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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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gelehrten Rechtswissenschaft obzuliegen. Als zur Jnscription erforderlich wird
rötlich eine Art Abiturientenzeugniß verlangt, eine obrigkeitliche Bescheinigung
über ihre Heimath, ihre Aeltern und ihre Würdigkeit; sie mußte beim Vor¬
steher des Steuerkatasterbureaus vorgezeigt werden, wobei die jungen Leute
sogleich anzugeben hatten, welchem Facultütsstudium sie sich widmen wollte".
Die Schreiber und Archivare (cLULu-rin-s) der genannten Kanzlei wurden zu¬
gleich "zugewiesen, die Stelle der Pedelle zu vertreten. Denn sie sollten genau
die Wohnungen der Studenten kennen, ..damit dieselben sich auch der Dinge
befleißigten, die sie zu erstreben vorgaben." Ebenso sollten die Censualen
darauf sehen, daß Jeder bei den Zusammenkünften sich so aufführte, "wie
es sich für Jünglinge schickt, die einen schimpflichen und entehrenden Ruf
und Verbindungen, die Wir dem Verbrechen für zunächst stehend erachten, ver¬
meiden zu müssen glauben." Dann werden verboten nächtliche Gelage (die
nach dem Berichte des unter Konstantin lebenden Sophisten Libanius beson¬
ders häufig auch unter den Studenten zu Athen waren), und der'zu häufige
desund der Schauspiele, sür welche die Römer so unsinnig schwärmten. Der
heilige Augustin zeigt an dem Beispiele eines jungen Mannes, für den er sich,
als einen Landsmann, besonders interessirt hatte, das Verführerische und Ver¬
derbliche der cucensischcn Spiele und Gladiatorengefcchte sür die Studirenden.
In Karthago war es ihm noch mit Mühe gelungen, seinen Schüler von der
Liebe zum Cncus zu heilen. Mit den besten Vorsätzen bezog derselbe die
Universität Rom und enthielt sich lange des Schauspielbesuchs. Auch als er
einst von anderen Studenten mit Gewalt in das Amphitheater geführt wor¬
den war, versuchte er mit geschlossenen Augen die Schaulust zu bekämpfen;
aber ein plötzliches Geschrei und Beifallklatschen der Menge erregte seine Neu¬
gierde; er sah die Blutarbeit der Gladiatoren und wurde fortan der tollste
Zuschauer und Verführer.Anderer. -- Wer wider diese oder ähnliche Bestim¬
mungen der Gesetze handelte und sich anders betrüge, als es die Würde der
Wissenschaften verlangt, dem drohte Valentinian. daß er öffentlich gegeißelt,
> "gleich auf ein Schiff gesetzt und nach Hause geschickt werden sollte. -- Fer-
uer erlaubte der Kaiser auch deu fleißigen Studenten nur bis zum zwan¬
zigsten Lebensjahre den Ausenthalt in Rom und verfügte, daß der Stadtprä-
W. als Obcrpolizeimeister, nach Ablauf dieser Frist für unfreiwillige Rückkehr
der Betreffenden ohne ehrenvolle Entlassung Sorge trüge. Da nämlich die
Vorbereitung zur Unwctfität im Verhältniß zu unserer Zeit wenige Jahre er-
t^derte und von den Knaben innerhalb des zwölften und fünfzehnten Jahres
beendigt werden konnte, blieb für das Fachstudiuni ein fünfjähriger Zeitraum,
dessen Ablauf d>e persönlichen Leistungen der Bürger für den Staat be-
K'""en mußten. Doch hatte schon hundert Jahre früher der Kaiser Diocletmn
auf der berühmten Rechtsschule zu Berutns (Beirut) befindlichen Stube-


gelehrten Rechtswissenschaft obzuliegen. Als zur Jnscription erforderlich wird
rötlich eine Art Abiturientenzeugniß verlangt, eine obrigkeitliche Bescheinigung
über ihre Heimath, ihre Aeltern und ihre Würdigkeit; sie mußte beim Vor¬
steher des Steuerkatasterbureaus vorgezeigt werden, wobei die jungen Leute
sogleich anzugeben hatten, welchem Facultütsstudium sie sich widmen wollte».
Die Schreiber und Archivare (cLULu-rin-s) der genannten Kanzlei wurden zu¬
gleich «zugewiesen, die Stelle der Pedelle zu vertreten. Denn sie sollten genau
die Wohnungen der Studenten kennen, ..damit dieselben sich auch der Dinge
befleißigten, die sie zu erstreben vorgaben." Ebenso sollten die Censualen
darauf sehen, daß Jeder bei den Zusammenkünften sich so aufführte, „wie
es sich für Jünglinge schickt, die einen schimpflichen und entehrenden Ruf
und Verbindungen, die Wir dem Verbrechen für zunächst stehend erachten, ver¬
meiden zu müssen glauben." Dann werden verboten nächtliche Gelage (die
nach dem Berichte des unter Konstantin lebenden Sophisten Libanius beson¬
ders häufig auch unter den Studenten zu Athen waren), und der'zu häufige
desund der Schauspiele, sür welche die Römer so unsinnig schwärmten. Der
heilige Augustin zeigt an dem Beispiele eines jungen Mannes, für den er sich,
als einen Landsmann, besonders interessirt hatte, das Verführerische und Ver¬
derbliche der cucensischcn Spiele und Gladiatorengefcchte sür die Studirenden.
In Karthago war es ihm noch mit Mühe gelungen, seinen Schüler von der
Liebe zum Cncus zu heilen. Mit den besten Vorsätzen bezog derselbe die
Universität Rom und enthielt sich lange des Schauspielbesuchs. Auch als er
einst von anderen Studenten mit Gewalt in das Amphitheater geführt wor¬
den war, versuchte er mit geschlossenen Augen die Schaulust zu bekämpfen;
aber ein plötzliches Geschrei und Beifallklatschen der Menge erregte seine Neu¬
gierde; er sah die Blutarbeit der Gladiatoren und wurde fortan der tollste
Zuschauer und Verführer.Anderer. — Wer wider diese oder ähnliche Bestim¬
mungen der Gesetze handelte und sich anders betrüge, als es die Würde der
Wissenschaften verlangt, dem drohte Valentinian. daß er öffentlich gegeißelt,
> »gleich auf ein Schiff gesetzt und nach Hause geschickt werden sollte. — Fer-
uer erlaubte der Kaiser auch deu fleißigen Studenten nur bis zum zwan¬
zigsten Lebensjahre den Ausenthalt in Rom und verfügte, daß der Stadtprä-
W. als Obcrpolizeimeister, nach Ablauf dieser Frist für unfreiwillige Rückkehr
der Betreffenden ohne ehrenvolle Entlassung Sorge trüge. Da nämlich die
Vorbereitung zur Unwctfität im Verhältniß zu unserer Zeit wenige Jahre er-
t^derte und von den Knaben innerhalb des zwölften und fünfzehnten Jahres
beendigt werden konnte, blieb für das Fachstudiuni ein fünfjähriger Zeitraum,
dessen Ablauf d>e persönlichen Leistungen der Bürger für den Staat be-
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auf der berühmten Rechtsschule zu Berutns (Beirut) befindlichen Stube-


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[0185] gelehrten Rechtswissenschaft obzuliegen. Als zur Jnscription erforderlich wird rötlich eine Art Abiturientenzeugniß verlangt, eine obrigkeitliche Bescheinigung über ihre Heimath, ihre Aeltern und ihre Würdigkeit; sie mußte beim Vor¬ steher des Steuerkatasterbureaus vorgezeigt werden, wobei die jungen Leute sogleich anzugeben hatten, welchem Facultütsstudium sie sich widmen wollte». Die Schreiber und Archivare (cLULu-rin-s) der genannten Kanzlei wurden zu¬ gleich «zugewiesen, die Stelle der Pedelle zu vertreten. Denn sie sollten genau die Wohnungen der Studenten kennen, ..damit dieselben sich auch der Dinge befleißigten, die sie zu erstreben vorgaben." Ebenso sollten die Censualen darauf sehen, daß Jeder bei den Zusammenkünften sich so aufführte, „wie es sich für Jünglinge schickt, die einen schimpflichen und entehrenden Ruf und Verbindungen, die Wir dem Verbrechen für zunächst stehend erachten, ver¬ meiden zu müssen glauben." Dann werden verboten nächtliche Gelage (die nach dem Berichte des unter Konstantin lebenden Sophisten Libanius beson¬ ders häufig auch unter den Studenten zu Athen waren), und der'zu häufige desund der Schauspiele, sür welche die Römer so unsinnig schwärmten. Der heilige Augustin zeigt an dem Beispiele eines jungen Mannes, für den er sich, als einen Landsmann, besonders interessirt hatte, das Verführerische und Ver¬ derbliche der cucensischcn Spiele und Gladiatorengefcchte sür die Studirenden. In Karthago war es ihm noch mit Mühe gelungen, seinen Schüler von der Liebe zum Cncus zu heilen. Mit den besten Vorsätzen bezog derselbe die Universität Rom und enthielt sich lange des Schauspielbesuchs. Auch als er einst von anderen Studenten mit Gewalt in das Amphitheater geführt wor¬ den war, versuchte er mit geschlossenen Augen die Schaulust zu bekämpfen; aber ein plötzliches Geschrei und Beifallklatschen der Menge erregte seine Neu¬ gierde; er sah die Blutarbeit der Gladiatoren und wurde fortan der tollste Zuschauer und Verführer.Anderer. — Wer wider diese oder ähnliche Bestim¬ mungen der Gesetze handelte und sich anders betrüge, als es die Würde der Wissenschaften verlangt, dem drohte Valentinian. daß er öffentlich gegeißelt, > »gleich auf ein Schiff gesetzt und nach Hause geschickt werden sollte. — Fer- uer erlaubte der Kaiser auch deu fleißigen Studenten nur bis zum zwan¬ zigsten Lebensjahre den Ausenthalt in Rom und verfügte, daß der Stadtprä- W. als Obcrpolizeimeister, nach Ablauf dieser Frist für unfreiwillige Rückkehr der Betreffenden ohne ehrenvolle Entlassung Sorge trüge. Da nämlich die Vorbereitung zur Unwctfität im Verhältniß zu unserer Zeit wenige Jahre er- t^derte und von den Knaben innerhalb des zwölften und fünfzehnten Jahres beendigt werden konnte, blieb für das Fachstudiuni ein fünfjähriger Zeitraum, dessen Ablauf d>e persönlichen Leistungen der Bürger für den Staat be- K'"»en mußten. Doch hatte schon hundert Jahre früher der Kaiser Diocletmn auf der berühmten Rechtsschule zu Berutns (Beirut) befindlichen Stube-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/185>, abgerufen am 24.08.2024.