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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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matiker. für größere vier von beiden, für die größten fünf. Die Philosophen
waren dabei nicht mit genannt, und vielleicht wollte der Kaiser gerade bei
dieser Facultät mit Vorsicht verfahren, weil nicht nur zu seiner Zeit, sondern
auch vor und nach ihm eine Menge unwürdiger Subjecte sich unter ihre
Fahnen drängte. Lucian hat diese traurigen Nachahmer eines Diogenes in
unvergänglichen Farben abkonterfeit. Mit dem unvermeidlichen, langen
Barte, ihrem Hauptkennzeichen, im kurzen spartanischen Mantel, einen mäch¬
tigen Knittel und einen weiten Ranzen führend, zogen sie in der Welt herum,
predigten, bettelten und faullenzten. Durch Habsucht und Schlemmerei straf¬
ten sie ihre vorgebliche Genügsamkeit und Einfachheit Lügen und machten oft
später von ihren gesammelten Bettelpfennigen ein großes Haus. So ist es
denn auch nicht auffällig, daß im Jahre "69 folgendes Gesetz der Kaiser
Valentinian und Valens diesem Unwesen zu steuern suchte: "Es soll ein Je¬
der in seine Heimath gewiesen werden, der erwiesener Maßen stech und ohne
Verdienst sich die Philosophentracht angeeignet hat, mit Ausnahme Derjenigen,
Welche von bewährten Männern geprüft worden sind und von dieser Hefe ge¬
sondert werden müssen. Denn es ist schändlich, wenn Jemand die Obliegen¬
heiten gegen das Vaterland nicht aushalten kann, der sich rühmt, selbst die
Schläge des Schicksals ertragen zu können." Von Commodus an bis Alexan¬
der Severus wurden die Vertreter der Wissenschaft eher zurückgesetzt als be¬
günstigt. Commodus. der nur am niedrigsten Umgange Geschmack fand, verweigerte
selbst zuweilen die Immunität und antwortete dem Sophisten Philiscus, der
bereits sieben Jahre Professor in Athen gewesen und jenes Vorrechts beraubt
worden war: Weder er noch die anderen Docenten wären steuerfrei; denn der
Kaiser könnte nicht wegen einiger kurzen und erbärmlichen Reden die Gemein¬
den der Steuerpflichtigen berauben. Noch schlimmer stand es mit dem öffent¬
lichen Unterrichte unter Elagabal,. der das alexandrinische Museum aufhob,
weil er in den harmlosen Zusammenkünften der Gelehrten Gefahr für den
Staat witterte, der einem ehemaligen Tänzer die Aufsicht über die Erziehung
und Bildung der Jugend anvertraute, der die Lehrer seines Adoptivsohnes
Alexander Severus. darunter Männer von ausgezeichnetem Rufe, theils tödtete.
theils verbannte. Dennoch gelang es den Bemühungen der Mutter und
Großmutter des Kronprinzen, den Charakter desselben vor Verderbniß zu be¬
wahren, und zur Regierung gelangt, suchte er die heillose Vernachlässi¬
gung des Unterrichtswesens wieder gut zu machen. Er ließ den Lehrern
Rhetorik. Grammatik. Arzneikunde, Astrologie, Mechanik und Baukunst
Honorare zahlen und stiftete für arme Studenten Getreidestipcndien. In
^" Provinzialstädten bezogen die Lehrer ihren Gehalt größtentheils aus
d°n Gemeindekassen, und so wies noch Konstantins des Großen Vater dem
Rhetor Eumenius seinen ausnehmend hohen Gehalt von K0.000 Sesterz.en


matiker. für größere vier von beiden, für die größten fünf. Die Philosophen
waren dabei nicht mit genannt, und vielleicht wollte der Kaiser gerade bei
dieser Facultät mit Vorsicht verfahren, weil nicht nur zu seiner Zeit, sondern
auch vor und nach ihm eine Menge unwürdiger Subjecte sich unter ihre
Fahnen drängte. Lucian hat diese traurigen Nachahmer eines Diogenes in
unvergänglichen Farben abkonterfeit. Mit dem unvermeidlichen, langen
Barte, ihrem Hauptkennzeichen, im kurzen spartanischen Mantel, einen mäch¬
tigen Knittel und einen weiten Ranzen führend, zogen sie in der Welt herum,
predigten, bettelten und faullenzten. Durch Habsucht und Schlemmerei straf¬
ten sie ihre vorgebliche Genügsamkeit und Einfachheit Lügen und machten oft
später von ihren gesammelten Bettelpfennigen ein großes Haus. So ist es
denn auch nicht auffällig, daß im Jahre »69 folgendes Gesetz der Kaiser
Valentinian und Valens diesem Unwesen zu steuern suchte: „Es soll ein Je¬
der in seine Heimath gewiesen werden, der erwiesener Maßen stech und ohne
Verdienst sich die Philosophentracht angeeignet hat, mit Ausnahme Derjenigen,
Welche von bewährten Männern geprüft worden sind und von dieser Hefe ge¬
sondert werden müssen. Denn es ist schändlich, wenn Jemand die Obliegen¬
heiten gegen das Vaterland nicht aushalten kann, der sich rühmt, selbst die
Schläge des Schicksals ertragen zu können." Von Commodus an bis Alexan¬
der Severus wurden die Vertreter der Wissenschaft eher zurückgesetzt als be¬
günstigt. Commodus. der nur am niedrigsten Umgange Geschmack fand, verweigerte
selbst zuweilen die Immunität und antwortete dem Sophisten Philiscus, der
bereits sieben Jahre Professor in Athen gewesen und jenes Vorrechts beraubt
worden war: Weder er noch die anderen Docenten wären steuerfrei; denn der
Kaiser könnte nicht wegen einiger kurzen und erbärmlichen Reden die Gemein¬
den der Steuerpflichtigen berauben. Noch schlimmer stand es mit dem öffent¬
lichen Unterrichte unter Elagabal,. der das alexandrinische Museum aufhob,
weil er in den harmlosen Zusammenkünften der Gelehrten Gefahr für den
Staat witterte, der einem ehemaligen Tänzer die Aufsicht über die Erziehung
und Bildung der Jugend anvertraute, der die Lehrer seines Adoptivsohnes
Alexander Severus. darunter Männer von ausgezeichnetem Rufe, theils tödtete.
theils verbannte. Dennoch gelang es den Bemühungen der Mutter und
Großmutter des Kronprinzen, den Charakter desselben vor Verderbniß zu be¬
wahren, und zur Regierung gelangt, suchte er die heillose Vernachlässi¬
gung des Unterrichtswesens wieder gut zu machen. Er ließ den Lehrern
Rhetorik. Grammatik. Arzneikunde, Astrologie, Mechanik und Baukunst
Honorare zahlen und stiftete für arme Studenten Getreidestipcndien. In
^» Provinzialstädten bezogen die Lehrer ihren Gehalt größtentheils aus
d°n Gemeindekassen, und so wies noch Konstantins des Großen Vater dem
Rhetor Eumenius seinen ausnehmend hohen Gehalt von K0.000 Sesterz.en


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/183>, abgerufen am 24.08.2024.