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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ich vorher und nachher kennen lernte, als aus der Nation ausgeschieden be¬
trachtet wurden.

Eine rasche Bewegung meines französischen Freundes, die mich veran¬
laßte, auch auszustehen, machte dem Geschwätz ein Ende, Das Schiffsfern-
rvhr ging aus einer Hand in die andere, man betrachtete die Festungswerke
von Gaeta. Mein Franzose halte aber etwas Anderes bemerkt, nämlich
einen schwarzen Punkt auf dem Wasser weiter hünd. Er verlangte das Rohr.
"Richtig," rief er aus, "das ist ein Dampfer, und zwar ein Kriegsdampfer,
jetzt hetzt er ein," setzte er nach einer Weile hinzu. Der Capitain forderte
mit einer ungeduldigen Bewegung das Fernrohr.

Die Kriegsschiffe haben mit den Priestern einige Aehnlichkeit, sie sind alle
schwarz und tragen weiße Klappen, und häufig lernt man bei beiden die
Flagge zu seinem Schaden zu spät kennen. Das Fernrohr ruhte gesenkt in
der Hand des Commandeurs, mechanisch fiel sein Blick auf die Freiwillige",
schwebte einen Augenblick über das Meer und verweilte dann etwas länger
auf dem Steucrrade. Er schien sich zu besinnen, ob er das Weite suche"
tollte. Noch ein Mal führte er das Rohr an das Auge, dann dasselbe seinem
Nachbar übergebend, sagte er abgebrochen: "er setzt sich schon in Bewegung,"
"um Jagd auf uns zu machen," dachte er wol.

Leider hatte ich meine Lieblingsbeschäftigung auf der See, den Cours
des Schiffes bei dem Compaßhäuschen zu controliren, vernachlässigt, ich weiß
also nicht, ob meine Vermuthung richtig war, daß der Vordersteven in etwas
die Richtung nach der Meerenge von Gibraltar genommen habe. Genug, das
Kriegsschiff wollte uns ohne Zweifel den Weg abschneiden, und unter den
Passagieren war durüber ziemlich viel Unruhe zu bemerken. Verschiedene rothe
Hemden wurden, so gut es sich thun ließ, unter Pferdedecken und anderen Hüllen
versteckt; nur der Toscancr fand es nicht der Mühe werth, deswegen seine
Erzählung von der Landung bei Marsala abzubrechen. Der junge Amerikaner
hörte den Revolver in der Hand zu. Ein Blitz und der Donner eines Ka¬
nonenschusses lockte alle Passagiere, blasse Damen und Seekraute Männer auf's
Verdeck. Der Capitain ertheilt den Befehl, sich nicht nach Backbord zu drän¬
gen, sondern nach Steuerbord hcrüberzugehen. Im selben Nu flattert die
sardinische Flagge auf der Mastspitze und die Schnelligkeit der Fahrt wird
vermindert. Das Kriegsschiff hat die Flagge gegrüßt, und man streitet sich
nur noch, ob das Grüne darin blau ist. Alle überzeugen sich endlich, daß es
wirklich Grün und daß der Dampfer ein Sardinier ist. Jede Befürchtung
der rothen Hemden ist damit verschwunden.

Das Schiff ließ durch einen Offizier Depeschen nach Neapel abgehen.

Die italienischen Farben der Flagge wurden mit Vivat empfangen, des¬
gleichen von Seiten der königlichen Matrosen die wieder zum Vorschein ge-


ich vorher und nachher kennen lernte, als aus der Nation ausgeschieden be¬
trachtet wurden.

Eine rasche Bewegung meines französischen Freundes, die mich veran¬
laßte, auch auszustehen, machte dem Geschwätz ein Ende, Das Schiffsfern-
rvhr ging aus einer Hand in die andere, man betrachtete die Festungswerke
von Gaeta. Mein Franzose halte aber etwas Anderes bemerkt, nämlich
einen schwarzen Punkt auf dem Wasser weiter hünd. Er verlangte das Rohr.
„Richtig," rief er aus, „das ist ein Dampfer, und zwar ein Kriegsdampfer,
jetzt hetzt er ein," setzte er nach einer Weile hinzu. Der Capitain forderte
mit einer ungeduldigen Bewegung das Fernrohr.

Die Kriegsschiffe haben mit den Priestern einige Aehnlichkeit, sie sind alle
schwarz und tragen weiße Klappen, und häufig lernt man bei beiden die
Flagge zu seinem Schaden zu spät kennen. Das Fernrohr ruhte gesenkt in
der Hand des Commandeurs, mechanisch fiel sein Blick auf die Freiwillige»,
schwebte einen Augenblick über das Meer und verweilte dann etwas länger
auf dem Steucrrade. Er schien sich zu besinnen, ob er das Weite suche»
tollte. Noch ein Mal führte er das Rohr an das Auge, dann dasselbe seinem
Nachbar übergebend, sagte er abgebrochen: „er setzt sich schon in Bewegung,"
„um Jagd auf uns zu machen," dachte er wol.

Leider hatte ich meine Lieblingsbeschäftigung auf der See, den Cours
des Schiffes bei dem Compaßhäuschen zu controliren, vernachlässigt, ich weiß
also nicht, ob meine Vermuthung richtig war, daß der Vordersteven in etwas
die Richtung nach der Meerenge von Gibraltar genommen habe. Genug, das
Kriegsschiff wollte uns ohne Zweifel den Weg abschneiden, und unter den
Passagieren war durüber ziemlich viel Unruhe zu bemerken. Verschiedene rothe
Hemden wurden, so gut es sich thun ließ, unter Pferdedecken und anderen Hüllen
versteckt; nur der Toscancr fand es nicht der Mühe werth, deswegen seine
Erzählung von der Landung bei Marsala abzubrechen. Der junge Amerikaner
hörte den Revolver in der Hand zu. Ein Blitz und der Donner eines Ka¬
nonenschusses lockte alle Passagiere, blasse Damen und Seekraute Männer auf's
Verdeck. Der Capitain ertheilt den Befehl, sich nicht nach Backbord zu drän¬
gen, sondern nach Steuerbord hcrüberzugehen. Im selben Nu flattert die
sardinische Flagge auf der Mastspitze und die Schnelligkeit der Fahrt wird
vermindert. Das Kriegsschiff hat die Flagge gegrüßt, und man streitet sich
nur noch, ob das Grüne darin blau ist. Alle überzeugen sich endlich, daß es
wirklich Grün und daß der Dampfer ein Sardinier ist. Jede Befürchtung
der rothen Hemden ist damit verschwunden.

Das Schiff ließ durch einen Offizier Depeschen nach Neapel abgehen.

Die italienischen Farben der Flagge wurden mit Vivat empfangen, des¬
gleichen von Seiten der königlichen Matrosen die wieder zum Vorschein ge-


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[0273] ich vorher und nachher kennen lernte, als aus der Nation ausgeschieden be¬ trachtet wurden. Eine rasche Bewegung meines französischen Freundes, die mich veran¬ laßte, auch auszustehen, machte dem Geschwätz ein Ende, Das Schiffsfern- rvhr ging aus einer Hand in die andere, man betrachtete die Festungswerke von Gaeta. Mein Franzose halte aber etwas Anderes bemerkt, nämlich einen schwarzen Punkt auf dem Wasser weiter hünd. Er verlangte das Rohr. „Richtig," rief er aus, „das ist ein Dampfer, und zwar ein Kriegsdampfer, jetzt hetzt er ein," setzte er nach einer Weile hinzu. Der Capitain forderte mit einer ungeduldigen Bewegung das Fernrohr. Die Kriegsschiffe haben mit den Priestern einige Aehnlichkeit, sie sind alle schwarz und tragen weiße Klappen, und häufig lernt man bei beiden die Flagge zu seinem Schaden zu spät kennen. Das Fernrohr ruhte gesenkt in der Hand des Commandeurs, mechanisch fiel sein Blick auf die Freiwillige», schwebte einen Augenblick über das Meer und verweilte dann etwas länger auf dem Steucrrade. Er schien sich zu besinnen, ob er das Weite suche» tollte. Noch ein Mal führte er das Rohr an das Auge, dann dasselbe seinem Nachbar übergebend, sagte er abgebrochen: „er setzt sich schon in Bewegung," „um Jagd auf uns zu machen," dachte er wol. Leider hatte ich meine Lieblingsbeschäftigung auf der See, den Cours des Schiffes bei dem Compaßhäuschen zu controliren, vernachlässigt, ich weiß also nicht, ob meine Vermuthung richtig war, daß der Vordersteven in etwas die Richtung nach der Meerenge von Gibraltar genommen habe. Genug, das Kriegsschiff wollte uns ohne Zweifel den Weg abschneiden, und unter den Passagieren war durüber ziemlich viel Unruhe zu bemerken. Verschiedene rothe Hemden wurden, so gut es sich thun ließ, unter Pferdedecken und anderen Hüllen versteckt; nur der Toscancr fand es nicht der Mühe werth, deswegen seine Erzählung von der Landung bei Marsala abzubrechen. Der junge Amerikaner hörte den Revolver in der Hand zu. Ein Blitz und der Donner eines Ka¬ nonenschusses lockte alle Passagiere, blasse Damen und Seekraute Männer auf's Verdeck. Der Capitain ertheilt den Befehl, sich nicht nach Backbord zu drän¬ gen, sondern nach Steuerbord hcrüberzugehen. Im selben Nu flattert die sardinische Flagge auf der Mastspitze und die Schnelligkeit der Fahrt wird vermindert. Das Kriegsschiff hat die Flagge gegrüßt, und man streitet sich nur noch, ob das Grüne darin blau ist. Alle überzeugen sich endlich, daß es wirklich Grün und daß der Dampfer ein Sardinier ist. Jede Befürchtung der rothen Hemden ist damit verschwunden. Das Schiff ließ durch einen Offizier Depeschen nach Neapel abgehen. Die italienischen Farben der Flagge wurden mit Vivat empfangen, des¬ gleichen von Seiten der königlichen Matrosen die wieder zum Vorschein ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/273>, abgerufen am 26.08.2024.