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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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enorme Erhöhung der städtischen Communal-Schulden. Nachdem die Kriegs¬
jahre überstanden waren, hatte Hadersleben nach Abzug der Activa 1850 eine
Cnpitalschuld von 50,000 Rbthlr., und hat jetzt nach zehnjährigen Frieden, die
für die Verhältnisse der Stadt enorme Schuldenlast von 300,000 Rbthlr. nach
Abzug der Activa. Diesem gemäß verhalten sich die Abgaben nach Schluß
des Krieges wie 1 zu 2'/z. Flensburg hatte im Jahr 1850 nach Abzug der
Activa 165.889 Rbthlr. Capitalschuld und hatte bereits am 1. Januar 1859
nach Abzug der Activa eine Capitalschuld von 409,775 Rbthlrn., obwol das
Budget 1850 so gestellt war, daß 1861 die im Jahre 1850 vorhandene Ca¬
pitalschuld völlig getilgt gewesen wäre, wenn man nach dem Budget operirt
hätte. Apenrade, eine Stadt von 4000 Einw., hatte 1850 nach Abzug der
Activa eine Capitalschuld von 23.200 Rbthlr. und hat 1860 nach Abzug der
Activa eine Capitalschuld von 95,017 Rbthlr.

Wenn auf dem Festlande Nord-Schleswigs alles Deutsche mit argwöh¬
nischer Strenge verfolgt wird, so wird jedes nicht dänische Wort und jede
auch nur im Entferntesten sich kundgebende deutsche Gesinnung Einzelner auf
der Insel Alsen mit despotischen Terrorismus geahndet. Alsen, das nie von
deutschen Truppen betreten worden ist. wird von den Dänen als eine Festung
angesehen und behandelt. 'Während sich die Bevölkerung aus dem.Festlnndc
ziemlich unverholen über schlechte Justiz und Verwaltung Luft macht, wagt
man auf Alsen selbst dies nicht einmal zu thun. Die Bevölkerung ist völlig
unter die Füße getreten und folgt den sie mißhandelnden Beamten willenlos,
aus Furcht, ein noch größeres Uebel möge sie befallen.

Die allgemeine Stimmung und der moralische Zustand der Bevölkerung
wird am besten charakterisiert, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, daß
dem Norden Schleswigs freie Hand gegeben würde, durch Abstimmung selbst
sein Loos zu entscheiden. Hier ist vor allen Dingen zu bemerken, daß der
Norden Schleswigs, sofern nicht der Süden Schleswigs mit 'stimmen sollte,
überhaupt jede Stimmabgabe verweigern würde, und wird dies von den Leuten
so motivirt, daß, wenn es später doch nicht nach ihrer Abstimmung gehen
würde, sie sich entweder von Seiten der Deutschen oder der Dänen eine üble
Behandlung zuziehen würden. Gesetzt nun also, daß der Norden und Süden,
also ganz Schleswig, über sein Loos durch Abstimmung entscheiden sollte, so
würde das Resultat der Abstimmung im Norden, je nach der Fragstellung,
sehr verschieden sein. Die Frage so gestellt gedacht: "wollt Ihr Schleswiger
bleiben oder Dänemark incorporirt werden", würde die Ablehnung der In-
corporation von der entschiedenen Majorität, abgesehen vom südlichen Schles¬
wig, zur Folge haben. Wird die Frage aber so gestellt: "wollt Ihr zu
Deutschland oder zu Dänemark gehören", ist die entschiedene Majorität des Nor¬
dens auf Dänemarks Seite. Keinen Unterschied in dem Resultate der Ab-


enorme Erhöhung der städtischen Communal-Schulden. Nachdem die Kriegs¬
jahre überstanden waren, hatte Hadersleben nach Abzug der Activa 1850 eine
Cnpitalschuld von 50,000 Rbthlr., und hat jetzt nach zehnjährigen Frieden, die
für die Verhältnisse der Stadt enorme Schuldenlast von 300,000 Rbthlr. nach
Abzug der Activa. Diesem gemäß verhalten sich die Abgaben nach Schluß
des Krieges wie 1 zu 2'/z. Flensburg hatte im Jahr 1850 nach Abzug der
Activa 165.889 Rbthlr. Capitalschuld und hatte bereits am 1. Januar 1859
nach Abzug der Activa eine Capitalschuld von 409,775 Rbthlrn., obwol das
Budget 1850 so gestellt war, daß 1861 die im Jahre 1850 vorhandene Ca¬
pitalschuld völlig getilgt gewesen wäre, wenn man nach dem Budget operirt
hätte. Apenrade, eine Stadt von 4000 Einw., hatte 1850 nach Abzug der
Activa eine Capitalschuld von 23.200 Rbthlr. und hat 1860 nach Abzug der
Activa eine Capitalschuld von 95,017 Rbthlr.

Wenn auf dem Festlande Nord-Schleswigs alles Deutsche mit argwöh¬
nischer Strenge verfolgt wird, so wird jedes nicht dänische Wort und jede
auch nur im Entferntesten sich kundgebende deutsche Gesinnung Einzelner auf
der Insel Alsen mit despotischen Terrorismus geahndet. Alsen, das nie von
deutschen Truppen betreten worden ist. wird von den Dänen als eine Festung
angesehen und behandelt. 'Während sich die Bevölkerung aus dem.Festlnndc
ziemlich unverholen über schlechte Justiz und Verwaltung Luft macht, wagt
man auf Alsen selbst dies nicht einmal zu thun. Die Bevölkerung ist völlig
unter die Füße getreten und folgt den sie mißhandelnden Beamten willenlos,
aus Furcht, ein noch größeres Uebel möge sie befallen.

Die allgemeine Stimmung und der moralische Zustand der Bevölkerung
wird am besten charakterisiert, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, daß
dem Norden Schleswigs freie Hand gegeben würde, durch Abstimmung selbst
sein Loos zu entscheiden. Hier ist vor allen Dingen zu bemerken, daß der
Norden Schleswigs, sofern nicht der Süden Schleswigs mit 'stimmen sollte,
überhaupt jede Stimmabgabe verweigern würde, und wird dies von den Leuten
so motivirt, daß, wenn es später doch nicht nach ihrer Abstimmung gehen
würde, sie sich entweder von Seiten der Deutschen oder der Dänen eine üble
Behandlung zuziehen würden. Gesetzt nun also, daß der Norden und Süden,
also ganz Schleswig, über sein Loos durch Abstimmung entscheiden sollte, so
würde das Resultat der Abstimmung im Norden, je nach der Fragstellung,
sehr verschieden sein. Die Frage so gestellt gedacht: „wollt Ihr Schleswiger
bleiben oder Dänemark incorporirt werden", würde die Ablehnung der In-
corporation von der entschiedenen Majorität, abgesehen vom südlichen Schles¬
wig, zur Folge haben. Wird die Frage aber so gestellt: „wollt Ihr zu
Deutschland oder zu Dänemark gehören", ist die entschiedene Majorität des Nor¬
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[0176] enorme Erhöhung der städtischen Communal-Schulden. Nachdem die Kriegs¬ jahre überstanden waren, hatte Hadersleben nach Abzug der Activa 1850 eine Cnpitalschuld von 50,000 Rbthlr., und hat jetzt nach zehnjährigen Frieden, die für die Verhältnisse der Stadt enorme Schuldenlast von 300,000 Rbthlr. nach Abzug der Activa. Diesem gemäß verhalten sich die Abgaben nach Schluß des Krieges wie 1 zu 2'/z. Flensburg hatte im Jahr 1850 nach Abzug der Activa 165.889 Rbthlr. Capitalschuld und hatte bereits am 1. Januar 1859 nach Abzug der Activa eine Capitalschuld von 409,775 Rbthlrn., obwol das Budget 1850 so gestellt war, daß 1861 die im Jahre 1850 vorhandene Ca¬ pitalschuld völlig getilgt gewesen wäre, wenn man nach dem Budget operirt hätte. Apenrade, eine Stadt von 4000 Einw., hatte 1850 nach Abzug der Activa eine Capitalschuld von 23.200 Rbthlr. und hat 1860 nach Abzug der Activa eine Capitalschuld von 95,017 Rbthlr. Wenn auf dem Festlande Nord-Schleswigs alles Deutsche mit argwöh¬ nischer Strenge verfolgt wird, so wird jedes nicht dänische Wort und jede auch nur im Entferntesten sich kundgebende deutsche Gesinnung Einzelner auf der Insel Alsen mit despotischen Terrorismus geahndet. Alsen, das nie von deutschen Truppen betreten worden ist. wird von den Dänen als eine Festung angesehen und behandelt. 'Während sich die Bevölkerung aus dem.Festlnndc ziemlich unverholen über schlechte Justiz und Verwaltung Luft macht, wagt man auf Alsen selbst dies nicht einmal zu thun. Die Bevölkerung ist völlig unter die Füße getreten und folgt den sie mißhandelnden Beamten willenlos, aus Furcht, ein noch größeres Uebel möge sie befallen. Die allgemeine Stimmung und der moralische Zustand der Bevölkerung wird am besten charakterisiert, wenn man sich den Fall vergegenwärtigt, daß dem Norden Schleswigs freie Hand gegeben würde, durch Abstimmung selbst sein Loos zu entscheiden. Hier ist vor allen Dingen zu bemerken, daß der Norden Schleswigs, sofern nicht der Süden Schleswigs mit 'stimmen sollte, überhaupt jede Stimmabgabe verweigern würde, und wird dies von den Leuten so motivirt, daß, wenn es später doch nicht nach ihrer Abstimmung gehen würde, sie sich entweder von Seiten der Deutschen oder der Dänen eine üble Behandlung zuziehen würden. Gesetzt nun also, daß der Norden und Süden, also ganz Schleswig, über sein Loos durch Abstimmung entscheiden sollte, so würde das Resultat der Abstimmung im Norden, je nach der Fragstellung, sehr verschieden sein. Die Frage so gestellt gedacht: „wollt Ihr Schleswiger bleiben oder Dänemark incorporirt werden", würde die Ablehnung der In- corporation von der entschiedenen Majorität, abgesehen vom südlichen Schles¬ wig, zur Folge haben. Wird die Frage aber so gestellt: „wollt Ihr zu Deutschland oder zu Dänemark gehören", ist die entschiedene Majorität des Nor¬ dens auf Dänemarks Seite. Keinen Unterschied in dem Resultate der Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/176>, abgerufen am 22.07.2024.