Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.kam, bereiste, allenthalben gefeiert, ganz Serbien und brachte eine scheinbare Mit dem Kriege wurde die Situation plötzlich eine vollkommen andere. Mittlerweile knüpfte man Verbindungen mit Montenegro und den Un¬ kam, bereiste, allenthalben gefeiert, ganz Serbien und brachte eine scheinbare Mit dem Kriege wurde die Situation plötzlich eine vollkommen andere. Mittlerweile knüpfte man Verbindungen mit Montenegro und den Un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111572"/> <p xml:id="ID_439" prev="#ID_438"> kam, bereiste, allenthalben gefeiert, ganz Serbien und brachte eine scheinbare<lb/> Aussöhnung zwischen Fürst und Senat zu Stande. Die Rüstungen und Ue¬<lb/> bungen wurden eingestellt, und Serbien erklärte die strengste Neutralitnt, die<lb/> auch dann bewahrt wurde, als der Krieg zwischen Rußland und der Pforte<lb/> wirklich ausbrach.</p><lb/> <p xml:id="ID_440"> Mit dem Kriege wurde die Situation plötzlich eine vollkommen andere.<lb/> Die russischen Diplomaten mußten das Land verlassen, und statt ihrer be¬<lb/> mächtigten sich die Agenten Frankreichs der Fäden, mit denen die Intriguen<lb/> gegen die Pforte gesponnen wurden. Generalconsul v. S6gur (jetzt in War¬<lb/> schau) suchte die Oestreicher beim Fürsten zu verdrängen und gewann zu glei¬<lb/> cher Zeit Einfluß auf die Senatoren und die Häupter der nationalen Partei.<lb/> Durch seine Vermittelung wurde ein französischer Genieoffizier, Kapitän Mon-<lb/> dain, nach Serbien berufen, um die geeigneten Punkte zur Anlegung von Be¬<lb/> festigungen gegen Angriffe der Türken zu bezeichnen. Durch ihn veranlaßt, er¬<lb/> schien der schweizerische Oberstleutnant Orelli, um in Serbien das Landwehr¬<lb/> system einzuführen. Beide Offiziere unterzogen sich ihrer Aufgabe mit Eifer<lb/> und Geschick. Zwar kamen ihre Vorschläge damals nicht zur Ausführung,<lb/> wol aber wurde in der Kanvnengicßerei fleißig gearbeitet, die Pulvermühle<lb/> stand keinen Tag still, die Erzeugnisse derselben brachte man in vier großen<lb/> im Gebirge liegenden Magazinen unter, die fertigen Kanonen wurden in ser¬<lb/> bischen Grenzklöstern versteckt. In einem von dem Hessen Gränzer geleiteten<lb/> Laboratorium war man ohne Unterbrechung beschäftigt, Patronen zu machen<lb/> und Hohlgeschosse zu füllen, alle vorräthigen Waffen wurden in der Reparatur-<lb/> Werkstätte besichtigt und das Fehlende ausgebessert, kurz, man rüstete im Ge¬<lb/> heimen auf das Eifrigste.</p><lb/> <p xml:id="ID_441" next="#ID_442"> Mittlerweile knüpfte man Verbindungen mit Montenegro und den Un¬<lb/> zufriedenen in Bosnien, der Herzegowina und Bulgarien, sowie mit der<lb/> griechischen Hetärie an. Es kamen und gingen Deputationen aus den ge¬<lb/> nannten Ländern. Wagenladungen mit Waffen und Pulver wurden nach<lb/> Bulgarien cingeschwürzt, und trotz aller Wachsamkeit der türkischen Behörden<lb/> gingen Massen von Salpeter ins Land. Alles dies fand während des Krieges<lb/> und in den Jahren nach demselben statt. Der Fürst hatte, soweit man ihn<lb/> davon unterrichtete. Ja dazu gesagt, obwol er der Pforte nicht übelwollte.<lb/> Es war ihm vor Allem um den Frieden und Erhaltung seiner Civilliste zu<lb/> thun, durch die sein Vermögen sich vergrößerte. Die Bcwegungspartci, die<lb/> einen Freund des Bestehenden nicht brauchen konnte, begann jetzt sich wieder<lb/> gegen ihn zu wenden, und mit ihr verbanden sich die Generalconsuln Ru߬<lb/> lands (Miloschewitsch) und Frankreichs (Des Essards), jener, weil seine Regie¬<lb/> rung den Fürsten als Freund der Oestreicher haßte und den alten Milosch<lb/> Obrenowitsch auf den Fürstcnstuhl zu bringen wünschte, dieser, weil er dem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
kam, bereiste, allenthalben gefeiert, ganz Serbien und brachte eine scheinbare
Aussöhnung zwischen Fürst und Senat zu Stande. Die Rüstungen und Ue¬
bungen wurden eingestellt, und Serbien erklärte die strengste Neutralitnt, die
auch dann bewahrt wurde, als der Krieg zwischen Rußland und der Pforte
wirklich ausbrach.
Mit dem Kriege wurde die Situation plötzlich eine vollkommen andere.
Die russischen Diplomaten mußten das Land verlassen, und statt ihrer be¬
mächtigten sich die Agenten Frankreichs der Fäden, mit denen die Intriguen
gegen die Pforte gesponnen wurden. Generalconsul v. S6gur (jetzt in War¬
schau) suchte die Oestreicher beim Fürsten zu verdrängen und gewann zu glei¬
cher Zeit Einfluß auf die Senatoren und die Häupter der nationalen Partei.
Durch seine Vermittelung wurde ein französischer Genieoffizier, Kapitän Mon-
dain, nach Serbien berufen, um die geeigneten Punkte zur Anlegung von Be¬
festigungen gegen Angriffe der Türken zu bezeichnen. Durch ihn veranlaßt, er¬
schien der schweizerische Oberstleutnant Orelli, um in Serbien das Landwehr¬
system einzuführen. Beide Offiziere unterzogen sich ihrer Aufgabe mit Eifer
und Geschick. Zwar kamen ihre Vorschläge damals nicht zur Ausführung,
wol aber wurde in der Kanvnengicßerei fleißig gearbeitet, die Pulvermühle
stand keinen Tag still, die Erzeugnisse derselben brachte man in vier großen
im Gebirge liegenden Magazinen unter, die fertigen Kanonen wurden in ser¬
bischen Grenzklöstern versteckt. In einem von dem Hessen Gränzer geleiteten
Laboratorium war man ohne Unterbrechung beschäftigt, Patronen zu machen
und Hohlgeschosse zu füllen, alle vorräthigen Waffen wurden in der Reparatur-
Werkstätte besichtigt und das Fehlende ausgebessert, kurz, man rüstete im Ge¬
heimen auf das Eifrigste.
Mittlerweile knüpfte man Verbindungen mit Montenegro und den Un¬
zufriedenen in Bosnien, der Herzegowina und Bulgarien, sowie mit der
griechischen Hetärie an. Es kamen und gingen Deputationen aus den ge¬
nannten Ländern. Wagenladungen mit Waffen und Pulver wurden nach
Bulgarien cingeschwürzt, und trotz aller Wachsamkeit der türkischen Behörden
gingen Massen von Salpeter ins Land. Alles dies fand während des Krieges
und in den Jahren nach demselben statt. Der Fürst hatte, soweit man ihn
davon unterrichtete. Ja dazu gesagt, obwol er der Pforte nicht übelwollte.
Es war ihm vor Allem um den Frieden und Erhaltung seiner Civilliste zu
thun, durch die sein Vermögen sich vergrößerte. Die Bcwegungspartci, die
einen Freund des Bestehenden nicht brauchen konnte, begann jetzt sich wieder
gegen ihn zu wenden, und mit ihr verbanden sich die Generalconsuln Ru߬
lands (Miloschewitsch) und Frankreichs (Des Essards), jener, weil seine Regie¬
rung den Fürsten als Freund der Oestreicher haßte und den alten Milosch
Obrenowitsch auf den Fürstcnstuhl zu bringen wünschte, dieser, weil er dem
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