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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Für diesen Antrag gürtete sich am 17. April Herr Haseiwanter zum
Kampfe. Weil dieses Individuum der Sturmbock des Ultramontanismus ist.
müssen wir ihm einige Striche widmen. Vor dem Jahre 1848 Advocat. wußte
er sich in dieser großartigen Zeit auf einen Platz zu stellen, wo ihn der Minister
Bach sehen konnte. Die zwei verwandten Seelen erkannten sich wie Dämon
und Phintias, unser Tiroler erhielt eine breite Goldborte um den Hals und
wurde Hofrath. Seinen Vortheil kennend, stellte er sich auf die Seile der Wohl¬
beleibten im Lande und trug stets das klcricale Banner. Diesem blieb er auch jetzt
getreu, obwol ein Umschwung der Dinge erfolgt zu sein schien. Wir sehen
darin kein gutes Zeichen für die liberale Zukunft Oestreichs; denn so lange
sich solche Leute keck vor den Augen Schmerlings umtummeln. ist noch immer
die reactionäre Camarilla übermächtig. Das weiß Haselwanter. der eine feine
Witterung hat. und darum wagte er so leidenschaftlich für den Antrag des Bischofs
aufzutreten, der doch zu dem Protcstantenpatente vom 8. April im geraden Ge¬
gensatze steht. Es war ein echt jesuitischer Syllogismus, mit dem er behauptete,
daß die deutsche Bundesacte für Tirol nicht gelte, weil sie dort nicht publicirt'
worden sei. Auch der Bischof ließ sich herab, das andächtige Volk mit einer
Rede zu beglücken, welche als ein Anachronismus von vorn bis hinten eigent¬
lich ganz mitgetheilt zu werden verdiente, wenn sie nicht zu lang wäre. Ani
ZU beweisen, daß unser Urtheil nicht zu scharf ist. theilen wir eine kleine
Vlumenlese besonders kräftiger Stellen mit. "Es wäre ein unermeßliches Un¬
glück, wenn in Tirol ein fremder Cultus, eine fremde Religion eingeführt
Kurde. In unserem katholischen Glauben wurzelt unsere Vaterlandsliebe, denn
der Tiroler kann sich sein Land nicht anders denken als ein katholisches und
im Augenblicke, wo das erste akatholische Bethaus neben der Dorfkirche steht,
wird der Genius der Vaterlandsliebe (der Redner verwechselt den Genius
wie dem katholischen Pfarrer, dem die Nähe der Protestanten freilich un¬
bequem sein mag) sich trauernd verhüllen und von bannen ziehen. Da-
wm, meine Herren! muß ich den Antrag auf unbedingte Toleranz nothwendig
Zurückweisen. Er kann nur gerechtfertigt werden, wenn er unerläßlich noth¬
wendig ist, und es entsteht somit nothwendig die Frage, ob eine solche Noth¬
wendigkeit vorhanden sei. (Diese Nothwendigkeit ist für den Klerus freilich
"Ur dann vorhanden, wenn eine weise und energische Regierung den Muth
bat, allen ihren Unterthanen gleiches Recht zu schaffen und den Pfaffen, welche
dieses hindern wollen, tüchtig auf die Finger zu klopfen.) Da wird uns ent¬
gegen behauptet, die unbedingte Toleranz werde gefordert von der öffentlichen
Meinung. Meine Herren! Die öffentliche Meinung, was ist sie? Einer unserer
^sten Männer hat mit Recht bemerkt, man sollte sie besser die laute Meinung
'"unen als die öffentliche. (Da wundert uns nur. warum sich der Herr Bischof
se°es auf die öffentliche Meinung Tirols beruft, die allerdings hier nur eine laute


Für diesen Antrag gürtete sich am 17. April Herr Haseiwanter zum
Kampfe. Weil dieses Individuum der Sturmbock des Ultramontanismus ist.
müssen wir ihm einige Striche widmen. Vor dem Jahre 1848 Advocat. wußte
er sich in dieser großartigen Zeit auf einen Platz zu stellen, wo ihn der Minister
Bach sehen konnte. Die zwei verwandten Seelen erkannten sich wie Dämon
und Phintias, unser Tiroler erhielt eine breite Goldborte um den Hals und
wurde Hofrath. Seinen Vortheil kennend, stellte er sich auf die Seile der Wohl¬
beleibten im Lande und trug stets das klcricale Banner. Diesem blieb er auch jetzt
getreu, obwol ein Umschwung der Dinge erfolgt zu sein schien. Wir sehen
darin kein gutes Zeichen für die liberale Zukunft Oestreichs; denn so lange
sich solche Leute keck vor den Augen Schmerlings umtummeln. ist noch immer
die reactionäre Camarilla übermächtig. Das weiß Haselwanter. der eine feine
Witterung hat. und darum wagte er so leidenschaftlich für den Antrag des Bischofs
aufzutreten, der doch zu dem Protcstantenpatente vom 8. April im geraden Ge¬
gensatze steht. Es war ein echt jesuitischer Syllogismus, mit dem er behauptete,
daß die deutsche Bundesacte für Tirol nicht gelte, weil sie dort nicht publicirt'
worden sei. Auch der Bischof ließ sich herab, das andächtige Volk mit einer
Rede zu beglücken, welche als ein Anachronismus von vorn bis hinten eigent¬
lich ganz mitgetheilt zu werden verdiente, wenn sie nicht zu lang wäre. Ani
ZU beweisen, daß unser Urtheil nicht zu scharf ist. theilen wir eine kleine
Vlumenlese besonders kräftiger Stellen mit. „Es wäre ein unermeßliches Un¬
glück, wenn in Tirol ein fremder Cultus, eine fremde Religion eingeführt
Kurde. In unserem katholischen Glauben wurzelt unsere Vaterlandsliebe, denn
der Tiroler kann sich sein Land nicht anders denken als ein katholisches und
im Augenblicke, wo das erste akatholische Bethaus neben der Dorfkirche steht,
wird der Genius der Vaterlandsliebe (der Redner verwechselt den Genius
wie dem katholischen Pfarrer, dem die Nähe der Protestanten freilich un¬
bequem sein mag) sich trauernd verhüllen und von bannen ziehen. Da-
wm, meine Herren! muß ich den Antrag auf unbedingte Toleranz nothwendig
Zurückweisen. Er kann nur gerechtfertigt werden, wenn er unerläßlich noth¬
wendig ist, und es entsteht somit nothwendig die Frage, ob eine solche Noth¬
wendigkeit vorhanden sei. (Diese Nothwendigkeit ist für den Klerus freilich
"Ur dann vorhanden, wenn eine weise und energische Regierung den Muth
bat, allen ihren Unterthanen gleiches Recht zu schaffen und den Pfaffen, welche
dieses hindern wollen, tüchtig auf die Finger zu klopfen.) Da wird uns ent¬
gegen behauptet, die unbedingte Toleranz werde gefordert von der öffentlichen
Meinung. Meine Herren! Die öffentliche Meinung, was ist sie? Einer unserer
^sten Männer hat mit Recht bemerkt, man sollte sie besser die laute Meinung
'"unen als die öffentliche. (Da wundert uns nur. warum sich der Herr Bischof
se°es auf die öffentliche Meinung Tirols beruft, die allerdings hier nur eine laute


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/241>, abgerufen am 24.08.2024.