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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Aber Nord-Schleswig soll auch pecuniär von Dänemark abhängig ge¬
macht werden. Die dänische Reichsmünzc ist selbst dem Norden höchst lästig
und widerwärtig, weil demselben die richtige Werthabschätzung der Verkanfs-
oder Ankaufs-Objecte nach Rcichsmünze nicht geläufig ist und weil durch die
Einführung derselben viele Gegenstände des täglichen Lebens vertheucrt wor-
den sind. , Was früher 2 Schilling kostete, kostet jetzt 2V- ^ 8 Schil-
ling Reichsmünze, so daß. wenn in kleiner Münze früher 24 Schilling aus¬
reichten, jetzt 30 Schilling Courant 1 Rthlr. erforderlich sind. Man hat
sich selbst im Norden noch nicht daran gewöhnt, in dänischer Münze zu han¬
deln, sondern jeder größere Handel wird nach wie vor "in alten Thalern",
"gamle Daler", d. h. Schleswig-holsteinische Thaler, abgeschlossen. Aber hier¬
von abgesehen, haben sich die Creditverhältnisse in einem solchen Grade ver¬
schlechtert, daß die sonst wohlhabenden Bauern in der größten Verlegenheit
sind. Wenn auch vor 1848 dort die Gerichtssprache der Untergeriehte und
die amtliche Sprache bei den Verwaltungs-Local-Behörden die dänische war,
so ging der Terrorismus doch nicht so weit, daß man deutschen Dokumenten
der Eingesessenen über ihre Hypotheken die Klagbarkeii versagte; jetzt müssen
aber alle Documente nach dänischen Ritus abgefaßt werden. Gleich in den
fünfziger Jahren begannen die Geldverlegenheiten der Nord-Schleswiger;
die disponiblen Gelder des südlichen Schleswig wurden ihnen entzogen, und
der Kieler Geldmarkt verweigerte ihnen die Aushilfe. Ja selbst die Fleus-
ourger Sparkasse, und dies ist eine beachtenswerthe Erscheinung, kündigte
ihre Hypotheken in Nord-Schleswig, und verweigert jetzt grundsätzlich jede
Hypothek daselbst. In ihrer Noth kamen die Leute nach Hamburg, indessen
bat es nicht gelingen wollen, aus Hypotheken von pupillarischer Sicherheit
Geld zu erlangen, und hat man als Entscheidungsgründe angegeben, daß die
Zustände dort im Allgemeinen keine hinreichende Sicherheit gewährten, und dann,
daß man die in dänischer Sprache und Form aufgestellten Schulddocu-
wente nicht verstehe. Diese trübseligen Zustände haben die Leute unwillkür¬
lich in die Hände der dänischen Beamten getrieben, durch deren Vermittelung
dänische Capitalien unter Umständen herangezogen werden. Charakteristisch
'se es. daß man dänischer Seits auch hier nicht, wo man doch die Absicht hat,
den Norden Schleswigs fester um Dänemark zu binden, von so scmpulösen,
Politischen Betrachtungen absehen kaun. Die Vermittlung solcher Hypotheken-
Felder findet, nämlich nur dann Statt, wenn dem Amtmann der Bittsteller als
"fuger dänischer Patriot bekannt ist. so daß die Gewährung eines Geldpostens
gegen mehr als gute Sicherheit ein Act der Gnade und Belohnung wird;
Fürsprache, des Amtmanns, nicht die Hypothek als solche entscheidet.

Eine ferner beachtenswerthe Erscheinung und ein Beweis dafür, mit wie
""eng Sorgsamst und Interesse die Beamten ihre Aemter verwalten, ist die


Aber Nord-Schleswig soll auch pecuniär von Dänemark abhängig ge¬
macht werden. Die dänische Reichsmünzc ist selbst dem Norden höchst lästig
und widerwärtig, weil demselben die richtige Werthabschätzung der Verkanfs-
oder Ankaufs-Objecte nach Rcichsmünze nicht geläufig ist und weil durch die
Einführung derselben viele Gegenstände des täglichen Lebens vertheucrt wor-
den sind. , Was früher 2 Schilling kostete, kostet jetzt 2V- ^ 8 Schil-
ling Reichsmünze, so daß. wenn in kleiner Münze früher 24 Schilling aus¬
reichten, jetzt 30 Schilling Courant 1 Rthlr. erforderlich sind. Man hat
sich selbst im Norden noch nicht daran gewöhnt, in dänischer Münze zu han¬
deln, sondern jeder größere Handel wird nach wie vor „in alten Thalern",
»gamle Daler", d. h. Schleswig-holsteinische Thaler, abgeschlossen. Aber hier¬
von abgesehen, haben sich die Creditverhältnisse in einem solchen Grade ver¬
schlechtert, daß die sonst wohlhabenden Bauern in der größten Verlegenheit
sind. Wenn auch vor 1848 dort die Gerichtssprache der Untergeriehte und
die amtliche Sprache bei den Verwaltungs-Local-Behörden die dänische war,
so ging der Terrorismus doch nicht so weit, daß man deutschen Dokumenten
der Eingesessenen über ihre Hypotheken die Klagbarkeii versagte; jetzt müssen
aber alle Documente nach dänischen Ritus abgefaßt werden. Gleich in den
fünfziger Jahren begannen die Geldverlegenheiten der Nord-Schleswiger;
die disponiblen Gelder des südlichen Schleswig wurden ihnen entzogen, und
der Kieler Geldmarkt verweigerte ihnen die Aushilfe. Ja selbst die Fleus-
ourger Sparkasse, und dies ist eine beachtenswerthe Erscheinung, kündigte
ihre Hypotheken in Nord-Schleswig, und verweigert jetzt grundsätzlich jede
Hypothek daselbst. In ihrer Noth kamen die Leute nach Hamburg, indessen
bat es nicht gelingen wollen, aus Hypotheken von pupillarischer Sicherheit
Geld zu erlangen, und hat man als Entscheidungsgründe angegeben, daß die
Zustände dort im Allgemeinen keine hinreichende Sicherheit gewährten, und dann,
daß man die in dänischer Sprache und Form aufgestellten Schulddocu-
wente nicht verstehe. Diese trübseligen Zustände haben die Leute unwillkür¬
lich in die Hände der dänischen Beamten getrieben, durch deren Vermittelung
dänische Capitalien unter Umständen herangezogen werden. Charakteristisch
'se es. daß man dänischer Seits auch hier nicht, wo man doch die Absicht hat,
den Norden Schleswigs fester um Dänemark zu binden, von so scmpulösen,
Politischen Betrachtungen absehen kaun. Die Vermittlung solcher Hypotheken-
Felder findet, nämlich nur dann Statt, wenn dem Amtmann der Bittsteller als
"fuger dänischer Patriot bekannt ist. so daß die Gewährung eines Geldpostens
gegen mehr als gute Sicherheit ein Act der Gnade und Belohnung wird;
Fürsprache, des Amtmanns, nicht die Hypothek als solche entscheidet.

Eine ferner beachtenswerthe Erscheinung und ein Beweis dafür, mit wie
""eng Sorgsamst und Interesse die Beamten ihre Aemter verwalten, ist die


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[0175] Aber Nord-Schleswig soll auch pecuniär von Dänemark abhängig ge¬ macht werden. Die dänische Reichsmünzc ist selbst dem Norden höchst lästig und widerwärtig, weil demselben die richtige Werthabschätzung der Verkanfs- oder Ankaufs-Objecte nach Rcichsmünze nicht geläufig ist und weil durch die Einführung derselben viele Gegenstände des täglichen Lebens vertheucrt wor- den sind. , Was früher 2 Schilling kostete, kostet jetzt 2V- ^ 8 Schil- ling Reichsmünze, so daß. wenn in kleiner Münze früher 24 Schilling aus¬ reichten, jetzt 30 Schilling Courant 1 Rthlr. erforderlich sind. Man hat sich selbst im Norden noch nicht daran gewöhnt, in dänischer Münze zu han¬ deln, sondern jeder größere Handel wird nach wie vor „in alten Thalern", »gamle Daler", d. h. Schleswig-holsteinische Thaler, abgeschlossen. Aber hier¬ von abgesehen, haben sich die Creditverhältnisse in einem solchen Grade ver¬ schlechtert, daß die sonst wohlhabenden Bauern in der größten Verlegenheit sind. Wenn auch vor 1848 dort die Gerichtssprache der Untergeriehte und die amtliche Sprache bei den Verwaltungs-Local-Behörden die dänische war, so ging der Terrorismus doch nicht so weit, daß man deutschen Dokumenten der Eingesessenen über ihre Hypotheken die Klagbarkeii versagte; jetzt müssen aber alle Documente nach dänischen Ritus abgefaßt werden. Gleich in den fünfziger Jahren begannen die Geldverlegenheiten der Nord-Schleswiger; die disponiblen Gelder des südlichen Schleswig wurden ihnen entzogen, und der Kieler Geldmarkt verweigerte ihnen die Aushilfe. Ja selbst die Fleus- ourger Sparkasse, und dies ist eine beachtenswerthe Erscheinung, kündigte ihre Hypotheken in Nord-Schleswig, und verweigert jetzt grundsätzlich jede Hypothek daselbst. In ihrer Noth kamen die Leute nach Hamburg, indessen bat es nicht gelingen wollen, aus Hypotheken von pupillarischer Sicherheit Geld zu erlangen, und hat man als Entscheidungsgründe angegeben, daß die Zustände dort im Allgemeinen keine hinreichende Sicherheit gewährten, und dann, daß man die in dänischer Sprache und Form aufgestellten Schulddocu- wente nicht verstehe. Diese trübseligen Zustände haben die Leute unwillkür¬ lich in die Hände der dänischen Beamten getrieben, durch deren Vermittelung dänische Capitalien unter Umständen herangezogen werden. Charakteristisch 'se es. daß man dänischer Seits auch hier nicht, wo man doch die Absicht hat, den Norden Schleswigs fester um Dänemark zu binden, von so scmpulösen, Politischen Betrachtungen absehen kaun. Die Vermittlung solcher Hypotheken- Felder findet, nämlich nur dann Statt, wenn dem Amtmann der Bittsteller als "fuger dänischer Patriot bekannt ist. so daß die Gewährung eines Geldpostens gegen mehr als gute Sicherheit ein Act der Gnade und Belohnung wird; Fürsprache, des Amtmanns, nicht die Hypothek als solche entscheidet. Eine ferner beachtenswerthe Erscheinung und ein Beweis dafür, mit wie ""eng Sorgsamst und Interesse die Beamten ihre Aemter verwalten, ist die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/175>, abgerufen am 28.09.2024.