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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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klärung an das englische Cabinet "man werde der Revolution in dem Kirchen¬
staate, wenn es erforderlich wäre, eine Schlacht liefern," abgegeben worden war.

Andererseits, wenn man öffentlich eine Enrollirung betreiben konnte, so
konnte, wie mir däucht, auch die Eguipirung stattfinden, besonders da die
Montur der Garibaldianer eigentlich gar keine militärische Tracht, sondern ganz
einfach die eines Seemanns war, mit Ausnahme der bei verschiedenen s. g.
Brigaden gebräuchlichen Mühe. -- Hiermit wäre, wenn der mehrtägige Ausent¬
halt nöthig war, wenigstens etwas Zeit gewonnen worden, und die Enrollirten
konnten gleich bei der Ankunft in Neapel an die Depotcompagnien, wenn sie
erMrten, oder auch an den respectiven Truppenkörper abgegeben werden. Es
war dies um so Wünschenswerther, als der einzurangirende Soldat sich
in der Uniform, diese mag sein wie sie will, sich ganz anders fühlt, benimmt
lind leichter zu behandeln ist, als ohne diese.

Es war der sechste Morgen, seit mir der Carriertere zum ersten Male seinen
"tuon giorno LiZnork", sammt dem Oa>k6 nero gebracht. -- Ich kann nicht
läugnen. daß das erste "xroclomiwi" aus dem Munde der Herren Angestellten
auf dem Bureau des Signor Bcrtani mir nicht ganz unerwünscht war. Die
Musik der sausenden Kugeln, von welcher einst ein junger König sagte: die
solle die einzige in seinem Leben werden, war mir nicht unbekannt. Der Krieg,
das einzige Stadium im Leben des Soldaten, wo dieser sich selbständig fühlt,
wo er wirklich noch etwas werth ist, das Feldlebcn mit allen seinen Mühen,
seinen eingebildeten und wirklichen Gefahren, seinen aufopfernden Liebesdiensten,
seiner treuen Hingebung zog mich mächtig hinüber nach dem Lager. Aber es
gibt noch ein Anderes, ohne dessen Begleitung es zu sehr die düstere Seite
zeigt -- das, was Mr Kameradschaftlichkeit nennen, und ob diese hier vor¬
handen, ob wenigstens ihre Voraussetzungen vorhanden, hätte ich gern vorher
in Erfahrung gebracht. Dazu gab das Warten einige Gelegenheit, aber was
ich sah und hörte erregte keine große Hoffnung. Die italienische Sprache kennt
das Wort Kamerad nicht, und die wenigen Beobachtungen, die ich machte,
ließen den Gedanken auftauchen, daß es nicht allein das Wort sei, das in der
Armee Garibaldi's mangelte.

Die KunstschäKe und Naturschönheiten Genuas waren gründlichst in Augen¬
schein genommen. Ich hatte die herrliche Villa Pegu, deren Besuch vom
Secretär Pallavicini bereitwilligst gestattet worden, mit großem Genuß be¬
trachtet. Ich kannte jeden Stein am Färö, fast jede Welle, die gegen ihn
anbrauste. Es war aus Abend und Morgen der fünfte Tag geworden. Da
endlich am sechsten früh brachte der Kellner ein Billet, worin man um mein
gefälliges Erscheinen auf dem Bureau ersuchte, und ich glaube, daß ich eher
dort war, als der Bote, der es überbracht.

Man sagte mir. daß der Dampfer mit den Freiwilligen heute Abend ob-


klärung an das englische Cabinet „man werde der Revolution in dem Kirchen¬
staate, wenn es erforderlich wäre, eine Schlacht liefern," abgegeben worden war.

Andererseits, wenn man öffentlich eine Enrollirung betreiben konnte, so
konnte, wie mir däucht, auch die Eguipirung stattfinden, besonders da die
Montur der Garibaldianer eigentlich gar keine militärische Tracht, sondern ganz
einfach die eines Seemanns war, mit Ausnahme der bei verschiedenen s. g.
Brigaden gebräuchlichen Mühe. — Hiermit wäre, wenn der mehrtägige Ausent¬
halt nöthig war, wenigstens etwas Zeit gewonnen worden, und die Enrollirten
konnten gleich bei der Ankunft in Neapel an die Depotcompagnien, wenn sie
erMrten, oder auch an den respectiven Truppenkörper abgegeben werden. Es
war dies um so Wünschenswerther, als der einzurangirende Soldat sich
in der Uniform, diese mag sein wie sie will, sich ganz anders fühlt, benimmt
lind leichter zu behandeln ist, als ohne diese.

Es war der sechste Morgen, seit mir der Carriertere zum ersten Male seinen
„tuon giorno LiZnork", sammt dem Oa>k6 nero gebracht. — Ich kann nicht
läugnen. daß das erste „xroclomiwi" aus dem Munde der Herren Angestellten
auf dem Bureau des Signor Bcrtani mir nicht ganz unerwünscht war. Die
Musik der sausenden Kugeln, von welcher einst ein junger König sagte: die
solle die einzige in seinem Leben werden, war mir nicht unbekannt. Der Krieg,
das einzige Stadium im Leben des Soldaten, wo dieser sich selbständig fühlt,
wo er wirklich noch etwas werth ist, das Feldlebcn mit allen seinen Mühen,
seinen eingebildeten und wirklichen Gefahren, seinen aufopfernden Liebesdiensten,
seiner treuen Hingebung zog mich mächtig hinüber nach dem Lager. Aber es
gibt noch ein Anderes, ohne dessen Begleitung es zu sehr die düstere Seite
zeigt — das, was Mr Kameradschaftlichkeit nennen, und ob diese hier vor¬
handen, ob wenigstens ihre Voraussetzungen vorhanden, hätte ich gern vorher
in Erfahrung gebracht. Dazu gab das Warten einige Gelegenheit, aber was
ich sah und hörte erregte keine große Hoffnung. Die italienische Sprache kennt
das Wort Kamerad nicht, und die wenigen Beobachtungen, die ich machte,
ließen den Gedanken auftauchen, daß es nicht allein das Wort sei, das in der
Armee Garibaldi's mangelte.

Die KunstschäKe und Naturschönheiten Genuas waren gründlichst in Augen¬
schein genommen. Ich hatte die herrliche Villa Pegu, deren Besuch vom
Secretär Pallavicini bereitwilligst gestattet worden, mit großem Genuß be¬
trachtet. Ich kannte jeden Stein am Färö, fast jede Welle, die gegen ihn
anbrauste. Es war aus Abend und Morgen der fünfte Tag geworden. Da
endlich am sechsten früh brachte der Kellner ein Billet, worin man um mein
gefälliges Erscheinen auf dem Bureau ersuchte, und ich glaube, daß ich eher
dort war, als der Bote, der es überbracht.

Man sagte mir. daß der Dampfer mit den Freiwilligen heute Abend ob-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/264>, abgerufen am 22.07.2024.