Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

renden arabischer Nation auf ein von einem gewissen Severinus verfaßtes
Gesuch nachgelassen, bis zum fünfundzwanzigsten Jahre studiren zu dürfen, und
es scheint überhaupt öfter Dispcnsation von dieser Bestimmung ertheilt wor¬
den zu sein. Endlich wurden die Ceusualen noch von Valentinian angewiesen,
, eine genaue Matrikel der neu Ankommenden monatlich anzufertigen und
jährlich das Verzeichnis; an den Kaiser einzusenden, "damit wir," schließt er,
"nachdem wir die Verdienste und den Studiengang der Einzelnen erfahren
haben, ermessen, ob und wann wir sie im Staatsdienste brauchen können."
Die Liste enthielt also zugleich das testimonium morum et stuäiorum! Nach
Augustins Zeugniß führten sich die römischen Studenten musterhaft auf, wäh¬
rend Bruder Studio in Karthago, dem wissenschaftlichen Sammelplätze Afrikas,
wegen seiner Ausschweifungen und seiner Zügellosigkeit übel berüchtigt war.
Der Kirchenvater erwähnt besonders eine Klasse älterer Studenten (everLorös),
deren teuflische Freude es war, Neuangekommene zu verführen, und beklagt
sich über die Unsitte, in fremde Auditorien ohne Erlaubniß der Docenten sich
einzudrängen und die Vorlesungen und Redeübungen in frecher Weise zu stören.
Da er im Jahre 354 geboren war und also nach der Zeit Valentinians des
Ersten nach Rom übersiedelte, so ist es sehr glaublich, daß die von ihm ge¬
rühmte Disciplin der römischen Studirenden eine Frucht der akademischen Ge¬
setze des Jahres 370 war. Noch haben wir endlich von einem anderen Zeit¬
genossen, dem berühmten Dogmatiker und Redner Gregor von Nazianz, inter¬
essante Notizen über das Treiben der Studenten zu Athen, besonders über
den Empfang der sogenannten Füchse von den bemoosten Häuptern. Hiernach
postirten sich die älteren Studenten bei Beginn des Kursus (nach einer An¬
deutung Augustins war der Schluß der Weinleseserien ein solcher Zeitpunkt)
auf die Berge und an die Häfen, ulu die Novizen in Empfang zu nehmen
und für bestimmte Lehrer, bei denen sie sich in Gunst setzen wollten, wegzu-
kapern. Die Angekommenen nahmen sie mit aus ihre Quartiere und suchten
dort durch Neckereien und Stichelreden aller Art ihre Charaktere zu ergründen
und sie durch imponirendes Austreten sich willig zu machen. Dann führten
sie ihre Rekruten behufs der Anmeldung den einzelnen Professoren zu, und nun
folgte erst die eigentliche Weihe und Ausnahmeceremonie in folgender Weise'-
Paarweise zogen sie in langer Reihe vor den Neulingen durch die Straßen,
über den Markt nach dem Bade. Hier angekommen riefen sie denselben Halt
zu, pochten an die Thüren und suchten ihnen Furcht und Schrecken einzujagen.
Endlich wurde der Eintritt gestattet und die Weihe wahrscheinlich mit einer
tüchtigen Wassertaufe beschlossen. Diese Fopperei war nicht nur in Athen,
sondern auch auf den übrigen Universitäten gewöhnlich; denn ein Gesetz Ju-
stinians verbot die Quälereien der Novizen auf den hohen Schulen zu Kon-
stantinopel und Berytus. Die erst im vorigen Jahrhundert abgeschaffte De-


renden arabischer Nation auf ein von einem gewissen Severinus verfaßtes
Gesuch nachgelassen, bis zum fünfundzwanzigsten Jahre studiren zu dürfen, und
es scheint überhaupt öfter Dispcnsation von dieser Bestimmung ertheilt wor¬
den zu sein. Endlich wurden die Ceusualen noch von Valentinian angewiesen,
, eine genaue Matrikel der neu Ankommenden monatlich anzufertigen und
jährlich das Verzeichnis; an den Kaiser einzusenden, „damit wir," schließt er,
„nachdem wir die Verdienste und den Studiengang der Einzelnen erfahren
haben, ermessen, ob und wann wir sie im Staatsdienste brauchen können."
Die Liste enthielt also zugleich das testimonium morum et stuäiorum! Nach
Augustins Zeugniß führten sich die römischen Studenten musterhaft auf, wäh¬
rend Bruder Studio in Karthago, dem wissenschaftlichen Sammelplätze Afrikas,
wegen seiner Ausschweifungen und seiner Zügellosigkeit übel berüchtigt war.
Der Kirchenvater erwähnt besonders eine Klasse älterer Studenten (everLorös),
deren teuflische Freude es war, Neuangekommene zu verführen, und beklagt
sich über die Unsitte, in fremde Auditorien ohne Erlaubniß der Docenten sich
einzudrängen und die Vorlesungen und Redeübungen in frecher Weise zu stören.
Da er im Jahre 354 geboren war und also nach der Zeit Valentinians des
Ersten nach Rom übersiedelte, so ist es sehr glaublich, daß die von ihm ge¬
rühmte Disciplin der römischen Studirenden eine Frucht der akademischen Ge¬
setze des Jahres 370 war. Noch haben wir endlich von einem anderen Zeit¬
genossen, dem berühmten Dogmatiker und Redner Gregor von Nazianz, inter¬
essante Notizen über das Treiben der Studenten zu Athen, besonders über
den Empfang der sogenannten Füchse von den bemoosten Häuptern. Hiernach
postirten sich die älteren Studenten bei Beginn des Kursus (nach einer An¬
deutung Augustins war der Schluß der Weinleseserien ein solcher Zeitpunkt)
auf die Berge und an die Häfen, ulu die Novizen in Empfang zu nehmen
und für bestimmte Lehrer, bei denen sie sich in Gunst setzen wollten, wegzu-
kapern. Die Angekommenen nahmen sie mit aus ihre Quartiere und suchten
dort durch Neckereien und Stichelreden aller Art ihre Charaktere zu ergründen
und sie durch imponirendes Austreten sich willig zu machen. Dann führten
sie ihre Rekruten behufs der Anmeldung den einzelnen Professoren zu, und nun
folgte erst die eigentliche Weihe und Ausnahmeceremonie in folgender Weise'-
Paarweise zogen sie in langer Reihe vor den Neulingen durch die Straßen,
über den Markt nach dem Bade. Hier angekommen riefen sie denselben Halt
zu, pochten an die Thüren und suchten ihnen Furcht und Schrecken einzujagen.
Endlich wurde der Eintritt gestattet und die Weihe wahrscheinlich mit einer
tüchtigen Wassertaufe beschlossen. Diese Fopperei war nicht nur in Athen,
sondern auch auf den übrigen Universitäten gewöhnlich; denn ein Gesetz Ju-
stinians verbot die Quälereien der Novizen auf den hohen Schulen zu Kon-
stantinopel und Berytus. Die erst im vorigen Jahrhundert abgeschaffte De-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111618"/>
          <p xml:id="ID_562" prev="#ID_561" next="#ID_563"> renden arabischer Nation auf ein von einem gewissen Severinus verfaßtes<lb/>
Gesuch nachgelassen, bis zum fünfundzwanzigsten Jahre studiren zu dürfen, und<lb/>
es scheint überhaupt öfter Dispcnsation von dieser Bestimmung ertheilt wor¬<lb/>
den zu sein. Endlich wurden die Ceusualen noch von Valentinian angewiesen,<lb/>
, eine genaue Matrikel der neu Ankommenden monatlich anzufertigen und<lb/>
jährlich das Verzeichnis; an den Kaiser einzusenden, &#x201E;damit wir," schließt er,<lb/>
&#x201E;nachdem wir die Verdienste und den Studiengang der Einzelnen erfahren<lb/>
haben, ermessen, ob und wann wir sie im Staatsdienste brauchen können."<lb/>
Die Liste enthielt also zugleich das testimonium morum et stuäiorum! Nach<lb/>
Augustins Zeugniß führten sich die römischen Studenten musterhaft auf, wäh¬<lb/>
rend Bruder Studio in Karthago, dem wissenschaftlichen Sammelplätze Afrikas,<lb/>
wegen seiner Ausschweifungen und seiner Zügellosigkeit übel berüchtigt war.<lb/>
Der Kirchenvater erwähnt besonders eine Klasse älterer Studenten (everLorös),<lb/>
deren teuflische Freude es war, Neuangekommene zu verführen, und beklagt<lb/>
sich über die Unsitte, in fremde Auditorien ohne Erlaubniß der Docenten sich<lb/>
einzudrängen und die Vorlesungen und Redeübungen in frecher Weise zu stören.<lb/>
Da er im Jahre 354 geboren war und also nach der Zeit Valentinians des<lb/>
Ersten nach Rom übersiedelte, so ist es sehr glaublich, daß die von ihm ge¬<lb/>
rühmte Disciplin der römischen Studirenden eine Frucht der akademischen Ge¬<lb/>
setze des Jahres 370 war. Noch haben wir endlich von einem anderen Zeit¬<lb/>
genossen, dem berühmten Dogmatiker und Redner Gregor von Nazianz, inter¬<lb/>
essante Notizen über das Treiben der Studenten zu Athen, besonders über<lb/>
den Empfang der sogenannten Füchse von den bemoosten Häuptern. Hiernach<lb/>
postirten sich die älteren Studenten bei Beginn des Kursus (nach einer An¬<lb/>
deutung Augustins war der Schluß der Weinleseserien ein solcher Zeitpunkt)<lb/>
auf die Berge und an die Häfen, ulu die Novizen in Empfang zu nehmen<lb/>
und für bestimmte Lehrer, bei denen sie sich in Gunst setzen wollten, wegzu-<lb/>
kapern. Die Angekommenen nahmen sie mit aus ihre Quartiere und suchten<lb/>
dort durch Neckereien und Stichelreden aller Art ihre Charaktere zu ergründen<lb/>
und sie durch imponirendes Austreten sich willig zu machen. Dann führten<lb/>
sie ihre Rekruten behufs der Anmeldung den einzelnen Professoren zu, und nun<lb/>
folgte erst die eigentliche Weihe und Ausnahmeceremonie in folgender Weise'-<lb/>
Paarweise zogen sie in langer Reihe vor den Neulingen durch die Straßen,<lb/>
über den Markt nach dem Bade. Hier angekommen riefen sie denselben Halt<lb/>
zu, pochten an die Thüren und suchten ihnen Furcht und Schrecken einzujagen.<lb/>
Endlich wurde der Eintritt gestattet und die Weihe wahrscheinlich mit einer<lb/>
tüchtigen Wassertaufe beschlossen. Diese Fopperei war nicht nur in Athen,<lb/>
sondern auch auf den übrigen Universitäten gewöhnlich; denn ein Gesetz Ju-<lb/>
stinians verbot die Quälereien der Novizen auf den hohen Schulen zu Kon-<lb/>
stantinopel und Berytus.  Die erst im vorigen Jahrhundert abgeschaffte De-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0186] renden arabischer Nation auf ein von einem gewissen Severinus verfaßtes Gesuch nachgelassen, bis zum fünfundzwanzigsten Jahre studiren zu dürfen, und es scheint überhaupt öfter Dispcnsation von dieser Bestimmung ertheilt wor¬ den zu sein. Endlich wurden die Ceusualen noch von Valentinian angewiesen, , eine genaue Matrikel der neu Ankommenden monatlich anzufertigen und jährlich das Verzeichnis; an den Kaiser einzusenden, „damit wir," schließt er, „nachdem wir die Verdienste und den Studiengang der Einzelnen erfahren haben, ermessen, ob und wann wir sie im Staatsdienste brauchen können." Die Liste enthielt also zugleich das testimonium morum et stuäiorum! Nach Augustins Zeugniß führten sich die römischen Studenten musterhaft auf, wäh¬ rend Bruder Studio in Karthago, dem wissenschaftlichen Sammelplätze Afrikas, wegen seiner Ausschweifungen und seiner Zügellosigkeit übel berüchtigt war. Der Kirchenvater erwähnt besonders eine Klasse älterer Studenten (everLorös), deren teuflische Freude es war, Neuangekommene zu verführen, und beklagt sich über die Unsitte, in fremde Auditorien ohne Erlaubniß der Docenten sich einzudrängen und die Vorlesungen und Redeübungen in frecher Weise zu stören. Da er im Jahre 354 geboren war und also nach der Zeit Valentinians des Ersten nach Rom übersiedelte, so ist es sehr glaublich, daß die von ihm ge¬ rühmte Disciplin der römischen Studirenden eine Frucht der akademischen Ge¬ setze des Jahres 370 war. Noch haben wir endlich von einem anderen Zeit¬ genossen, dem berühmten Dogmatiker und Redner Gregor von Nazianz, inter¬ essante Notizen über das Treiben der Studenten zu Athen, besonders über den Empfang der sogenannten Füchse von den bemoosten Häuptern. Hiernach postirten sich die älteren Studenten bei Beginn des Kursus (nach einer An¬ deutung Augustins war der Schluß der Weinleseserien ein solcher Zeitpunkt) auf die Berge und an die Häfen, ulu die Novizen in Empfang zu nehmen und für bestimmte Lehrer, bei denen sie sich in Gunst setzen wollten, wegzu- kapern. Die Angekommenen nahmen sie mit aus ihre Quartiere und suchten dort durch Neckereien und Stichelreden aller Art ihre Charaktere zu ergründen und sie durch imponirendes Austreten sich willig zu machen. Dann führten sie ihre Rekruten behufs der Anmeldung den einzelnen Professoren zu, und nun folgte erst die eigentliche Weihe und Ausnahmeceremonie in folgender Weise'- Paarweise zogen sie in langer Reihe vor den Neulingen durch die Straßen, über den Markt nach dem Bade. Hier angekommen riefen sie denselben Halt zu, pochten an die Thüren und suchten ihnen Furcht und Schrecken einzujagen. Endlich wurde der Eintritt gestattet und die Weihe wahrscheinlich mit einer tüchtigen Wassertaufe beschlossen. Diese Fopperei war nicht nur in Athen, sondern auch auf den übrigen Universitäten gewöhnlich; denn ein Gesetz Ju- stinians verbot die Quälereien der Novizen auf den hohen Schulen zu Kon- stantinopel und Berytus. Die erst im vorigen Jahrhundert abgeschaffte De-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/186
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/186>, abgerufen am 24.08.2024.