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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Die neuen Schraubenfregatten waren bis zur Einführung der gezogenen
Geschütze auf den europäischen Flotten in jeder Hinsicht treffliche Schiffe, viel¬
leicht die besten der Welt. Den schnellsegelnden Klippern ähnlich construirt,
sind sie fast doppelt so lang als Segelfregatten erster Klasse von 00 Kanonen,
und über die größten englischen und französischen Linienschiffe reichen sie noch
um 70 bis 80 Fuß hinaus. So rasch wie Klipper, haben sie einen Tonnen¬
gehalt wie Dreidecker. Kein Schiff ist besser geeignet. Truppen und Vor-
rathe in Masse an Bord zu nehmen. Der Grundsatz, daß die Schwere der
Geschütze, nicht die Zahl derselben die Entscheidung gibt, ist dermaßen bei
ihnen festgehalten, daß die größten unter ihnen nicht über 30 Kanonen
führen. Die letzteren stehen fast alle unter Deck, also möglichst gesichert. Sie
sind nicht in zwei Linien, entsprechend den beiden Borden, aufgestellt, sondern
drehen sich auf Pivots, so daß sie nach Belieben aus Back- und Steuerbord
verwendet werden können. Ihre Bombcnkanvnen sind von ungeheurem Cali-
ber, sie schleudern Hohlgeschosse von nenn, zehn und dreizehn Zoll Durchmesser.
Man konnte annehmen, daß sie bei ihrer außerordentlichen Schnelligkeit und
Beweglichkeit und bei der enormen Tragweite ihrer Kanonen keinen Gegner
in Gestalt eines einzelnen Schiffes zu fürchten haben würden. Die große Re¬
volution, welche die gezogenen Geschütze mit ihrer Anwendung auf den See¬
krieg hervorgebracht haben, läßt einige der Vorzüge dieser Fregatten zurück¬
treten, aber dies würde nur in einem Kriege mit europäischen Seemächten
in Betracht kommen.

Die 42 dienstfähigen Schiffe mit 789 Kanonen, welche die Union 1859
besaß, bilden nun allerdings nur eine Seemacht, die etwa der östreichischen gleich¬
kommt. Bedenkt man aber, daß beim Ausbruch eines Krieges der Bundes¬
regierung alle Handelsschiffe zur Verfügung gestellt werden müssen (natürlich
gegen eine Entschädigung); erinnert man sich, daß die gewaltigen Paquet-
darnpfer, die zwischen Liverpool und Neuyork fahren, von der Regierung
unter der Bedingung subventionirt wurden, daß man sie so einrichte, daß sie
sofort zu Kriegsschiffen umgestaltet werden könnten; zählt man dazu die große
Menge von Dampf- und Segelschiffen ersten und zweiten Ranges, welche
außer jenen den atlantischen und den stillen Ocean unter amerikanischer
Flagge befahren und die allesammt in kurzer Frist zu Kriegsschiffen umgezim-
urert und aus den wohlgefüllten Arsenälen armirt werden können, so wird
wan sich bedenken müssen, die Scestreitkräste der Vereinigten Staaten gering
Zu schätzen.

Die Zahl der Kauffahrteischiffe der Union wurde 1855 auf 29 bis 30,000
^gegeben, die Tonnenzahl derselben auf mehr als fünf Millionen.^ 1811 er¬
schien der erste Dampfer auf dem Hudson, 1852 besaß die Union bereits 1450
Dampfschiffe von ungefähr 450,000 Tonnen, darunter 125 Oceandampfer von


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Die neuen Schraubenfregatten waren bis zur Einführung der gezogenen
Geschütze auf den europäischen Flotten in jeder Hinsicht treffliche Schiffe, viel¬
leicht die besten der Welt. Den schnellsegelnden Klippern ähnlich construirt,
sind sie fast doppelt so lang als Segelfregatten erster Klasse von 00 Kanonen,
und über die größten englischen und französischen Linienschiffe reichen sie noch
um 70 bis 80 Fuß hinaus. So rasch wie Klipper, haben sie einen Tonnen¬
gehalt wie Dreidecker. Kein Schiff ist besser geeignet. Truppen und Vor-
rathe in Masse an Bord zu nehmen. Der Grundsatz, daß die Schwere der
Geschütze, nicht die Zahl derselben die Entscheidung gibt, ist dermaßen bei
ihnen festgehalten, daß die größten unter ihnen nicht über 30 Kanonen
führen. Die letzteren stehen fast alle unter Deck, also möglichst gesichert. Sie
sind nicht in zwei Linien, entsprechend den beiden Borden, aufgestellt, sondern
drehen sich auf Pivots, so daß sie nach Belieben aus Back- und Steuerbord
verwendet werden können. Ihre Bombcnkanvnen sind von ungeheurem Cali-
ber, sie schleudern Hohlgeschosse von nenn, zehn und dreizehn Zoll Durchmesser.
Man konnte annehmen, daß sie bei ihrer außerordentlichen Schnelligkeit und
Beweglichkeit und bei der enormen Tragweite ihrer Kanonen keinen Gegner
in Gestalt eines einzelnen Schiffes zu fürchten haben würden. Die große Re¬
volution, welche die gezogenen Geschütze mit ihrer Anwendung auf den See¬
krieg hervorgebracht haben, läßt einige der Vorzüge dieser Fregatten zurück¬
treten, aber dies würde nur in einem Kriege mit europäischen Seemächten
in Betracht kommen.

Die 42 dienstfähigen Schiffe mit 789 Kanonen, welche die Union 1859
besaß, bilden nun allerdings nur eine Seemacht, die etwa der östreichischen gleich¬
kommt. Bedenkt man aber, daß beim Ausbruch eines Krieges der Bundes¬
regierung alle Handelsschiffe zur Verfügung gestellt werden müssen (natürlich
gegen eine Entschädigung); erinnert man sich, daß die gewaltigen Paquet-
darnpfer, die zwischen Liverpool und Neuyork fahren, von der Regierung
unter der Bedingung subventionirt wurden, daß man sie so einrichte, daß sie
sofort zu Kriegsschiffen umgestaltet werden könnten; zählt man dazu die große
Menge von Dampf- und Segelschiffen ersten und zweiten Ranges, welche
außer jenen den atlantischen und den stillen Ocean unter amerikanischer
Flagge befahren und die allesammt in kurzer Frist zu Kriegsschiffen umgezim-
urert und aus den wohlgefüllten Arsenälen armirt werden können, so wird
wan sich bedenken müssen, die Scestreitkräste der Vereinigten Staaten gering
Zu schätzen.

Die Zahl der Kauffahrteischiffe der Union wurde 1855 auf 29 bis 30,000
^gegeben, die Tonnenzahl derselben auf mehr als fünf Millionen.^ 1811 er¬
schien der erste Dampfer auf dem Hudson, 1852 besaß die Union bereits 1450
Dampfschiffe von ungefähr 450,000 Tonnen, darunter 125 Oceandampfer von


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[0357] Die neuen Schraubenfregatten waren bis zur Einführung der gezogenen Geschütze auf den europäischen Flotten in jeder Hinsicht treffliche Schiffe, viel¬ leicht die besten der Welt. Den schnellsegelnden Klippern ähnlich construirt, sind sie fast doppelt so lang als Segelfregatten erster Klasse von 00 Kanonen, und über die größten englischen und französischen Linienschiffe reichen sie noch um 70 bis 80 Fuß hinaus. So rasch wie Klipper, haben sie einen Tonnen¬ gehalt wie Dreidecker. Kein Schiff ist besser geeignet. Truppen und Vor- rathe in Masse an Bord zu nehmen. Der Grundsatz, daß die Schwere der Geschütze, nicht die Zahl derselben die Entscheidung gibt, ist dermaßen bei ihnen festgehalten, daß die größten unter ihnen nicht über 30 Kanonen führen. Die letzteren stehen fast alle unter Deck, also möglichst gesichert. Sie sind nicht in zwei Linien, entsprechend den beiden Borden, aufgestellt, sondern drehen sich auf Pivots, so daß sie nach Belieben aus Back- und Steuerbord verwendet werden können. Ihre Bombcnkanvnen sind von ungeheurem Cali- ber, sie schleudern Hohlgeschosse von nenn, zehn und dreizehn Zoll Durchmesser. Man konnte annehmen, daß sie bei ihrer außerordentlichen Schnelligkeit und Beweglichkeit und bei der enormen Tragweite ihrer Kanonen keinen Gegner in Gestalt eines einzelnen Schiffes zu fürchten haben würden. Die große Re¬ volution, welche die gezogenen Geschütze mit ihrer Anwendung auf den See¬ krieg hervorgebracht haben, läßt einige der Vorzüge dieser Fregatten zurück¬ treten, aber dies würde nur in einem Kriege mit europäischen Seemächten in Betracht kommen. Die 42 dienstfähigen Schiffe mit 789 Kanonen, welche die Union 1859 besaß, bilden nun allerdings nur eine Seemacht, die etwa der östreichischen gleich¬ kommt. Bedenkt man aber, daß beim Ausbruch eines Krieges der Bundes¬ regierung alle Handelsschiffe zur Verfügung gestellt werden müssen (natürlich gegen eine Entschädigung); erinnert man sich, daß die gewaltigen Paquet- darnpfer, die zwischen Liverpool und Neuyork fahren, von der Regierung unter der Bedingung subventionirt wurden, daß man sie so einrichte, daß sie sofort zu Kriegsschiffen umgestaltet werden könnten; zählt man dazu die große Menge von Dampf- und Segelschiffen ersten und zweiten Ranges, welche außer jenen den atlantischen und den stillen Ocean unter amerikanischer Flagge befahren und die allesammt in kurzer Frist zu Kriegsschiffen umgezim- urert und aus den wohlgefüllten Arsenälen armirt werden können, so wird wan sich bedenken müssen, die Scestreitkräste der Vereinigten Staaten gering Zu schätzen. Die Zahl der Kauffahrteischiffe der Union wurde 1855 auf 29 bis 30,000 ^gegeben, die Tonnenzahl derselben auf mehr als fünf Millionen.^ 1811 er¬ schien der erste Dampfer auf dem Hudson, 1852 besaß die Union bereits 1450 Dampfschiffe von ungefähr 450,000 Tonnen, darunter 125 Oceandampfer von 44*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/357>, abgerufen am 02.07.2024.