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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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(4000 Thlr.) aus den Mitteln der gallischen Stadt Augustodunum (Mon)
an. Diese Zuschüsse von Seiten der Communen blieben aber oft aus,
besonders als das Christenthum immer weitere Fortschritte machte und
man die Lehrstühle der Rhetorik. Grammatik und Philosophie als unnütze,
ja schädliche Ueberbleibsel und Stützen des Heidenthums anzusehen anfing.
Konstantin sah sich daher genöthigt, durch eine Verordnung jene Zah¬
lungen den Städten einzuschärfen. Außerdem bestätigte er ihre Privilegien
hinsichtlich der städtischen Ehrenämter, des Kriegsdienstes und der Einquar-
tirung und schützte sie gegen Processe und Beleidigungen, indem er jedem Frei¬
geborenen, der ihre Nuhe störte, eine Strafe von 100,000 Sesterzien androhte, jedem
Sklaven eine tüchtige Tracht Schläge. Doch scheint es unter ihm mit der Prüfung
der Candidaten ziemlich leicht genommen worden zu sein; denn Julian erneuerte
die alten Bestimmungen. Wie sehr übrigens der kaiserliche Romantiker die hohe
Aufgabe der Schule begriff und die Würde des Lehrerstandes zu heben bemüht war,
leuchtet klar aus den Worten seines Gesetzes hervor- "Die Lehrer der Wissenschaf¬
ten müssen sich zuerst durch ihre Sitten auszeichnen; dann durch Beredtsamkeit (das
Vorlesen vergilbter Hefte scheint also noch nicht Mode gewesen zu sein!). Aber
weil ich in den einzelnen Gemeinden nicht zugegen sein kann, so mag Jeder,
der Lehrer werden will, nicht plötzlich und willkürlich sich zu diesem Amte drängen,
sondern sich zuvor nach dem Urtheile des Senats mit Zustimmung der Besten
aus der Gemeinde ein Diplom verdienen. Das Wahldecret soll aber jederzeit
mir selbst zur Bestätigung vorgelegt werden." Es ist freilich möglich, daß
die letzte Bestimmung mit der Ausschließung der Christen von den Lehrstühlcn
der Grammatik und Rhetorik zusammenhing, durch welche Maßregel Julian
dem Christenthum den aus der Benutzung der heidnischen Literatur fließenden
Gewinn zu entziehen trachtete. Die Lehrfreiheit beschränkte er außerdem da¬
durch, daß er das Studium der epikuräischen und skeptischen Philosophie ver¬
bot; "haben doch bereits," sagt er, "auch die Götter, woran sie sehr wohl
thaten, diese Schulen vertilgt, so daß auch die meisten ihrer Schriften ver¬
schwunden sind." Bald nach seinem Tode hob Valentinian der Erste die Be¬
schränkungen Julians den Christen gegenüber dadurch auf, daß er die Vor¬
bedingungen der Zulassung bloß an Lebenswandel und Kenntnisse knüpfte-
Demselben Kaiser, der überhaupt neben einer Wildheit und Grausamkeit, die
kaum durch sein cholerisches Temperament und durch die verzweifelte Lage des
Reichs entschuldigt werden kann, eine edle Weisheit als Gesetzgeber entwickelte,
verdanken wir eine interessante Reihe akademischer Gesetze, in denen bereits
die Grundlinien zu allen neueren Regulativen über die studentische Disciplin
enthalten sind. Sie datiren vom Jahre 370 n. Chr. und beziehen sich ZU'
nächst auf die Studirenden zu Rom. wohin eine Menge Jünglinge aus den
Provinzen des Abendlandes kamen, um vorzüglich der in ihrer Heimath nicht


(4000 Thlr.) aus den Mitteln der gallischen Stadt Augustodunum (Mon)
an. Diese Zuschüsse von Seiten der Communen blieben aber oft aus,
besonders als das Christenthum immer weitere Fortschritte machte und
man die Lehrstühle der Rhetorik. Grammatik und Philosophie als unnütze,
ja schädliche Ueberbleibsel und Stützen des Heidenthums anzusehen anfing.
Konstantin sah sich daher genöthigt, durch eine Verordnung jene Zah¬
lungen den Städten einzuschärfen. Außerdem bestätigte er ihre Privilegien
hinsichtlich der städtischen Ehrenämter, des Kriegsdienstes und der Einquar-
tirung und schützte sie gegen Processe und Beleidigungen, indem er jedem Frei¬
geborenen, der ihre Nuhe störte, eine Strafe von 100,000 Sesterzien androhte, jedem
Sklaven eine tüchtige Tracht Schläge. Doch scheint es unter ihm mit der Prüfung
der Candidaten ziemlich leicht genommen worden zu sein; denn Julian erneuerte
die alten Bestimmungen. Wie sehr übrigens der kaiserliche Romantiker die hohe
Aufgabe der Schule begriff und die Würde des Lehrerstandes zu heben bemüht war,
leuchtet klar aus den Worten seines Gesetzes hervor- „Die Lehrer der Wissenschaf¬
ten müssen sich zuerst durch ihre Sitten auszeichnen; dann durch Beredtsamkeit (das
Vorlesen vergilbter Hefte scheint also noch nicht Mode gewesen zu sein!). Aber
weil ich in den einzelnen Gemeinden nicht zugegen sein kann, so mag Jeder,
der Lehrer werden will, nicht plötzlich und willkürlich sich zu diesem Amte drängen,
sondern sich zuvor nach dem Urtheile des Senats mit Zustimmung der Besten
aus der Gemeinde ein Diplom verdienen. Das Wahldecret soll aber jederzeit
mir selbst zur Bestätigung vorgelegt werden." Es ist freilich möglich, daß
die letzte Bestimmung mit der Ausschließung der Christen von den Lehrstühlcn
der Grammatik und Rhetorik zusammenhing, durch welche Maßregel Julian
dem Christenthum den aus der Benutzung der heidnischen Literatur fließenden
Gewinn zu entziehen trachtete. Die Lehrfreiheit beschränkte er außerdem da¬
durch, daß er das Studium der epikuräischen und skeptischen Philosophie ver¬
bot; „haben doch bereits," sagt er, „auch die Götter, woran sie sehr wohl
thaten, diese Schulen vertilgt, so daß auch die meisten ihrer Schriften ver¬
schwunden sind." Bald nach seinem Tode hob Valentinian der Erste die Be¬
schränkungen Julians den Christen gegenüber dadurch auf, daß er die Vor¬
bedingungen der Zulassung bloß an Lebenswandel und Kenntnisse knüpfte-
Demselben Kaiser, der überhaupt neben einer Wildheit und Grausamkeit, die
kaum durch sein cholerisches Temperament und durch die verzweifelte Lage des
Reichs entschuldigt werden kann, eine edle Weisheit als Gesetzgeber entwickelte,
verdanken wir eine interessante Reihe akademischer Gesetze, in denen bereits
die Grundlinien zu allen neueren Regulativen über die studentische Disciplin
enthalten sind. Sie datiren vom Jahre 370 n. Chr. und beziehen sich ZU'
nächst auf die Studirenden zu Rom. wohin eine Menge Jünglinge aus den
Provinzen des Abendlandes kamen, um vorzüglich der in ihrer Heimath nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/184>, abgerufen am 24.08.2024.