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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Pilsach wird nicht viel Neues gesagt. Wagener von der Kreuzzeitung ist früher der
Privcitsecretär des Letzteren gewesen und von Elters in die höhere Journalistik ein¬
geführt. -- Dann wird noch Einiges gegen die aus dem Naumerschen Ministerium
hervorgegangene Flugschrift eingewendet.

Damaris. Eine Zeitschrift von Ludwig Giesebrecht, (Stettin, Müller)
enthält unter einer Reihe literar. historischen Vorlesungen eine Charakteristik des König
Friedrich Wilhelm des Vierten; viel schwächer als eine andere von F. I, Stahl (Ber¬
lin, W. Hertz), die abgesehen von der politischen Parteifarbc des Verfassers, geschickt
entworfen ist. -- Die Zeitschrift veranlaßt uns zu folgender Bemerkung. Man
hat den deutschen Gelehrten vorgeworfen, daß sie es verschmähten, einen guten Styl
zu schreiben, wie die Engländer und Franzosen, daß sie nicht selten einen guten
Styl für das untrügliche Zeichen dilettantischer Bildung ansähen. Das wird nun
anders, dafür stellt sich ein anderer Fehler ein: unsere Gelehrten bemühen sich nicht
bloß gut, sondern belletristisch, novellistisch, geistreich, mit Esprit u. f. w. zu schreiben,
und fallen nicht selten in Ziererei. Damaris, deren Verfasser ein sehr tüchtiger Ge¬
lehrter, ist ein Beleg dafür; nicht selten machen wir die Beobachtung in den Vor¬
trügen im wissenschaftlichen Verein zu Berlin. So z. B. "das Träumen",
von Erd manu; der Verfasser ist geistreich genug, um das Gcistreichthun, das Co-
qnettiren mit zierlichen Redensarten verschmähen zu können.

Frei bis zur Adria. -- Leidensgeschichte Italiens unter östreichischer, päpstlicher
und bourbonischcr Herrschaft. Von Gustav Rasch. Zweiter Band. -- Berlin, 1861
Verlag von A. Vogel u. Comp. Der Verfasser ist, wie es scheint, einer der Demo¬
kraten, weiche es 1848 für die Aufgabe des deutschen Volkes hielten, die Bestrebungen
aller nach Befreiung ringenden Völker, z. B. auch der Polen, zu unterstützen. Er
bringt eine merkwürdige Masse dahingehender Redensarten vor. Etwas werthvoller
wird sein Buch, wo es sich zu den Thatsachen wendet, aber eine geordnete Uebersicht
über das, worüber Italien vor dem Kriege zu klagen hatte, erhalten wir nicht,
und die Berichte über venetianische Zustünde, über die beiden letzten Herzöge von
Modena, über verschiedene Episoden der neueren Geschichte Roms und Neapels sind
eben so verworren durcheinander gewürfelt, als übertrieben und mit Unwahrheit
gemischt. Der Verfasser hätte, wenn er sich von der Phrase und der Leidenschaft¬
lichkeit fern gehalten und bedacht hätte, daß auch die, italienische Partei ihre Flecken
und Schatten hat, sicher ein brauchbareres Buch zu Stande gebracht als dieses,
welches halb Libell, halb Panegyricus ist und von jedem Unbefangenen nach
Durchlesung der ersten Capitel als unglaubwürdig bei Seite gelegt werden wird-




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E-Elbert in Leipzig.

Pilsach wird nicht viel Neues gesagt. Wagener von der Kreuzzeitung ist früher der
Privcitsecretär des Letzteren gewesen und von Elters in die höhere Journalistik ein¬
geführt. — Dann wird noch Einiges gegen die aus dem Naumerschen Ministerium
hervorgegangene Flugschrift eingewendet.

Damaris. Eine Zeitschrift von Ludwig Giesebrecht, (Stettin, Müller)
enthält unter einer Reihe literar. historischen Vorlesungen eine Charakteristik des König
Friedrich Wilhelm des Vierten; viel schwächer als eine andere von F. I, Stahl (Ber¬
lin, W. Hertz), die abgesehen von der politischen Parteifarbc des Verfassers, geschickt
entworfen ist. — Die Zeitschrift veranlaßt uns zu folgender Bemerkung. Man
hat den deutschen Gelehrten vorgeworfen, daß sie es verschmähten, einen guten Styl
zu schreiben, wie die Engländer und Franzosen, daß sie nicht selten einen guten
Styl für das untrügliche Zeichen dilettantischer Bildung ansähen. Das wird nun
anders, dafür stellt sich ein anderer Fehler ein: unsere Gelehrten bemühen sich nicht
bloß gut, sondern belletristisch, novellistisch, geistreich, mit Esprit u. f. w. zu schreiben,
und fallen nicht selten in Ziererei. Damaris, deren Verfasser ein sehr tüchtiger Ge¬
lehrter, ist ein Beleg dafür; nicht selten machen wir die Beobachtung in den Vor¬
trügen im wissenschaftlichen Verein zu Berlin. So z. B. „das Träumen",
von Erd manu; der Verfasser ist geistreich genug, um das Gcistreichthun, das Co-
qnettiren mit zierlichen Redensarten verschmähen zu können.

Frei bis zur Adria. — Leidensgeschichte Italiens unter östreichischer, päpstlicher
und bourbonischcr Herrschaft. Von Gustav Rasch. Zweiter Band. — Berlin, 1861
Verlag von A. Vogel u. Comp. Der Verfasser ist, wie es scheint, einer der Demo¬
kraten, weiche es 1848 für die Aufgabe des deutschen Volkes hielten, die Bestrebungen
aller nach Befreiung ringenden Völker, z. B. auch der Polen, zu unterstützen. Er
bringt eine merkwürdige Masse dahingehender Redensarten vor. Etwas werthvoller
wird sein Buch, wo es sich zu den Thatsachen wendet, aber eine geordnete Uebersicht
über das, worüber Italien vor dem Kriege zu klagen hatte, erhalten wir nicht,
und die Berichte über venetianische Zustünde, über die beiden letzten Herzöge von
Modena, über verschiedene Episoden der neueren Geschichte Roms und Neapels sind
eben so verworren durcheinander gewürfelt, als übertrieben und mit Unwahrheit
gemischt. Der Verfasser hätte, wenn er sich von der Phrase und der Leidenschaft¬
lichkeit fern gehalten und bedacht hätte, daß auch die, italienische Partei ihre Flecken
und Schatten hat, sicher ein brauchbareres Buch zu Stande gebracht als dieses,
welches halb Libell, halb Panegyricus ist und von jedem Unbefangenen nach
Durchlesung der ersten Capitel als unglaubwürdig bei Seite gelegt werden wird-




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E-Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/250>, abgerufen am 25.08.2024.