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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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choreten der Wüste, und baten für Tirol nur noch um kurze Schonung der
alten Sitte des ungesäuerten Brodes, in Wien und Kremfier sorgten sie für
einige "Krösus an Amendements" Wider gefährliche Neuerungen, daheim
endlich im alten Ständesaal ließen sie durch ihre Satelliten die Grundnblösung
und Reichsnnhcit bekämpfen, wovon die erste den Tisch, die zweite den Heer¬
bann der lieben Geistlichen zu beeinträchtigen schien. Dreizehn Jahre waren
seither vorbeigeschlichen, sast schien es, als ob das Bach'sche Regiment einen
Stachel in den Gemüthern zurückgelassen, der sich nun gegen seine Günstlinge
zu kehren drohte, eigentlich waren es aber nur die Bürger der größeren Städte,
die sich durch den Hohn der "freien" Gemeinde, den Druck, der auf dem Auf¬
schwung jedes männlichen Gedankens in Wort und Schrift lastete, die Geld¬
erpressungen und das pflichtschuldige Küssen der Ruthe verletzt fanden, sie al¬
lein verstanden zwischen den Zeilen der großen Zeitungen zu lesen, während
die kleinen Schmutzblätter des Klerus, seine Pfennigpresse, in den Stuben des
Bauern dem Concordat wöchentlich ein Hosianna sangen. Der Bauer ver¬
harrte meist auf dem alten Standpunkte, nur die Abneigung, das Mißtrauen,
der Trotz gegen die "Herren", worunter sie namentlich auch die Negierung
verstanden, hatte zugenommen in Folge der erhöheten Steuern, Abgaben und
Zwackercien der niedrigsten Art. Lieber hatten sie zwar seit der Grund¬
nblösung, wo der Eigennutz des Klerus seine schwache Seite bloßlegte, diesen
nicht gewonnen, allein freier, selbständiger, strebsamer war der Besitzer durch
die Entlastung seines Bodens auch nicht geworden. Er mußte diese Wohlthat
zehnfach bezahlen, das Geld schwand in seiner Tasche, und in eben dem Maaße
stiegen die Preise der Bedürfnisse; was blieb da dem armen Mann an der
Pflugschar übrig, als der salbungsvolle Trost eines besseren Jenseits? An den
Verlust der überirdischen Güter wissen die frommen Männer in Talar und
Kutte immer geschickt anzuknüpfen. Der tirolische Bauer ist so gut belehrt
über alle Qualen der Hölle und des Fegfeuers, daß die leiseste Gefahr ihnen
anheim zu fallen elektrisch auf seine Nerven wirkt. Nach dem Schulunterricht,
der sonntäglichen Christenlehre und den Predigten ist die Welt voll von bö¬
sen Menschen, die nur tückisch darauf lauern, ihm sein höchstes und einziges
Gut, die ewige, Seligkeit, zu entreißen; zu den ärgsten davon zählen die Pro¬
testanten, die weder an die Gottesmutter noch an Gott selbst glauben, ja im
Grunde nur schlechte Heiden und Götzenanbeter sind. Durch dies Gespenst
ist das Mittel gefunden, den gemeinen Mann in Tirol nach Belieben wann
und gegen wen immer aufzuhetzen, und seinen Zorn zu hellen Flammen zu
steigern. Der Klerus hält es von Zeit zu Zeit für zweckdienlich, diese Kohlen
anzublasen, wäre es auch nur darum, mißliebige Personen seine ungeschwächte
Macht fühlen.zu lassen. Ohne daß man es sich versieht, öffnet sich die Erde,
und der alte Knabe läßt sich wieder Treue schwören vom neuen Geschlecht.


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choreten der Wüste, und baten für Tirol nur noch um kurze Schonung der
alten Sitte des ungesäuerten Brodes, in Wien und Kremfier sorgten sie für
einige „Krösus an Amendements" Wider gefährliche Neuerungen, daheim
endlich im alten Ständesaal ließen sie durch ihre Satelliten die Grundnblösung
und Reichsnnhcit bekämpfen, wovon die erste den Tisch, die zweite den Heer¬
bann der lieben Geistlichen zu beeinträchtigen schien. Dreizehn Jahre waren
seither vorbeigeschlichen, sast schien es, als ob das Bach'sche Regiment einen
Stachel in den Gemüthern zurückgelassen, der sich nun gegen seine Günstlinge
zu kehren drohte, eigentlich waren es aber nur die Bürger der größeren Städte,
die sich durch den Hohn der „freien" Gemeinde, den Druck, der auf dem Auf¬
schwung jedes männlichen Gedankens in Wort und Schrift lastete, die Geld¬
erpressungen und das pflichtschuldige Küssen der Ruthe verletzt fanden, sie al¬
lein verstanden zwischen den Zeilen der großen Zeitungen zu lesen, während
die kleinen Schmutzblätter des Klerus, seine Pfennigpresse, in den Stuben des
Bauern dem Concordat wöchentlich ein Hosianna sangen. Der Bauer ver¬
harrte meist auf dem alten Standpunkte, nur die Abneigung, das Mißtrauen,
der Trotz gegen die „Herren", worunter sie namentlich auch die Negierung
verstanden, hatte zugenommen in Folge der erhöheten Steuern, Abgaben und
Zwackercien der niedrigsten Art. Lieber hatten sie zwar seit der Grund¬
nblösung, wo der Eigennutz des Klerus seine schwache Seite bloßlegte, diesen
nicht gewonnen, allein freier, selbständiger, strebsamer war der Besitzer durch
die Entlastung seines Bodens auch nicht geworden. Er mußte diese Wohlthat
zehnfach bezahlen, das Geld schwand in seiner Tasche, und in eben dem Maaße
stiegen die Preise der Bedürfnisse; was blieb da dem armen Mann an der
Pflugschar übrig, als der salbungsvolle Trost eines besseren Jenseits? An den
Verlust der überirdischen Güter wissen die frommen Männer in Talar und
Kutte immer geschickt anzuknüpfen. Der tirolische Bauer ist so gut belehrt
über alle Qualen der Hölle und des Fegfeuers, daß die leiseste Gefahr ihnen
anheim zu fallen elektrisch auf seine Nerven wirkt. Nach dem Schulunterricht,
der sonntäglichen Christenlehre und den Predigten ist die Welt voll von bö¬
sen Menschen, die nur tückisch darauf lauern, ihm sein höchstes und einziges
Gut, die ewige, Seligkeit, zu entreißen; zu den ärgsten davon zählen die Pro¬
testanten, die weder an die Gottesmutter noch an Gott selbst glauben, ja im
Grunde nur schlechte Heiden und Götzenanbeter sind. Durch dies Gespenst
ist das Mittel gefunden, den gemeinen Mann in Tirol nach Belieben wann
und gegen wen immer aufzuhetzen, und seinen Zorn zu hellen Flammen zu
steigern. Der Klerus hält es von Zeit zu Zeit für zweckdienlich, diese Kohlen
anzublasen, wäre es auch nur darum, mißliebige Personen seine ungeschwächte
Macht fühlen.zu lassen. Ohne daß man es sich versieht, öffnet sich die Erde,
und der alte Knabe läßt sich wieder Treue schwören vom neuen Geschlecht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/333>, abgerufen am 29.06.2024.