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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Erklärung im "Tiroler Bodden" sollten sie auch "als bedeutsame Wahrzeichen ge¬
gen die Versuche fremder Einmcngerei in's religiöse Leben des Volkes" gelten.

Der Rest der Verhandlungen des Landtags nach Entscheidung dieser Le¬
bensfrage verlief sich wie spurlos in den Sand. Die Wälschtiroler forderten
Gewährung eines eigenen Landtags mit bloßer Entsendung von Abgeordneten
aus seiner Mitte an den Innsbrucker zur Beschlußfassung in gewissen gemein¬
samen Angelegenheiten, wie jüngst einmal die Ungarn bezüglich ihrer Bethei¬
ligung am Reichsrath vorschlugen. Der Fürstbischof von Trient verglich die
Tiroler beider Zungen mit zwei Nachtigallen, die in einen und denselben Käfig
gesperrt sich die Federn ausreißen, abgesondert hingegen sich gegenseitig zum
Singen herausforderten. Er gestand letztlich, daß ihm, wenn die Bitte abge¬
schlagen würde, vor-der Rückkehr "in die Mitte eines revolutionären Volkes"
bange. Obschon sich Klerus und Bureaukratie vor dem verdächtigen Libera¬
lismus der Wälschtiroler hätten scheuen sollen, folgten die Schaafe doch auch-
dermal dem Rufe der Hirten, man ging über ihren unzeitigen Antrag zur
motivirten Tagesordnung über. Dem Zwang zur Landesvertheidigung, eigent¬
lich der Einreihung der waffenfähigen Männer vom 18. bis zum 45. Jahre
in Schützencompagnien durch das Loos wie beim Militär, hatte man sich be-
dingnißweise schon bei derProtestantenfragc unterworfen, denn durch die Drohung
keine Schützen mehr zu stellen, wenn die Sanction des Gesetzes über die Aus¬
schließung der Protestanten verweigert würde, war im bejahenden Falle schon
im Voraus die Opferwilligkeit erklärt. Der Klerus hatte dabei noch das be¬
sondere Interesse der Abwehr der neuerungssüchtigen Piemontesen. Man ent¬
schied sich mit 48 Stimmen gegen 1 sür die provisorische Aufrechthaltung der
Landesverthcidigungsordnung noch für das laufende Jahr, obickon der Un¬
wille und Zorn darüber in vielen Orten zu bedauerlichen Auftritten geführt
hatte.

Der k. k. Landeshauptmann rühmte am Schlüsse der Sitzungen der ehren-
werthen Versammlung nach, daß sie "zwei der wichtigsten Angelegenheiten,
deren Entscheidung allseits im Lande erwartet wurde, nach der reiflichster
örtcrung zum Abschluß gebracht." und der Erzherzog-Statthalter belobte den
wackeren, in der höheren Politik geschulten Dr. Haßlwanter bei der Audienz
der Abgeordneten in folgender Weise: "Ihr mannhaftes Wort, das Sie in
der Religionssrage gesprochen haben, hat Mich erfreut, und Ich danke Ihnen
dafür. Ihren Vortrag habe ich gelesen, er beruht auf tiefen Studien."

Der kaiserliche Prinz, dessen Obhut Tirol anvertraut, war also ganz ent¬
zückt sowol vom Geist, worin der Hofrath gesprochen, als auch von seiner
Deutung der Gesetzt. Daß der Erzherzog-Statthalter nach dem innersten
Zuge seines Herzens stets der Glaubenseinheit unbedingt zugethan, die Freund'
schaft des orthodoxen Klerus über Alles hochgeschätzt, und in diesem auch das


Erklärung im „Tiroler Bodden" sollten sie auch „als bedeutsame Wahrzeichen ge¬
gen die Versuche fremder Einmcngerei in's religiöse Leben des Volkes" gelten.

Der Rest der Verhandlungen des Landtags nach Entscheidung dieser Le¬
bensfrage verlief sich wie spurlos in den Sand. Die Wälschtiroler forderten
Gewährung eines eigenen Landtags mit bloßer Entsendung von Abgeordneten
aus seiner Mitte an den Innsbrucker zur Beschlußfassung in gewissen gemein¬
samen Angelegenheiten, wie jüngst einmal die Ungarn bezüglich ihrer Bethei¬
ligung am Reichsrath vorschlugen. Der Fürstbischof von Trient verglich die
Tiroler beider Zungen mit zwei Nachtigallen, die in einen und denselben Käfig
gesperrt sich die Federn ausreißen, abgesondert hingegen sich gegenseitig zum
Singen herausforderten. Er gestand letztlich, daß ihm, wenn die Bitte abge¬
schlagen würde, vor-der Rückkehr „in die Mitte eines revolutionären Volkes"
bange. Obschon sich Klerus und Bureaukratie vor dem verdächtigen Libera¬
lismus der Wälschtiroler hätten scheuen sollen, folgten die Schaafe doch auch-
dermal dem Rufe der Hirten, man ging über ihren unzeitigen Antrag zur
motivirten Tagesordnung über. Dem Zwang zur Landesvertheidigung, eigent¬
lich der Einreihung der waffenfähigen Männer vom 18. bis zum 45. Jahre
in Schützencompagnien durch das Loos wie beim Militär, hatte man sich be-
dingnißweise schon bei derProtestantenfragc unterworfen, denn durch die Drohung
keine Schützen mehr zu stellen, wenn die Sanction des Gesetzes über die Aus¬
schließung der Protestanten verweigert würde, war im bejahenden Falle schon
im Voraus die Opferwilligkeit erklärt. Der Klerus hatte dabei noch das be¬
sondere Interesse der Abwehr der neuerungssüchtigen Piemontesen. Man ent¬
schied sich mit 48 Stimmen gegen 1 sür die provisorische Aufrechthaltung der
Landesverthcidigungsordnung noch für das laufende Jahr, obickon der Un¬
wille und Zorn darüber in vielen Orten zu bedauerlichen Auftritten geführt
hatte.

Der k. k. Landeshauptmann rühmte am Schlüsse der Sitzungen der ehren-
werthen Versammlung nach, daß sie „zwei der wichtigsten Angelegenheiten,
deren Entscheidung allseits im Lande erwartet wurde, nach der reiflichster
örtcrung zum Abschluß gebracht." und der Erzherzog-Statthalter belobte den
wackeren, in der höheren Politik geschulten Dr. Haßlwanter bei der Audienz
der Abgeordneten in folgender Weise: „Ihr mannhaftes Wort, das Sie in
der Religionssrage gesprochen haben, hat Mich erfreut, und Ich danke Ihnen
dafür. Ihren Vortrag habe ich gelesen, er beruht auf tiefen Studien."

Der kaiserliche Prinz, dessen Obhut Tirol anvertraut, war also ganz ent¬
zückt sowol vom Geist, worin der Hofrath gesprochen, als auch von seiner
Deutung der Gesetzt. Daß der Erzherzog-Statthalter nach dem innersten
Zuge seines Herzens stets der Glaubenseinheit unbedingt zugethan, die Freund'
schaft des orthodoxen Klerus über Alles hochgeschätzt, und in diesem auch das


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[0344] Erklärung im „Tiroler Bodden" sollten sie auch „als bedeutsame Wahrzeichen ge¬ gen die Versuche fremder Einmcngerei in's religiöse Leben des Volkes" gelten. Der Rest der Verhandlungen des Landtags nach Entscheidung dieser Le¬ bensfrage verlief sich wie spurlos in den Sand. Die Wälschtiroler forderten Gewährung eines eigenen Landtags mit bloßer Entsendung von Abgeordneten aus seiner Mitte an den Innsbrucker zur Beschlußfassung in gewissen gemein¬ samen Angelegenheiten, wie jüngst einmal die Ungarn bezüglich ihrer Bethei¬ ligung am Reichsrath vorschlugen. Der Fürstbischof von Trient verglich die Tiroler beider Zungen mit zwei Nachtigallen, die in einen und denselben Käfig gesperrt sich die Federn ausreißen, abgesondert hingegen sich gegenseitig zum Singen herausforderten. Er gestand letztlich, daß ihm, wenn die Bitte abge¬ schlagen würde, vor-der Rückkehr „in die Mitte eines revolutionären Volkes" bange. Obschon sich Klerus und Bureaukratie vor dem verdächtigen Libera¬ lismus der Wälschtiroler hätten scheuen sollen, folgten die Schaafe doch auch- dermal dem Rufe der Hirten, man ging über ihren unzeitigen Antrag zur motivirten Tagesordnung über. Dem Zwang zur Landesvertheidigung, eigent¬ lich der Einreihung der waffenfähigen Männer vom 18. bis zum 45. Jahre in Schützencompagnien durch das Loos wie beim Militär, hatte man sich be- dingnißweise schon bei derProtestantenfragc unterworfen, denn durch die Drohung keine Schützen mehr zu stellen, wenn die Sanction des Gesetzes über die Aus¬ schließung der Protestanten verweigert würde, war im bejahenden Falle schon im Voraus die Opferwilligkeit erklärt. Der Klerus hatte dabei noch das be¬ sondere Interesse der Abwehr der neuerungssüchtigen Piemontesen. Man ent¬ schied sich mit 48 Stimmen gegen 1 sür die provisorische Aufrechthaltung der Landesverthcidigungsordnung noch für das laufende Jahr, obickon der Un¬ wille und Zorn darüber in vielen Orten zu bedauerlichen Auftritten geführt hatte. Der k. k. Landeshauptmann rühmte am Schlüsse der Sitzungen der ehren- werthen Versammlung nach, daß sie „zwei der wichtigsten Angelegenheiten, deren Entscheidung allseits im Lande erwartet wurde, nach der reiflichster örtcrung zum Abschluß gebracht." und der Erzherzog-Statthalter belobte den wackeren, in der höheren Politik geschulten Dr. Haßlwanter bei der Audienz der Abgeordneten in folgender Weise: „Ihr mannhaftes Wort, das Sie in der Religionssrage gesprochen haben, hat Mich erfreut, und Ich danke Ihnen dafür. Ihren Vortrag habe ich gelesen, er beruht auf tiefen Studien." Der kaiserliche Prinz, dessen Obhut Tirol anvertraut, war also ganz ent¬ zückt sowol vom Geist, worin der Hofrath gesprochen, als auch von seiner Deutung der Gesetzt. Daß der Erzherzog-Statthalter nach dem innersten Zuge seines Herzens stets der Glaubenseinheit unbedingt zugethan, die Freund' schaft des orthodoxen Klerus über Alles hochgeschätzt, und in diesem auch das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/344>, abgerufen am 02.07.2024.