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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Übung in Tirol begründet, denn selbst die neue Landesordnung räume ihm
das Recht ein zu Gesetzvorschlägen in Kirchenangclegenheiten und den ihm
durch besondere Verfügungen zugewiesenen Gegenständen. Dem Reichsrath
stehe in dieser reinen Landcsangelegenheit keine Einsprache zu, die Beschlu߬
fassung darüber bedürfe einzig und allein der Sanction des Kaisers. Hierbei
wurde noch ausgeführt, daß das Octobcrdiplom und die Februarverfassung,
welche Gegenstände allgemeiner Gesetzgebung dem Reichsrathe vorbehalten,
die specielle Zuweisung der Protestantenfrage in Tirol an den Landtag zu
Innsbruck nicht aufgehoben haben. Auch das Protestantcngcsetz vom 8. April,
obschon ausdrücklich auch für Tirol erlassen, wurde einfach durch die Bemer¬
kung beseitigt, daß es "das Bestehen protestantischer Gemeinden voraussetze,
was in Tirol nicht der Fall sei." Das Alpha und Omega der ganzen Dia¬
lektik war also das Handlullet vom 7. Sept. 1859. ein Stück Diplomatie
der alten Schule, deren jesuitische Taktik man seit dem Betreten consiitutioneller
Bahnen völlig beseitigt glaubte. Der Redner schloß mit der unverholener
Mahnung an den Kaiser, daß er nur durch Gewährung der Bitten des
Landtags den gesunkenen Muth heben, und die Reihen der Schützen wieder
füllen werde, wie denn auch der für Tirol unvergeßliche Erzherzog Johann
in der gleichen Bedrängniß des Jahres 1848 zur Erkenntniß kam, daß im
unerschütterlichen Festhalten an der Religion der Väter "der geheime Zauber
liegt, der Fürst und Volk in diesem Lande mit so festen Banden aneinander
knüpft/'

Gleich nachher ergriff der Fürstbischof von Brixen das Wort. Als
simpler Professor hatte er am 2S. August 1848 im deutschen Parlament er¬
klärt: "Es füllt mir gar nicht ein, das Princip der Cultusfreiheit bestreiten
zu wollen. Ich sehe wol ein, daß das Princip der Glaubens- und Gewissens¬
freiheit eine politische Nothwendigkeit für Deutschland ist." Er bat damals
nur "daß bei Einführung dieses Gesetzes in Tirol den eigenthümlichen Ver¬
hältnissen dieses Landes schonende Rücksicht getragen werde." Auf den Zu¬
ruf mehrerer Stimmen "was dies heiße," erklärte er: "Wir verlangen nichts
Anderes, als nur dieses, daß einerseits dem Lande Zeit gegeben werde, sich
über seine neue Stellung zu orientiren, und andererseits, daß bei den eigen¬
thümlichen Verhältnissen dieses Landes doch auch einige Schonung stattfinden
möge." Seither war über ihn als Bischof eine bessere Erleuchtung gekommen.
Im geraden Widerspruche mit seiner Ansicht in der Paulskirche, wo er keinen
aufgereizten Pöbel, keine Bassermannschen Gestalten im schwarzen Talar auf
der Gallerte hinter sich hatte, stellte er jetzt folgenden Grundsatz auf: "die Tole¬
ranz Andersgläubiger in einem Lande ist nur dort zulässig, wo sie durch die Noth¬
wendigkeit gerechtfertigt ist," folgte dann die Ausführung, daß die ganze Geschichte
Tirols, seine Gefühle für die Dynastie Habsburgs. dessen Sprößlinge stets die


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Übung in Tirol begründet, denn selbst die neue Landesordnung räume ihm
das Recht ein zu Gesetzvorschlägen in Kirchenangclegenheiten und den ihm
durch besondere Verfügungen zugewiesenen Gegenständen. Dem Reichsrath
stehe in dieser reinen Landcsangelegenheit keine Einsprache zu, die Beschlu߬
fassung darüber bedürfe einzig und allein der Sanction des Kaisers. Hierbei
wurde noch ausgeführt, daß das Octobcrdiplom und die Februarverfassung,
welche Gegenstände allgemeiner Gesetzgebung dem Reichsrathe vorbehalten,
die specielle Zuweisung der Protestantenfrage in Tirol an den Landtag zu
Innsbruck nicht aufgehoben haben. Auch das Protestantcngcsetz vom 8. April,
obschon ausdrücklich auch für Tirol erlassen, wurde einfach durch die Bemer¬
kung beseitigt, daß es „das Bestehen protestantischer Gemeinden voraussetze,
was in Tirol nicht der Fall sei." Das Alpha und Omega der ganzen Dia¬
lektik war also das Handlullet vom 7. Sept. 1859. ein Stück Diplomatie
der alten Schule, deren jesuitische Taktik man seit dem Betreten consiitutioneller
Bahnen völlig beseitigt glaubte. Der Redner schloß mit der unverholener
Mahnung an den Kaiser, daß er nur durch Gewährung der Bitten des
Landtags den gesunkenen Muth heben, und die Reihen der Schützen wieder
füllen werde, wie denn auch der für Tirol unvergeßliche Erzherzog Johann
in der gleichen Bedrängniß des Jahres 1848 zur Erkenntniß kam, daß im
unerschütterlichen Festhalten an der Religion der Väter „der geheime Zauber
liegt, der Fürst und Volk in diesem Lande mit so festen Banden aneinander
knüpft/'

Gleich nachher ergriff der Fürstbischof von Brixen das Wort. Als
simpler Professor hatte er am 2S. August 1848 im deutschen Parlament er¬
klärt: „Es füllt mir gar nicht ein, das Princip der Cultusfreiheit bestreiten
zu wollen. Ich sehe wol ein, daß das Princip der Glaubens- und Gewissens¬
freiheit eine politische Nothwendigkeit für Deutschland ist." Er bat damals
nur „daß bei Einführung dieses Gesetzes in Tirol den eigenthümlichen Ver¬
hältnissen dieses Landes schonende Rücksicht getragen werde." Auf den Zu¬
ruf mehrerer Stimmen „was dies heiße," erklärte er: „Wir verlangen nichts
Anderes, als nur dieses, daß einerseits dem Lande Zeit gegeben werde, sich
über seine neue Stellung zu orientiren, und andererseits, daß bei den eigen¬
thümlichen Verhältnissen dieses Landes doch auch einige Schonung stattfinden
möge." Seither war über ihn als Bischof eine bessere Erleuchtung gekommen.
Im geraden Widerspruche mit seiner Ansicht in der Paulskirche, wo er keinen
aufgereizten Pöbel, keine Bassermannschen Gestalten im schwarzen Talar auf
der Gallerte hinter sich hatte, stellte er jetzt folgenden Grundsatz auf: „die Tole¬
ranz Andersgläubiger in einem Lande ist nur dort zulässig, wo sie durch die Noth¬
wendigkeit gerechtfertigt ist," folgte dann die Ausführung, daß die ganze Geschichte
Tirols, seine Gefühle für die Dynastie Habsburgs. dessen Sprößlinge stets die


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[0341] Übung in Tirol begründet, denn selbst die neue Landesordnung räume ihm das Recht ein zu Gesetzvorschlägen in Kirchenangclegenheiten und den ihm durch besondere Verfügungen zugewiesenen Gegenständen. Dem Reichsrath stehe in dieser reinen Landcsangelegenheit keine Einsprache zu, die Beschlu߬ fassung darüber bedürfe einzig und allein der Sanction des Kaisers. Hierbei wurde noch ausgeführt, daß das Octobcrdiplom und die Februarverfassung, welche Gegenstände allgemeiner Gesetzgebung dem Reichsrathe vorbehalten, die specielle Zuweisung der Protestantenfrage in Tirol an den Landtag zu Innsbruck nicht aufgehoben haben. Auch das Protestantcngcsetz vom 8. April, obschon ausdrücklich auch für Tirol erlassen, wurde einfach durch die Bemer¬ kung beseitigt, daß es „das Bestehen protestantischer Gemeinden voraussetze, was in Tirol nicht der Fall sei." Das Alpha und Omega der ganzen Dia¬ lektik war also das Handlullet vom 7. Sept. 1859. ein Stück Diplomatie der alten Schule, deren jesuitische Taktik man seit dem Betreten consiitutioneller Bahnen völlig beseitigt glaubte. Der Redner schloß mit der unverholener Mahnung an den Kaiser, daß er nur durch Gewährung der Bitten des Landtags den gesunkenen Muth heben, und die Reihen der Schützen wieder füllen werde, wie denn auch der für Tirol unvergeßliche Erzherzog Johann in der gleichen Bedrängniß des Jahres 1848 zur Erkenntniß kam, daß im unerschütterlichen Festhalten an der Religion der Väter „der geheime Zauber liegt, der Fürst und Volk in diesem Lande mit so festen Banden aneinander knüpft/' Gleich nachher ergriff der Fürstbischof von Brixen das Wort. Als simpler Professor hatte er am 2S. August 1848 im deutschen Parlament er¬ klärt: „Es füllt mir gar nicht ein, das Princip der Cultusfreiheit bestreiten zu wollen. Ich sehe wol ein, daß das Princip der Glaubens- und Gewissens¬ freiheit eine politische Nothwendigkeit für Deutschland ist." Er bat damals nur „daß bei Einführung dieses Gesetzes in Tirol den eigenthümlichen Ver¬ hältnissen dieses Landes schonende Rücksicht getragen werde." Auf den Zu¬ ruf mehrerer Stimmen „was dies heiße," erklärte er: „Wir verlangen nichts Anderes, als nur dieses, daß einerseits dem Lande Zeit gegeben werde, sich über seine neue Stellung zu orientiren, und andererseits, daß bei den eigen¬ thümlichen Verhältnissen dieses Landes doch auch einige Schonung stattfinden möge." Seither war über ihn als Bischof eine bessere Erleuchtung gekommen. Im geraden Widerspruche mit seiner Ansicht in der Paulskirche, wo er keinen aufgereizten Pöbel, keine Bassermannschen Gestalten im schwarzen Talar auf der Gallerte hinter sich hatte, stellte er jetzt folgenden Grundsatz auf: „die Tole¬ ranz Andersgläubiger in einem Lande ist nur dort zulässig, wo sie durch die Noth¬ wendigkeit gerechtfertigt ist," folgte dann die Ausführung, daß die ganze Geschichte Tirols, seine Gefühle für die Dynastie Habsburgs. dessen Sprößlinge stets die 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/341>, abgerufen am 24.08.2024.