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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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So regte ganz im Geiste der schon zur ewigen Ruhe ^eingegangenen Polterer
von ehemals, die ihre eigenen Landeskinder aus dem Zillerthale des drohen¬
den Schisma halber verbannten, auch der vom Erzherzog-Statthalter im Som¬
mer 1359 ernannte verstärkte ständische Ausschuß, bloß weil aus Laune oder
Zufall ein paar Protestanten sich im Etschlande angekauft, den gesetzlichen
Schutz gegen die Ansäßigmachung des Protestanten als dringendstes Anliegen
der Tiroler an. Der Erzherzog-Statthalter und die Camarilla in Wien unter¬
stützten eine ebenso wohlfeile als alterprobte Gunstertheilung, und der Kaiser,
der damals noch keinen gesetzgebenden Landtag einzurichten beschlossen hatte, er¬
ließ sofort am 7. September 1859 ein Rescript des Inhalts: "daß diese von
allen Seiten reiflicher Erwägung bedürftige Frage seiner Zeit dem dortigen Land¬
tage vorbehalten werde." Es war dies eben ein Hofbescheid, dergleichen der
Hochselige Kaiser Franz der Erste unendlich viele und gerne ertheilte. Erwägen,
berathen, bitten, alles dies war dem tiroler Landtag schon nach der ständischen
Verfassung vom Jahre 1316 gestattet, die Beschlußfassung, Gewährung oder
Versagung der allerunterthänigster Suppliken blieb jederzeit der Gnade Sr.
Majestät vorbehalten. Dessenohngeachtet lag darin ein Wink, daß man eine
solche Bitte höchsten Orts nicht ungnädig ausnehmen werde. Als nun wäh¬
rend der Verhandlungen des östreichischen Reichsrathes im Jahre 1860 dre
Wiederbelebung jener abgestorbenen historischen Institute immer wahrscheinlicher
wurde, gab der Erzherzogstatthalter gerade im Augenblicke, als er zum Feste
der Eiscnbahneröffuung von Salzburg nach München, der symbolischen Feier
deutscher Verbrüderung, abreiste, einem der verbissensten Ultramontanen am
innsbrucker Gymnasium, dem Religionslehrer I. Greuter, den Auftrag in
einer Denkschrift für den künftigen Landtag alle Gründe zusammenzustellen,
die gegen die Ansäßigmachung der Protestanten in Tirol sprächen. Wer je
daran gezweifelt, daß der Erzherzog, der gnädige Gönner und Freund des
Fürstbischofs von Brixen, sür den Klerus Partei nehme, wurde durch diesen
sprechenden Beweis völlig beschämt.

Bei diesen krebsartigen Zeichen am östlichen Himmel erregte auch das
Octoberdiplom in Tirol weder Hoffnung noch neue Furcht. Für erstere war
man zu mißtrauisch, letztere ließ die Macht, die an den Thüren des Cabinets
Wache hielt, trotz der versprochenen Mitwirkung der Landes- und Rcichsvertre-
tung an der Gesetzgebung und der neuerdings erwähnten Bürgschaft freier
Religionsübung bei keinem Jünger der alten Schule auftauchen. Der städtische
Ausrufer befahl den Bürgern Innsbrucks am 24. October Abends ihre Häuser
zu beleuchten, und pünktlicher Gehorsam war von je eine ihrer liebenswür¬
digsten Tugenden. Die Liedertafel brachte dem Erzherzog-Statthalter ein Ständ¬
chen, er hingegen rühmte im "tiroler Bodden" die "allerhöchsten Gnadenacte".
Weniger apathisch ließ sich die Stadt am Jnn beim Erscheinen des ^andessw-


So regte ganz im Geiste der schon zur ewigen Ruhe ^eingegangenen Polterer
von ehemals, die ihre eigenen Landeskinder aus dem Zillerthale des drohen¬
den Schisma halber verbannten, auch der vom Erzherzog-Statthalter im Som¬
mer 1359 ernannte verstärkte ständische Ausschuß, bloß weil aus Laune oder
Zufall ein paar Protestanten sich im Etschlande angekauft, den gesetzlichen
Schutz gegen die Ansäßigmachung des Protestanten als dringendstes Anliegen
der Tiroler an. Der Erzherzog-Statthalter und die Camarilla in Wien unter¬
stützten eine ebenso wohlfeile als alterprobte Gunstertheilung, und der Kaiser,
der damals noch keinen gesetzgebenden Landtag einzurichten beschlossen hatte, er¬
ließ sofort am 7. September 1859 ein Rescript des Inhalts: „daß diese von
allen Seiten reiflicher Erwägung bedürftige Frage seiner Zeit dem dortigen Land¬
tage vorbehalten werde." Es war dies eben ein Hofbescheid, dergleichen der
Hochselige Kaiser Franz der Erste unendlich viele und gerne ertheilte. Erwägen,
berathen, bitten, alles dies war dem tiroler Landtag schon nach der ständischen
Verfassung vom Jahre 1316 gestattet, die Beschlußfassung, Gewährung oder
Versagung der allerunterthänigster Suppliken blieb jederzeit der Gnade Sr.
Majestät vorbehalten. Dessenohngeachtet lag darin ein Wink, daß man eine
solche Bitte höchsten Orts nicht ungnädig ausnehmen werde. Als nun wäh¬
rend der Verhandlungen des östreichischen Reichsrathes im Jahre 1860 dre
Wiederbelebung jener abgestorbenen historischen Institute immer wahrscheinlicher
wurde, gab der Erzherzogstatthalter gerade im Augenblicke, als er zum Feste
der Eiscnbahneröffuung von Salzburg nach München, der symbolischen Feier
deutscher Verbrüderung, abreiste, einem der verbissensten Ultramontanen am
innsbrucker Gymnasium, dem Religionslehrer I. Greuter, den Auftrag in
einer Denkschrift für den künftigen Landtag alle Gründe zusammenzustellen,
die gegen die Ansäßigmachung der Protestanten in Tirol sprächen. Wer je
daran gezweifelt, daß der Erzherzog, der gnädige Gönner und Freund des
Fürstbischofs von Brixen, sür den Klerus Partei nehme, wurde durch diesen
sprechenden Beweis völlig beschämt.

Bei diesen krebsartigen Zeichen am östlichen Himmel erregte auch das
Octoberdiplom in Tirol weder Hoffnung noch neue Furcht. Für erstere war
man zu mißtrauisch, letztere ließ die Macht, die an den Thüren des Cabinets
Wache hielt, trotz der versprochenen Mitwirkung der Landes- und Rcichsvertre-
tung an der Gesetzgebung und der neuerdings erwähnten Bürgschaft freier
Religionsübung bei keinem Jünger der alten Schule auftauchen. Der städtische
Ausrufer befahl den Bürgern Innsbrucks am 24. October Abends ihre Häuser
zu beleuchten, und pünktlicher Gehorsam war von je eine ihrer liebenswür¬
digsten Tugenden. Die Liedertafel brachte dem Erzherzog-Statthalter ein Ständ¬
chen, er hingegen rühmte im „tiroler Bodden" die „allerhöchsten Gnadenacte".
Weniger apathisch ließ sich die Stadt am Jnn beim Erscheinen des ^andessw-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/334>, abgerufen am 01.07.2024.