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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Stimmung würde es herbeiführen, wenn dem Norden die Wahl zwischen Dä¬
nemark und der Herstellung Schleswig-Holsteins gelassen würde, denn dieses
ist demselben als gleichbedeutend mit der Incorporation in den deutschen Bund
dargestellt worden, von welchem man dort die fabelhaftesten Vorstellungen
hat. und den sichern Ruin des Landes erwartet. Die Insel Alsen würde unter
allen Umständen und ohne allen Dissens für die Incorporation in Dänemark
stimmen.

Wenn trotz dieser trübseligen Zustände Aussichten vorhanden sind. daß
die deutsche Majorität der schleswigschen Ständeversammlung durch die be¬
vorstehenden Neuwahlen verstärkt wird,*) so hat dies seinen Grund theils in
dem bereits Gesagten, theils in persönlichen Verhältnissen. In dem bereits
Gesagten ist diese Erscheinung insofern zu suchen, als die Bevölkerung sich mit
dem Danismus der bisherigen Minorität der Stände un Widerspruch befindet.
Die Minorität kann die Klagen der Bevölkerung nicht erhören, wenn sie nicht
ihr ganzes System über den Haufen werfen will; sie kann nicht in der Stünde¬
versammlung erklären, daß Schleswig von lauter Beamten regiert wird, die
weder Kenntniß Schleswiger Verhältnisse, noch den Willen haben, auf das
Wohl des Landes Rücksicht zu nehmen; sie kann nicht sagen, daß es den In¬
teressen des Landes widerspricht, gezwungen dem dänischen Münzsystem zu
folgen; sie kann nicht sagen, daß die gänzliche Verdrängung der deutschen
Sprache aus der Administration die weitgreifendsten nachtheiligen Folgen hat;
sie kann endlich nicht sagen, daß das Land unrechtmäßig und gegen das eigene
Interesse eine so große Steuerlast trägt. Das sind aber die Gravamina,
welche die herrschende Unzufriedenheit und Erbitterung hervorrufen. Schlie߬
lich kann die Minorität der vorherigen Ständeversammlung diese Beschwerden
nicht abstellen helfen, weil sie zum größten Theil aus den Mitgliedern der
ultra-eidcrdänischen Propaganda besteht, die ihr Emporkommen zu der Ehre
ständischer Vertreter nicht ihrer geistigen Befähigung, wol aber lediglich ihrem
wilden Eifer für ein Königreich Dänemark bis zur Eider verdankt. Das Kö¬
nigreich Dünemark bis zur Eider interesstrt aber den Norden Schleswigs, wie
"uf das Bestimmteste behauptet werden darf, nicht im Mindesten.

So wenig nun die Bevölkerung von den bisherigen Mitgliedern der Mi¬
norität für die Abstellung ihrer Beschwerden etwas zu hoffen hat. so wenig
befindet sie sich in der Lage, trotz allem realistischen Sinn und dänischen
^suhlen, die Personen, welche die Minorität der Stände ausmachten, zu
"edlen. Der größte Theil der Minorität ist aus völlig untergeordneten Stel¬
lungen in den Ständesaal gekommen und hat dies die Menschen übermüthig
"Ub tyrannisch gemacht, sie zu dem Dünkel veranlaßt, als hinge das Heil
'



") Jstnicht geschehen, vielmehr hat sich die Majorität um einige Stimmen ^"mindert.

Stimmung würde es herbeiführen, wenn dem Norden die Wahl zwischen Dä¬
nemark und der Herstellung Schleswig-Holsteins gelassen würde, denn dieses
ist demselben als gleichbedeutend mit der Incorporation in den deutschen Bund
dargestellt worden, von welchem man dort die fabelhaftesten Vorstellungen
hat. und den sichern Ruin des Landes erwartet. Die Insel Alsen würde unter
allen Umständen und ohne allen Dissens für die Incorporation in Dänemark
stimmen.

Wenn trotz dieser trübseligen Zustände Aussichten vorhanden sind. daß
die deutsche Majorität der schleswigschen Ständeversammlung durch die be¬
vorstehenden Neuwahlen verstärkt wird,*) so hat dies seinen Grund theils in
dem bereits Gesagten, theils in persönlichen Verhältnissen. In dem bereits
Gesagten ist diese Erscheinung insofern zu suchen, als die Bevölkerung sich mit
dem Danismus der bisherigen Minorität der Stände un Widerspruch befindet.
Die Minorität kann die Klagen der Bevölkerung nicht erhören, wenn sie nicht
ihr ganzes System über den Haufen werfen will; sie kann nicht in der Stünde¬
versammlung erklären, daß Schleswig von lauter Beamten regiert wird, die
weder Kenntniß Schleswiger Verhältnisse, noch den Willen haben, auf das
Wohl des Landes Rücksicht zu nehmen; sie kann nicht sagen, daß es den In¬
teressen des Landes widerspricht, gezwungen dem dänischen Münzsystem zu
folgen; sie kann nicht sagen, daß die gänzliche Verdrängung der deutschen
Sprache aus der Administration die weitgreifendsten nachtheiligen Folgen hat;
sie kann endlich nicht sagen, daß das Land unrechtmäßig und gegen das eigene
Interesse eine so große Steuerlast trägt. Das sind aber die Gravamina,
welche die herrschende Unzufriedenheit und Erbitterung hervorrufen. Schlie߬
lich kann die Minorität der vorherigen Ständeversammlung diese Beschwerden
nicht abstellen helfen, weil sie zum größten Theil aus den Mitgliedern der
ultra-eidcrdänischen Propaganda besteht, die ihr Emporkommen zu der Ehre
ständischer Vertreter nicht ihrer geistigen Befähigung, wol aber lediglich ihrem
wilden Eifer für ein Königreich Dänemark bis zur Eider verdankt. Das Kö¬
nigreich Dünemark bis zur Eider interesstrt aber den Norden Schleswigs, wie
"uf das Bestimmteste behauptet werden darf, nicht im Mindesten.

So wenig nun die Bevölkerung von den bisherigen Mitgliedern der Mi¬
norität für die Abstellung ihrer Beschwerden etwas zu hoffen hat. so wenig
befindet sie sich in der Lage, trotz allem realistischen Sinn und dänischen
^suhlen, die Personen, welche die Minorität der Stände ausmachten, zu
"edlen. Der größte Theil der Minorität ist aus völlig untergeordneten Stel¬
lungen in den Ständesaal gekommen und hat dies die Menschen übermüthig
"Ub tyrannisch gemacht, sie zu dem Dünkel veranlaßt, als hinge das Heil
'



") Jstnicht geschehen, vielmehr hat sich die Majorität um einige Stimmen ^"mindert.
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[0177] Stimmung würde es herbeiführen, wenn dem Norden die Wahl zwischen Dä¬ nemark und der Herstellung Schleswig-Holsteins gelassen würde, denn dieses ist demselben als gleichbedeutend mit der Incorporation in den deutschen Bund dargestellt worden, von welchem man dort die fabelhaftesten Vorstellungen hat. und den sichern Ruin des Landes erwartet. Die Insel Alsen würde unter allen Umständen und ohne allen Dissens für die Incorporation in Dänemark stimmen. Wenn trotz dieser trübseligen Zustände Aussichten vorhanden sind. daß die deutsche Majorität der schleswigschen Ständeversammlung durch die be¬ vorstehenden Neuwahlen verstärkt wird,*) so hat dies seinen Grund theils in dem bereits Gesagten, theils in persönlichen Verhältnissen. In dem bereits Gesagten ist diese Erscheinung insofern zu suchen, als die Bevölkerung sich mit dem Danismus der bisherigen Minorität der Stände un Widerspruch befindet. Die Minorität kann die Klagen der Bevölkerung nicht erhören, wenn sie nicht ihr ganzes System über den Haufen werfen will; sie kann nicht in der Stünde¬ versammlung erklären, daß Schleswig von lauter Beamten regiert wird, die weder Kenntniß Schleswiger Verhältnisse, noch den Willen haben, auf das Wohl des Landes Rücksicht zu nehmen; sie kann nicht sagen, daß es den In¬ teressen des Landes widerspricht, gezwungen dem dänischen Münzsystem zu folgen; sie kann nicht sagen, daß die gänzliche Verdrängung der deutschen Sprache aus der Administration die weitgreifendsten nachtheiligen Folgen hat; sie kann endlich nicht sagen, daß das Land unrechtmäßig und gegen das eigene Interesse eine so große Steuerlast trägt. Das sind aber die Gravamina, welche die herrschende Unzufriedenheit und Erbitterung hervorrufen. Schlie߬ lich kann die Minorität der vorherigen Ständeversammlung diese Beschwerden nicht abstellen helfen, weil sie zum größten Theil aus den Mitgliedern der ultra-eidcrdänischen Propaganda besteht, die ihr Emporkommen zu der Ehre ständischer Vertreter nicht ihrer geistigen Befähigung, wol aber lediglich ihrem wilden Eifer für ein Königreich Dänemark bis zur Eider verdankt. Das Kö¬ nigreich Dünemark bis zur Eider interesstrt aber den Norden Schleswigs, wie "uf das Bestimmteste behauptet werden darf, nicht im Mindesten. So wenig nun die Bevölkerung von den bisherigen Mitgliedern der Mi¬ norität für die Abstellung ihrer Beschwerden etwas zu hoffen hat. so wenig befindet sie sich in der Lage, trotz allem realistischen Sinn und dänischen ^suhlen, die Personen, welche die Minorität der Stände ausmachten, zu "edlen. Der größte Theil der Minorität ist aus völlig untergeordneten Stel¬ lungen in den Ständesaal gekommen und hat dies die Menschen übermüthig "Ub tyrannisch gemacht, sie zu dem Dünkel veranlaßt, als hinge das Heil ' ") Jstnicht geschehen, vielmehr hat sich die Majorität um einige Stimmen ^"mindert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/177>, abgerufen am 22.07.2024.