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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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"wir werden morgen arbeiten, aber ich bin überzeugt, daß wir bis morgen
Abends kein Endresultat haben werden. Ueberladen Sie uns nicht, und schenk
ken Sie uns noch einen Tag!" Und siehe da. der heidenfeindliche Nachfolger
des h. Cassian auf dem Bischofstuhle zu Brixen begann im Geiste voraus¬
zusehen, daß "diese Verhandlung eine bedeutende Beruhigung in die aufge¬
regte Stimmung bringen werde", und gewährte einen Tag Aufschub.

Dr. Haßlwanter berichtete wie weiland Eumäos, der männerbeherrschende
Sauhirt. "r^txi'eos (ganz nach der Wahrheit.) Es hielt allerdings schwer
mit allen Bundes- und Staatsgesetzen aufzuräumen, die für die Gleichberech¬
tigung der Protestanten auch in Tirol sprechen. Erstere, die deutsche Bundes¬
acte nämlich und die späteren Beschlüsse der Bundesversammlung, wurden
mit echt östreichischer Loyalität beseitigt. Der Artikel VII der ersteren, be¬
hauptete der k. k. Hofrath, habe jedem deutschen Staat die freie Verfügung
vorbehalten, wo es auf Mra, singulorum oder Religionsangelegenheiten an¬
komme, desgleichen sei im 34. Sitzungsprotokoll vom 12. Juni 1817 die
volle Souvemnetät der einzelnen Bundesstaaten gewährt und jede Einmischung
der Bundesversammlung in die inneren administrativen Verhältnisse außerhalb
der Grenzen ihrer Competenz erklärt worden. Daraus folge sonnenklar, daß
Oestreich an die Gesetze der deutschen Bundesacte nicht gebunden, und "die
Anwendung der allgemeinen Anordnungen (der Art. 16, 18 und 19) auf die
einzelnen Fälle der Regierung allein überlassen bleibe." Niemand werde eine
Publication der deutschen Bundesacte in den östreichischen Gesetzsammlungen
finden, selbst der Art. 18 litt, a.., auf Grund dessen, das auch in Tirol ver¬
öffentlichte Hofkanzleidecrct vom 14. April 1825 den Erwerb von Grundeigen¬
thum in Oestreich allen Unterthanen der deutschen Bundesstaaten "ohne alle
Erschwerung" zu gestatten befiehlt, sei hierdurch keineswegs kundgemacht worden.
Ueber die einheimischen Gesetze kam er eben so leicht weg; sie galten für den
ganzen Kaiserstaat, Tirol ausgenommen. Das kaiserliche Patent vom 31. Dec.
1851 habe die früheren Grundrechte aufgehoben, und erklärt, selbe durch
eigene Gesetze zu regeln; der hierbei den gesetzlich anerkannten Kirchen be¬
treffs des Rechtes der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung neuerdings
zugesicherte Schutz wurde absichtlich verschwiegen. Solche "eigene Gesetze"
enthielten für die Jsraeliten der Erlaß vom 2. October 1853, für die Pro¬
testanten aber, die den Consistorien in Wien unterstehen, die a. h. Entschlie¬
ßung vom 1. Sept. 1859, gleich darauf habe auch rücksichtlich der Ansässig-
machung von Nlchtkatholiken in Tirol das (schon oben angeführte) Handbillet
vom 7. Sept. 1859 dasjenige eingeleitet, was anerkannten Bedürfnissen ent¬
spreche. Durch dieses Rescript werde die Competenz des Landtags nicht nur
wegen der darin ausdrücklich erwähnten "Ansüssigmachung" sondern in allen
Punkten des fürstbischöflichen Antrags, also auch wegen ihrer freien Religions-


„wir werden morgen arbeiten, aber ich bin überzeugt, daß wir bis morgen
Abends kein Endresultat haben werden. Ueberladen Sie uns nicht, und schenk
ken Sie uns noch einen Tag!" Und siehe da. der heidenfeindliche Nachfolger
des h. Cassian auf dem Bischofstuhle zu Brixen begann im Geiste voraus¬
zusehen, daß „diese Verhandlung eine bedeutende Beruhigung in die aufge¬
regte Stimmung bringen werde", und gewährte einen Tag Aufschub.

Dr. Haßlwanter berichtete wie weiland Eumäos, der männerbeherrschende
Sauhirt. «r^txi'eos (ganz nach der Wahrheit.) Es hielt allerdings schwer
mit allen Bundes- und Staatsgesetzen aufzuräumen, die für die Gleichberech¬
tigung der Protestanten auch in Tirol sprechen. Erstere, die deutsche Bundes¬
acte nämlich und die späteren Beschlüsse der Bundesversammlung, wurden
mit echt östreichischer Loyalität beseitigt. Der Artikel VII der ersteren, be¬
hauptete der k. k. Hofrath, habe jedem deutschen Staat die freie Verfügung
vorbehalten, wo es auf Mra, singulorum oder Religionsangelegenheiten an¬
komme, desgleichen sei im 34. Sitzungsprotokoll vom 12. Juni 1817 die
volle Souvemnetät der einzelnen Bundesstaaten gewährt und jede Einmischung
der Bundesversammlung in die inneren administrativen Verhältnisse außerhalb
der Grenzen ihrer Competenz erklärt worden. Daraus folge sonnenklar, daß
Oestreich an die Gesetze der deutschen Bundesacte nicht gebunden, und „die
Anwendung der allgemeinen Anordnungen (der Art. 16, 18 und 19) auf die
einzelnen Fälle der Regierung allein überlassen bleibe." Niemand werde eine
Publication der deutschen Bundesacte in den östreichischen Gesetzsammlungen
finden, selbst der Art. 18 litt, a.., auf Grund dessen, das auch in Tirol ver¬
öffentlichte Hofkanzleidecrct vom 14. April 1825 den Erwerb von Grundeigen¬
thum in Oestreich allen Unterthanen der deutschen Bundesstaaten „ohne alle
Erschwerung" zu gestatten befiehlt, sei hierdurch keineswegs kundgemacht worden.
Ueber die einheimischen Gesetze kam er eben so leicht weg; sie galten für den
ganzen Kaiserstaat, Tirol ausgenommen. Das kaiserliche Patent vom 31. Dec.
1851 habe die früheren Grundrechte aufgehoben, und erklärt, selbe durch
eigene Gesetze zu regeln; der hierbei den gesetzlich anerkannten Kirchen be¬
treffs des Rechtes der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung neuerdings
zugesicherte Schutz wurde absichtlich verschwiegen. Solche „eigene Gesetze"
enthielten für die Jsraeliten der Erlaß vom 2. October 1853, für die Pro¬
testanten aber, die den Consistorien in Wien unterstehen, die a. h. Entschlie¬
ßung vom 1. Sept. 1859, gleich darauf habe auch rücksichtlich der Ansässig-
machung von Nlchtkatholiken in Tirol das (schon oben angeführte) Handbillet
vom 7. Sept. 1859 dasjenige eingeleitet, was anerkannten Bedürfnissen ent¬
spreche. Durch dieses Rescript werde die Competenz des Landtags nicht nur
wegen der darin ausdrücklich erwähnten „Ansüssigmachung" sondern in allen
Punkten des fürstbischöflichen Antrags, also auch wegen ihrer freien Religions-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/340>, abgerufen am 24.08.2024.