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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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als eifrigen Verehrer Frankreichs bekannten, durch Mentschikoffs Einfluß früher
schürzten Ministerpräsidenten Garaschanin zur Negierung verhelfen zu können
hoffte. Der Russe wirkte durch schlaues Ränkespinnen, wobei ihm seine Frau,
die gern eine kleine Fürstin Lieven gespielt hätte, recht gute Dienste leistete,
und worin er um so bessere Erfolge erzielte, als Milosch's Rückberufung. freilich
aus andern Gründen als die der russischen Politik waren, auch der Wunsch der
nationalen Partei war. Des Essards suchte durch insolentes Auftreten beim
Fürsten, Drohungen und Einschüchterungen, sowie durch cordiales Verhalten
gegen die Häupter der den Fürsten feindlichen Partei zu reussiren, aber sein
Candidat war nicht der Mann, den man wollte, und so konnte er Reim Sturz
Alexanders, nicht aber bei dessen Ersetzung helfen.

Da die Gelegenheit, den Fürsten durch eine Revolution loszuwerden,
durch Oestreichs Gegenminen verzögert wurde, so schmiedete man das bekannte
Complott zu seiner Ermordung, welches mit Entdeckung und Bestrafung der
Hauptverschwornen endigte. Die Wirren aber dauerten fort. Der Senat
strebte sich ganz unabhängig vom Fürsten zu machen und man nöthigte ihn,
seine Minister nur aus der Zahl der Senatoren zu nehmen. Eine Pforten¬
commission, aus Elben Pascha und Kabuli Effendi bestehend, erschien,-um den
Streit zu schlichten, machte das Uebel aber nur ärger. Wie man sagt, durch
den reichen Mischa Anastasiewitsch mit goldnen Gründen gewonnen, agitirten
diese türkischen Herren ganz gegen das Interesse ihrer Regierung, indem sie
den Fürsten zu neuen Zugeständnissen zwangen und ihm so die letzten Stützen
entzogen, die ihn vor dem Sturz bewahrt hatten. Ende November 1858
trat die bekannte Se. Andreas-Skupschtina zusammen, welche Alexander ab¬
setzte und in die Verbannung schickte und Milosch Obrenowitsch. der von Bu¬
karest aus durch Geld und Rath die Intrigue unterstützt hatte, wieder auf
den Fürstensitz berief.

Mit dieser Epoche beginnt das eigentliche Handeln für den allgemeinen
Aufstand der Völker in der Türkei. Milosch war alt, aber noch kräftigen
Geistes, sein Name hatte bei allen Südslaven einen guten Klang; so beliebt
er bei diesen war, so gefürchtet war er unter den Türken. Er war auch
keineswegs abgeneigt, das Werk in die Hand zu nehmen, und wenn er früher
der Partisan Rußlands gewesen, so neigte er jetzt stärker zu Frankreich und
Sardinien hin, die damals den Krieg gegen Oestreich vorbereiteten und ihm
förderlicher als das geschwächte Rußland sein konnten, ohne wie dieses den
Hintergedanken an Einheimsung der Früchte seiner und seines Volkes Arbeit
Zu hegen. Seine Beziehungen zu dem neu accreditirtcn sardinischen Consul
Astengo, der schon öffentlich Toaste auf "Milosch, den Czar der Serben" aus¬
brachte, wurden bald sehr intim. Als der italienische Krieg ausbrechen wollte,
uef Milosch alle im Ausland studirenden serbischen Offiziere heim, ließ die


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als eifrigen Verehrer Frankreichs bekannten, durch Mentschikoffs Einfluß früher
schürzten Ministerpräsidenten Garaschanin zur Negierung verhelfen zu können
hoffte. Der Russe wirkte durch schlaues Ränkespinnen, wobei ihm seine Frau,
die gern eine kleine Fürstin Lieven gespielt hätte, recht gute Dienste leistete,
und worin er um so bessere Erfolge erzielte, als Milosch's Rückberufung. freilich
aus andern Gründen als die der russischen Politik waren, auch der Wunsch der
nationalen Partei war. Des Essards suchte durch insolentes Auftreten beim
Fürsten, Drohungen und Einschüchterungen, sowie durch cordiales Verhalten
gegen die Häupter der den Fürsten feindlichen Partei zu reussiren, aber sein
Candidat war nicht der Mann, den man wollte, und so konnte er Reim Sturz
Alexanders, nicht aber bei dessen Ersetzung helfen.

Da die Gelegenheit, den Fürsten durch eine Revolution loszuwerden,
durch Oestreichs Gegenminen verzögert wurde, so schmiedete man das bekannte
Complott zu seiner Ermordung, welches mit Entdeckung und Bestrafung der
Hauptverschwornen endigte. Die Wirren aber dauerten fort. Der Senat
strebte sich ganz unabhängig vom Fürsten zu machen und man nöthigte ihn,
seine Minister nur aus der Zahl der Senatoren zu nehmen. Eine Pforten¬
commission, aus Elben Pascha und Kabuli Effendi bestehend, erschien,-um den
Streit zu schlichten, machte das Uebel aber nur ärger. Wie man sagt, durch
den reichen Mischa Anastasiewitsch mit goldnen Gründen gewonnen, agitirten
diese türkischen Herren ganz gegen das Interesse ihrer Regierung, indem sie
den Fürsten zu neuen Zugeständnissen zwangen und ihm so die letzten Stützen
entzogen, die ihn vor dem Sturz bewahrt hatten. Ende November 1858
trat die bekannte Se. Andreas-Skupschtina zusammen, welche Alexander ab¬
setzte und in die Verbannung schickte und Milosch Obrenowitsch. der von Bu¬
karest aus durch Geld und Rath die Intrigue unterstützt hatte, wieder auf
den Fürstensitz berief.

Mit dieser Epoche beginnt das eigentliche Handeln für den allgemeinen
Aufstand der Völker in der Türkei. Milosch war alt, aber noch kräftigen
Geistes, sein Name hatte bei allen Südslaven einen guten Klang; so beliebt
er bei diesen war, so gefürchtet war er unter den Türken. Er war auch
keineswegs abgeneigt, das Werk in die Hand zu nehmen, und wenn er früher
der Partisan Rußlands gewesen, so neigte er jetzt stärker zu Frankreich und
Sardinien hin, die damals den Krieg gegen Oestreich vorbereiteten und ihm
förderlicher als das geschwächte Rußland sein konnten, ohne wie dieses den
Hintergedanken an Einheimsung der Früchte seiner und seines Volkes Arbeit
Zu hegen. Seine Beziehungen zu dem neu accreditirtcn sardinischen Consul
Astengo, der schon öffentlich Toaste auf „Milosch, den Czar der Serben" aus¬
brachte, wurden bald sehr intim. Als der italienische Krieg ausbrechen wollte,
uef Milosch alle im Ausland studirenden serbischen Offiziere heim, ließ die


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[0141] als eifrigen Verehrer Frankreichs bekannten, durch Mentschikoffs Einfluß früher schürzten Ministerpräsidenten Garaschanin zur Negierung verhelfen zu können hoffte. Der Russe wirkte durch schlaues Ränkespinnen, wobei ihm seine Frau, die gern eine kleine Fürstin Lieven gespielt hätte, recht gute Dienste leistete, und worin er um so bessere Erfolge erzielte, als Milosch's Rückberufung. freilich aus andern Gründen als die der russischen Politik waren, auch der Wunsch der nationalen Partei war. Des Essards suchte durch insolentes Auftreten beim Fürsten, Drohungen und Einschüchterungen, sowie durch cordiales Verhalten gegen die Häupter der den Fürsten feindlichen Partei zu reussiren, aber sein Candidat war nicht der Mann, den man wollte, und so konnte er Reim Sturz Alexanders, nicht aber bei dessen Ersetzung helfen. Da die Gelegenheit, den Fürsten durch eine Revolution loszuwerden, durch Oestreichs Gegenminen verzögert wurde, so schmiedete man das bekannte Complott zu seiner Ermordung, welches mit Entdeckung und Bestrafung der Hauptverschwornen endigte. Die Wirren aber dauerten fort. Der Senat strebte sich ganz unabhängig vom Fürsten zu machen und man nöthigte ihn, seine Minister nur aus der Zahl der Senatoren zu nehmen. Eine Pforten¬ commission, aus Elben Pascha und Kabuli Effendi bestehend, erschien,-um den Streit zu schlichten, machte das Uebel aber nur ärger. Wie man sagt, durch den reichen Mischa Anastasiewitsch mit goldnen Gründen gewonnen, agitirten diese türkischen Herren ganz gegen das Interesse ihrer Regierung, indem sie den Fürsten zu neuen Zugeständnissen zwangen und ihm so die letzten Stützen entzogen, die ihn vor dem Sturz bewahrt hatten. Ende November 1858 trat die bekannte Se. Andreas-Skupschtina zusammen, welche Alexander ab¬ setzte und in die Verbannung schickte und Milosch Obrenowitsch. der von Bu¬ karest aus durch Geld und Rath die Intrigue unterstützt hatte, wieder auf den Fürstensitz berief. Mit dieser Epoche beginnt das eigentliche Handeln für den allgemeinen Aufstand der Völker in der Türkei. Milosch war alt, aber noch kräftigen Geistes, sein Name hatte bei allen Südslaven einen guten Klang; so beliebt er bei diesen war, so gefürchtet war er unter den Türken. Er war auch keineswegs abgeneigt, das Werk in die Hand zu nehmen, und wenn er früher der Partisan Rußlands gewesen, so neigte er jetzt stärker zu Frankreich und Sardinien hin, die damals den Krieg gegen Oestreich vorbereiteten und ihm förderlicher als das geschwächte Rußland sein konnten, ohne wie dieses den Hintergedanken an Einheimsung der Früchte seiner und seines Volkes Arbeit Zu hegen. Seine Beziehungen zu dem neu accreditirtcn sardinischen Consul Astengo, der schon öffentlich Toaste auf „Milosch, den Czar der Serben" aus¬ brachte, wurden bald sehr intim. Als der italienische Krieg ausbrechen wollte, uef Milosch alle im Ausland studirenden serbischen Offiziere heim, ließ die 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/141>, abgerufen am 19.10.2024.