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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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nur wegen der Gefahr, die jedes schiefe Wort in so heikeliger Frage bringen
konnte, und begann zu erzählen, daß er nicht nur aus einer katholischen, son¬
dern auch aus einer frommen Familie stamme, seiner Mutter Wahlspruch sei
gewesen: "Bete und arbeite", das für die katholische Religion gedeihliche Wir¬
ken seines Vaters, der eine große Stiftung zu frommen Zwecken errichtet, lebe
noch im Andenken Vieler, er selber sei von katholischen Priestern erzogen und
zähle zwei derselben zu seinen Vertrauten und Freunden. Auch habe er, ehe
er diese Zeilen geschrieben, den Himmel gebeten, ihn ja vor den Pfaden des
Irrthums zu bewahren. Trost alledem müsse er die eingeschlagenen Wege
beklagen, namentlich die von einigen Notabilitäten versuchte Verwechslung der
religiösen Frage mit weltlichen Dingen, den blinden Feuereifer der Kanzelred¬
ner, welche die gebildeten Klassen beim gemeinen Manne verdächtigten, endlich
die aufregende Sprache der Landesblätter, "die. von Parteisucht gespornt, aus
Drohungen ein Gewerbe, aus Haß und Zwietracht die Saat ihrer traurigen
Ernte machen." Nicht Aufgabe der Abgeordneten sei es, "den Wünschen ihrer
Wähler vor dem Areopag des Landes Ausdruck zu geben," sondern die Pflich¬
ten des Landes dem großen Gesammtstaate gegenüber zu erwägen, "nickt blind¬
lings einzugreifen in die Geschicke unseres großen Vaterlandes," -- "Oestreich
dürfe in seiner gegenwärtigen Lage die Sympathien unserer deutschen Brüder
nicht verscherzen," man solle der Negierung im gegenwärtigen Augenblicke keine
neuen Schwierigkeiten bereiten. Die "Opportunitätsfrage" in dieser Angele¬
genheit sei dem weisen Ermessen des Kaisers anheim zu stellen. Wir wissen
nicht, ob der Redner den Aufschub im Ernste anstrebte, oder bei sich dachte:
Zeit gewonnen, alles gewonnen! Er kam auf diesen, Wege zum Antrag: "Un¬
beschadet der in Tirol herrschenden deutscheu Sympathieen die Erhaltung der
katholischen Glaubcnseinheit als Wunsch des Landes zu erklären, und an den
Kaiser die Bitte zu stellen, im Vereine mit dem Reichsrath diesem Wunsche
Erfüllung zu gewähren, sobald das Wohl des Kaiserstaates es gestattet." Wer
in aller Welt dächte daran, daß ein freier Mann diese Worte über seine Lippen
gleiten ließe? Und dennoch, unseren Liberalen gefiel der Ausweg so sehr, daß
su sich dem Antrag anschlössen, v. Putzer selbst fand es aber nicht einmal
gerathen sich an der Abstimmung zu betheiligen, und so kam es denn, daß
gegen den fürsthischöslichen Protest betreffs der öffentlichen Religionsübung der
Protestanten und ihrer Bildung von Gemeinden nur drei, gegen ihre bloß dis¬
pensweise Befähigung zu Güteraukäusen 9 Stimmen unter 49 sich erhoben.
Die Partei, die früher mit den Fäusten gedroht und von blutigem Kampf
gesprochen, feierte nach dem Schluß des Landtags diesen Sieg durch Aussekung
des hochwürdigen Gutes (des Sacramentes) "zum Danke für dies Licht von
oben und Freudenfeuer auf den Gebirgen, deren Bedeutung die Verschworenen,
^e sie insgemein veranstalteten, erst nach der Hand kund gaben. Nach einer


nur wegen der Gefahr, die jedes schiefe Wort in so heikeliger Frage bringen
konnte, und begann zu erzählen, daß er nicht nur aus einer katholischen, son¬
dern auch aus einer frommen Familie stamme, seiner Mutter Wahlspruch sei
gewesen: „Bete und arbeite", das für die katholische Religion gedeihliche Wir¬
ken seines Vaters, der eine große Stiftung zu frommen Zwecken errichtet, lebe
noch im Andenken Vieler, er selber sei von katholischen Priestern erzogen und
zähle zwei derselben zu seinen Vertrauten und Freunden. Auch habe er, ehe
er diese Zeilen geschrieben, den Himmel gebeten, ihn ja vor den Pfaden des
Irrthums zu bewahren. Trost alledem müsse er die eingeschlagenen Wege
beklagen, namentlich die von einigen Notabilitäten versuchte Verwechslung der
religiösen Frage mit weltlichen Dingen, den blinden Feuereifer der Kanzelred¬
ner, welche die gebildeten Klassen beim gemeinen Manne verdächtigten, endlich
die aufregende Sprache der Landesblätter, „die. von Parteisucht gespornt, aus
Drohungen ein Gewerbe, aus Haß und Zwietracht die Saat ihrer traurigen
Ernte machen." Nicht Aufgabe der Abgeordneten sei es, „den Wünschen ihrer
Wähler vor dem Areopag des Landes Ausdruck zu geben," sondern die Pflich¬
ten des Landes dem großen Gesammtstaate gegenüber zu erwägen, „nickt blind¬
lings einzugreifen in die Geschicke unseres großen Vaterlandes," — „Oestreich
dürfe in seiner gegenwärtigen Lage die Sympathien unserer deutschen Brüder
nicht verscherzen," man solle der Negierung im gegenwärtigen Augenblicke keine
neuen Schwierigkeiten bereiten. Die „Opportunitätsfrage" in dieser Angele¬
genheit sei dem weisen Ermessen des Kaisers anheim zu stellen. Wir wissen
nicht, ob der Redner den Aufschub im Ernste anstrebte, oder bei sich dachte:
Zeit gewonnen, alles gewonnen! Er kam auf diesen, Wege zum Antrag: „Un¬
beschadet der in Tirol herrschenden deutscheu Sympathieen die Erhaltung der
katholischen Glaubcnseinheit als Wunsch des Landes zu erklären, und an den
Kaiser die Bitte zu stellen, im Vereine mit dem Reichsrath diesem Wunsche
Erfüllung zu gewähren, sobald das Wohl des Kaiserstaates es gestattet." Wer
in aller Welt dächte daran, daß ein freier Mann diese Worte über seine Lippen
gleiten ließe? Und dennoch, unseren Liberalen gefiel der Ausweg so sehr, daß
su sich dem Antrag anschlössen, v. Putzer selbst fand es aber nicht einmal
gerathen sich an der Abstimmung zu betheiligen, und so kam es denn, daß
gegen den fürsthischöslichen Protest betreffs der öffentlichen Religionsübung der
Protestanten und ihrer Bildung von Gemeinden nur drei, gegen ihre bloß dis¬
pensweise Befähigung zu Güteraukäusen 9 Stimmen unter 49 sich erhoben.
Die Partei, die früher mit den Fäusten gedroht und von blutigem Kampf
gesprochen, feierte nach dem Schluß des Landtags diesen Sieg durch Aussekung
des hochwürdigen Gutes (des Sacramentes) "zum Danke für dies Licht von
oben und Freudenfeuer auf den Gebirgen, deren Bedeutung die Verschworenen,
^e sie insgemein veranstalteten, erst nach der Hand kund gaben. Nach einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/343>, abgerufen am 22.07.2024.