Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

So sind Compagnien mit fast eben so vielen Offizieren und Unteroffizieren
als Gemeinen nicht selten. Und das hat seine Vorzüge und veranlaßt beson¬
ders viele Deutsche sich diesen Corps anzuschließen. Wie hübsch lassen goldene
Streifen an den Pnntalons, wie stolz sieht ein Paar dicker Majorepauletteu
aus, und wie gut klingt es, sich "Laxe-un" oder gar'"Oolonel" angeredet zu
hören. Mit der Hälfte des Geldes, das so ein prachtvoller Krieger für seine
militärische Hülle ausgibt, könnte man einen preußischen Jnfanteristen
ein ganzes Jahr erhalten. Aber wenn jener dazu steuern sollte, so würde er
sich entrüstet abwenden. Was er auf seiue Milizpflicht verwendet, verwendet
er zu seinem Vergnügen, zu seiner Ehre. Es kostet Mühe, das englische Coni-
maudo zu lernen, man muß Stunden zu dem Zwecke nehmen. Aber es lohnt
sich auch. "Was gilt das Pfund Rosinen, Herr Capitän? --, Wie steht die
Seife im Preise, Herr Major?" So müssen jetzt die Kunden fragen; denn
wollten sie den Offizier, der mit diesen Dingen handelt, bloß "mistern" oder
gar mit dem Titel anreden, den er als Civilperson erhalten müßte, so ris-
kirten sie diese Unverschämtheit auf den Preis geschlagen zu sehen. Der Ame¬
rikaner haßt und verachtet das Militär als Volk, das zu nichts Besserem taugt,
den militärischen Schein aber liebt und pflegt er, und noch mehr die mili¬
tärischen Titel. Die Miliz ist, vor Allem in den großen Städten, durch und
durch faul und unbrauchbar für ernste Conflicte, ein täppisches, kindisches
Ding, weiches wie die Probe zu einer Tragödie aussehen möchte, in Wahr¬
heit aber Komödie ist.

Lächerlich un höchsten Grade ist es, wenn die amerikanischen Zeitungen
in Begeisterung und Entzücken gerathen, sobald eine solche Milizcvmpagnie
einen Ausflug macht, um einer der Nachbarstädte ihren Besuch abzustatten
und derselben das Schauspiel eines "LxKibition-al'illL" zu gewähren. Solche
Ausflüge kommen häusig vor und laufen gewöhnlich darauf hinaus, daß die
Compagnie oder das Regiment mit einem Extrazug nach der betreffenden
Stadt fährt, dort am Bahnhof von den Herren Kameraden eines befreunde¬
ten Regiments empfangen wird und mit diesem durch die Stadt zieht, wo¬
bei die Fahnen fliegen, die Musik mit kräftigster Anwendung der großen
Trommel den Mnkeedoodle aufspielt und zuletzt eine patriotische Kneiperei
das Opfer vollendet, welches man seiner militärischen Ausbildung bringt.
Ein derartiger Ausflug wurde bei Anwesenheit der japanischen Gesandtschaft
in Washington von dem 7. Regiment von Neuyork unternommen und er¬
weckte großes "exeitLMtmt". Andrer Art war die Rundreise der Zuaven von
Chicago. Hier hatten sich 1859 eine Anzahl ehrsamer Grocer und Schneider
zusammengethan, sich das Costüm der französischen Zuaven zugelegt und sich
ein Equilibristenkunststück ersonnen, welches sie Zuavenkampfweise zu nennen
beliebten. Erst ein wenig Geplänkel, dann Formirung einer Pyramide: ein


So sind Compagnien mit fast eben so vielen Offizieren und Unteroffizieren
als Gemeinen nicht selten. Und das hat seine Vorzüge und veranlaßt beson¬
ders viele Deutsche sich diesen Corps anzuschließen. Wie hübsch lassen goldene
Streifen an den Pnntalons, wie stolz sieht ein Paar dicker Majorepauletteu
aus, und wie gut klingt es, sich „Laxe-un" oder gar'„Oolonel" angeredet zu
hören. Mit der Hälfte des Geldes, das so ein prachtvoller Krieger für seine
militärische Hülle ausgibt, könnte man einen preußischen Jnfanteristen
ein ganzes Jahr erhalten. Aber wenn jener dazu steuern sollte, so würde er
sich entrüstet abwenden. Was er auf seiue Milizpflicht verwendet, verwendet
er zu seinem Vergnügen, zu seiner Ehre. Es kostet Mühe, das englische Coni-
maudo zu lernen, man muß Stunden zu dem Zwecke nehmen. Aber es lohnt
sich auch. „Was gilt das Pfund Rosinen, Herr Capitän? —, Wie steht die
Seife im Preise, Herr Major?" So müssen jetzt die Kunden fragen; denn
wollten sie den Offizier, der mit diesen Dingen handelt, bloß „mistern" oder
gar mit dem Titel anreden, den er als Civilperson erhalten müßte, so ris-
kirten sie diese Unverschämtheit auf den Preis geschlagen zu sehen. Der Ame¬
rikaner haßt und verachtet das Militär als Volk, das zu nichts Besserem taugt,
den militärischen Schein aber liebt und pflegt er, und noch mehr die mili¬
tärischen Titel. Die Miliz ist, vor Allem in den großen Städten, durch und
durch faul und unbrauchbar für ernste Conflicte, ein täppisches, kindisches
Ding, weiches wie die Probe zu einer Tragödie aussehen möchte, in Wahr¬
heit aber Komödie ist.

Lächerlich un höchsten Grade ist es, wenn die amerikanischen Zeitungen
in Begeisterung und Entzücken gerathen, sobald eine solche Milizcvmpagnie
einen Ausflug macht, um einer der Nachbarstädte ihren Besuch abzustatten
und derselben das Schauspiel eines „LxKibition-al'illL" zu gewähren. Solche
Ausflüge kommen häusig vor und laufen gewöhnlich darauf hinaus, daß die
Compagnie oder das Regiment mit einem Extrazug nach der betreffenden
Stadt fährt, dort am Bahnhof von den Herren Kameraden eines befreunde¬
ten Regiments empfangen wird und mit diesem durch die Stadt zieht, wo¬
bei die Fahnen fliegen, die Musik mit kräftigster Anwendung der großen
Trommel den Mnkeedoodle aufspielt und zuletzt eine patriotische Kneiperei
das Opfer vollendet, welches man seiner militärischen Ausbildung bringt.
Ein derartiger Ausflug wurde bei Anwesenheit der japanischen Gesandtschaft
in Washington von dem 7. Regiment von Neuyork unternommen und er¬
weckte großes „exeitLMtmt". Andrer Art war die Rundreise der Zuaven von
Chicago. Hier hatten sich 1859 eine Anzahl ehrsamer Grocer und Schneider
zusammengethan, sich das Costüm der französischen Zuaven zugelegt und sich
ein Equilibristenkunststück ersonnen, welches sie Zuavenkampfweise zu nennen
beliebten. Erst ein wenig Geplänkel, dann Formirung einer Pyramide: ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111786"/>
          <p xml:id="ID_1153" prev="#ID_1152"> So sind Compagnien mit fast eben so vielen Offizieren und Unteroffizieren<lb/>
als Gemeinen nicht selten. Und das hat seine Vorzüge und veranlaßt beson¬<lb/>
ders viele Deutsche sich diesen Corps anzuschließen. Wie hübsch lassen goldene<lb/>
Streifen an den Pnntalons, wie stolz sieht ein Paar dicker Majorepauletteu<lb/>
aus, und wie gut klingt es, sich &#x201E;Laxe-un" oder gar'&#x201E;Oolonel" angeredet zu<lb/>
hören. Mit der Hälfte des Geldes, das so ein prachtvoller Krieger für seine<lb/>
militärische Hülle ausgibt, könnte man einen preußischen Jnfanteristen<lb/>
ein ganzes Jahr erhalten. Aber wenn jener dazu steuern sollte, so würde er<lb/>
sich entrüstet abwenden. Was er auf seiue Milizpflicht verwendet, verwendet<lb/>
er zu seinem Vergnügen, zu seiner Ehre. Es kostet Mühe, das englische Coni-<lb/>
maudo zu lernen, man muß Stunden zu dem Zwecke nehmen. Aber es lohnt<lb/>
sich auch. &#x201E;Was gilt das Pfund Rosinen, Herr Capitän? &#x2014;, Wie steht die<lb/>
Seife im Preise, Herr Major?" So müssen jetzt die Kunden fragen; denn<lb/>
wollten sie den Offizier, der mit diesen Dingen handelt, bloß &#x201E;mistern" oder<lb/>
gar mit dem Titel anreden, den er als Civilperson erhalten müßte, so ris-<lb/>
kirten sie diese Unverschämtheit auf den Preis geschlagen zu sehen. Der Ame¬<lb/>
rikaner haßt und verachtet das Militär als Volk, das zu nichts Besserem taugt,<lb/>
den militärischen Schein aber liebt und pflegt er, und noch mehr die mili¬<lb/>
tärischen Titel. Die Miliz ist, vor Allem in den großen Städten, durch und<lb/>
durch faul und unbrauchbar für ernste Conflicte, ein täppisches, kindisches<lb/>
Ding, weiches wie die Probe zu einer Tragödie aussehen möchte, in Wahr¬<lb/>
heit aber Komödie ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1154" next="#ID_1155"> Lächerlich un höchsten Grade ist es, wenn die amerikanischen Zeitungen<lb/>
in Begeisterung und Entzücken gerathen, sobald eine solche Milizcvmpagnie<lb/>
einen Ausflug macht, um einer der Nachbarstädte ihren Besuch abzustatten<lb/>
und derselben das Schauspiel eines &#x201E;LxKibition-al'illL" zu gewähren. Solche<lb/>
Ausflüge kommen häusig vor und laufen gewöhnlich darauf hinaus, daß die<lb/>
Compagnie oder das Regiment mit einem Extrazug nach der betreffenden<lb/>
Stadt fährt, dort am Bahnhof von den Herren Kameraden eines befreunde¬<lb/>
ten Regiments empfangen wird und mit diesem durch die Stadt zieht, wo¬<lb/>
bei die Fahnen fliegen, die Musik mit kräftigster Anwendung der großen<lb/>
Trommel den Mnkeedoodle aufspielt und zuletzt eine patriotische Kneiperei<lb/>
das Opfer vollendet, welches man seiner militärischen Ausbildung bringt.<lb/>
Ein derartiger Ausflug wurde bei Anwesenheit der japanischen Gesandtschaft<lb/>
in Washington von dem 7. Regiment von Neuyork unternommen und er¬<lb/>
weckte großes &#x201E;exeitLMtmt". Andrer Art war die Rundreise der Zuaven von<lb/>
Chicago. Hier hatten sich 1859 eine Anzahl ehrsamer Grocer und Schneider<lb/>
zusammengethan, sich das Costüm der französischen Zuaven zugelegt und sich<lb/>
ein Equilibristenkunststück ersonnen, welches sie Zuavenkampfweise zu nennen<lb/>
beliebten.  Erst ein wenig Geplänkel, dann Formirung einer Pyramide: ein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] So sind Compagnien mit fast eben so vielen Offizieren und Unteroffizieren als Gemeinen nicht selten. Und das hat seine Vorzüge und veranlaßt beson¬ ders viele Deutsche sich diesen Corps anzuschließen. Wie hübsch lassen goldene Streifen an den Pnntalons, wie stolz sieht ein Paar dicker Majorepauletteu aus, und wie gut klingt es, sich „Laxe-un" oder gar'„Oolonel" angeredet zu hören. Mit der Hälfte des Geldes, das so ein prachtvoller Krieger für seine militärische Hülle ausgibt, könnte man einen preußischen Jnfanteristen ein ganzes Jahr erhalten. Aber wenn jener dazu steuern sollte, so würde er sich entrüstet abwenden. Was er auf seiue Milizpflicht verwendet, verwendet er zu seinem Vergnügen, zu seiner Ehre. Es kostet Mühe, das englische Coni- maudo zu lernen, man muß Stunden zu dem Zwecke nehmen. Aber es lohnt sich auch. „Was gilt das Pfund Rosinen, Herr Capitän? —, Wie steht die Seife im Preise, Herr Major?" So müssen jetzt die Kunden fragen; denn wollten sie den Offizier, der mit diesen Dingen handelt, bloß „mistern" oder gar mit dem Titel anreden, den er als Civilperson erhalten müßte, so ris- kirten sie diese Unverschämtheit auf den Preis geschlagen zu sehen. Der Ame¬ rikaner haßt und verachtet das Militär als Volk, das zu nichts Besserem taugt, den militärischen Schein aber liebt und pflegt er, und noch mehr die mili¬ tärischen Titel. Die Miliz ist, vor Allem in den großen Städten, durch und durch faul und unbrauchbar für ernste Conflicte, ein täppisches, kindisches Ding, weiches wie die Probe zu einer Tragödie aussehen möchte, in Wahr¬ heit aber Komödie ist. Lächerlich un höchsten Grade ist es, wenn die amerikanischen Zeitungen in Begeisterung und Entzücken gerathen, sobald eine solche Milizcvmpagnie einen Ausflug macht, um einer der Nachbarstädte ihren Besuch abzustatten und derselben das Schauspiel eines „LxKibition-al'illL" zu gewähren. Solche Ausflüge kommen häusig vor und laufen gewöhnlich darauf hinaus, daß die Compagnie oder das Regiment mit einem Extrazug nach der betreffenden Stadt fährt, dort am Bahnhof von den Herren Kameraden eines befreunde¬ ten Regiments empfangen wird und mit diesem durch die Stadt zieht, wo¬ bei die Fahnen fliegen, die Musik mit kräftigster Anwendung der großen Trommel den Mnkeedoodle aufspielt und zuletzt eine patriotische Kneiperei das Opfer vollendet, welches man seiner militärischen Ausbildung bringt. Ein derartiger Ausflug wurde bei Anwesenheit der japanischen Gesandtschaft in Washington von dem 7. Regiment von Neuyork unternommen und er¬ weckte großes „exeitLMtmt". Andrer Art war die Rundreise der Zuaven von Chicago. Hier hatten sich 1859 eine Anzahl ehrsamer Grocer und Schneider zusammengethan, sich das Costüm der französischen Zuaven zugelegt und sich ein Equilibristenkunststück ersonnen, welches sie Zuavenkampfweise zu nennen beliebten. Erst ein wenig Geplänkel, dann Formirung einer Pyramide: ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/354>, abgerufen am 02.10.2024.