wir haben bisher nur von der Wirksamkeit einer Kriegsflotte im Frieden
gesprochen. Auch im Kriege wird der Besitz einer solchen für die am See¬
handel betheiligten Nationen nicht nur durch die allgemeinen Erfordernisse
der Landesvertheidigung, sondern noch durch besondere Verhältnisse zu eiuer
Nothwendigkeit gemacht. Denn das Völkerrecht, welches im Landkriege die
Achtung des fremden Privateigenthumsund des regelmäßigen Verkehrs gebietet,
ist im Seekriege noch nicht bis zu dieser Entwicklung gelangt.

Es sind zwei Sätze des Völkerrechts, welche den Seekrieg für die Pri¬
vaten verderblicher machen, als es der Landkrieg ist. Erstens: Das einem Un¬
terthanen der einen kriegführenden Macht gehörende Schiff kann, mit de>n Pri¬
vateigenthum darauf, soweit es Eigenthum von Unterthanen dieser Macht ist,
von dem Feinde weggenommen und in aller Form Rechtens für sein Eigen¬
thum erklärt werden. Zweitens: Jeder Kriegführende hat das Recht, jeden
Seeverkehr anderer Nationen mit der feindlichen Küste abzusperren. Das neu¬
trale Schiff, welches die Blockade bricht, d. h. dieses Recht verletzt, wird Ei¬
genthum der blockirenden Macht.

In Folge des ersten Satzes sind Handelsschiffe und die darauf befind¬
lichen Waaren des schwächeren kriegführenden Theils ein Raub des Feindes.
Seine Schifffahrt hört auf und die Millionen, welche in derselben befindlich
sind, werden ein unfruchtbares Capital.-

In Folge des zweiten Satzes hört der Seeverkehr und damit der See
Handel des schwächeren Theiles überhaupt auf. Nicht bloß die Küsten, son-


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[0374] preußischer Kriegsschiffe eine Austreibung der Deutschen aus Japan oder ihre Bedrückung verhinderte. Die Thätigkeit und der wagende Sinn des Deutschen führt ihn an die Küsten aller Welttheile, Fleiß und Mäßigkeit lassen ihn überall einen Platz finden, von dem aus er Handelsverbindungen anknüpft, welche schließlich zur Bereicherung seines Vaterlandes dienen. Aber nirgends findet, abgesehen von Preußen, der Deutsche einen Schutz, nirgends eine legitime Förderung seiner Interessen, weder die Anlehnung an deutsche Kolonien, noch die Fürsprache der Feuerschlünde. Das Höchste, was ihm sein Vaterland gewährt, ist der sog. Schutz der Handelsconsuln; was aber der Schutz der Vertreter ohnmäch¬ tiger Staaten zu bedeuten hat, bedarf nicht der Ausführung. Die natürliche Folge dieser Zustände ist, daß der Deutsche in der Concurrenz mit dem Eng¬ länder, Franzosen u. s. w. zurücksteht, und daß daher auch der Industrie Deutschlands nicht diejenigen Absatzquellen geöffnet sind, welche der anderer Nationen fließen. Nur soweit Preußen jetzt an jenen Küsten seine Kriegsschiffe erscheinen läßt, macht sich eine Besserung dieser Verhältnisse schon jetzt fühlbar. Es beginnen — um diesen Gesichtspunkt nicht zu vernachlässigen — sich die Kosten der preußischen Kriegsmarine zu verzinsen. Wir haben bisher nur von der Wirksamkeit einer Kriegsflotte im Frieden gesprochen. Auch im Kriege wird der Besitz einer solchen für die am See¬ handel betheiligten Nationen nicht nur durch die allgemeinen Erfordernisse der Landesvertheidigung, sondern noch durch besondere Verhältnisse zu eiuer Nothwendigkeit gemacht. Denn das Völkerrecht, welches im Landkriege die Achtung des fremden Privateigenthumsund des regelmäßigen Verkehrs gebietet, ist im Seekriege noch nicht bis zu dieser Entwicklung gelangt. Es sind zwei Sätze des Völkerrechts, welche den Seekrieg für die Pri¬ vaten verderblicher machen, als es der Landkrieg ist. Erstens: Das einem Un¬ terthanen der einen kriegführenden Macht gehörende Schiff kann, mit de>n Pri¬ vateigenthum darauf, soweit es Eigenthum von Unterthanen dieser Macht ist, von dem Feinde weggenommen und in aller Form Rechtens für sein Eigen¬ thum erklärt werden. Zweitens: Jeder Kriegführende hat das Recht, jeden Seeverkehr anderer Nationen mit der feindlichen Küste abzusperren. Das neu¬ trale Schiff, welches die Blockade bricht, d. h. dieses Recht verletzt, wird Ei¬ genthum der blockirenden Macht. In Folge des ersten Satzes sind Handelsschiffe und die darauf befind¬ lichen Waaren des schwächeren kriegführenden Theils ein Raub des Feindes. Seine Schifffahrt hört auf und die Millionen, welche in derselben befindlich sind, werden ein unfruchtbares Capital.- In Folge des zweiten Satzes hört der Seeverkehr und damit der See Handel des schwächeren Theiles überhaupt auf. Nicht bloß die Küsten, son-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/374>, abgerufen am 03.07.2024.