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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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lung zur großem Hälfte (29 von 51) aus neuen Mitgliedern. Se. Majestät
der König wird ernennen, daß in dem wiederholten Ausspruch nicht eine zu¬
fällige Majorität, sondern das tiefste Gefühl des ganzen Volkes seinen Aus¬
druck findet/'

Wir kommen zum zweiten Artikel des Ausschußbcrichtes, der sich mit der
Kritik des Gesetzentwurfs über die provisorische Stellung Hol¬
steins hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
Monarchie beschäftigt.

In ihrer letzten Diät hatten die Stände im Hinblick auf die einer defi¬
nitiven Regelung der Verfassungsverhältnisse entgegenstehenden Schwierigkeiten
auf ein Provisorium angetragen, durch welches den Vertretern Holsteins rück¬
sichtlich der in gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu erlassenden Gesetze mit-
bcschließende Befugniß ertheilt werden sollte. Hiermit übereinstimmend hat
der deutsche Bund am 8. März 1860 beschlossen: "daß für die Dauer des
Zwischenzustandes alle Gesetzvorlagen, welche dem Reichsrath zugehen, auch
den Ständen der Herzogthümer Holstein und Lauenburg vorgelegt werden, und
kein Gesetz über gemeinschaftliche Angelegenheiten, namentlich auch in Finanz¬
sachen, für die Herzogthümer erlassen werde, wenn es nicht die Zustimmung
der Stände dieser Herzogthümer erhalten habe." Seitdem sind zwei Jahre
verflossen, ohne daß etwas geschehen wäre, was das erschütterte Vertrauen zu
der Negierung denselden könnte. Das Vorwiegen des dänischen Einflusses in
letzterer, der Mangel jeder wirksamen Vertretung Schleswigs und Holsteins in
den wichtigsten staatlichen Angelegenheiten, der finanzielle Druck, der auf den
Herzogthümern lastet, die Beeinträchtigung der deutschen Nationalität in Schles¬
wig und alle andern Mißstände, über die man sich damals zu beschweren
hatte, dauern fort. Die Concessionen, die man zu Anfang des Jahres den
deutschen Schleswigern machte, waren von kleinlichster Art und konnten deren
Lage nicht bessern.

"In Holstein" -- so klagt der Ausschuß -- "ist die Polizeigewalt in Be¬
wegung gesetzt, um Einzclpetitioncn politischen Inhalts an die Ständeversamm-
lung zu verhindern, obwol das Petitionsrecht durch die Verfassung gewähr¬
leistet ist und nach dem Ausspruch der Gerichte die von deu Petenten gewähl¬
ten Formen gesetzlich erlaubt siud. In Schleswig, wo die gleichen gesetzlichen
Bestimmungen gelten, werden wegen solcher Petitionen erlaubten, aber mi߬
liebigen Inhalts Hunderte gerichtlich verfolgt und bestraft. Einer der Ver¬
fasser (v. Ruhmor) wird mit schwerer Festungsstrafe belegt, weil er das Ver¬
brecherische einer Handlungsweise Hütte einsehen müssen, welche ein Gutachten
der Kieler Juristenfacultät für gesetzlich zulässig erklärt. Wegen Verbreitung
des Adreßentwurss der Majorität der schleswigschen Ständeversammlung, welche
schließlich von den Gerichten für straflos erklärt worden, wird einem Buch-


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lung zur großem Hälfte (29 von 51) aus neuen Mitgliedern. Se. Majestät
der König wird ernennen, daß in dem wiederholten Ausspruch nicht eine zu¬
fällige Majorität, sondern das tiefste Gefühl des ganzen Volkes seinen Aus¬
druck findet/'

Wir kommen zum zweiten Artikel des Ausschußbcrichtes, der sich mit der
Kritik des Gesetzentwurfs über die provisorische Stellung Hol¬
steins hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
Monarchie beschäftigt.

In ihrer letzten Diät hatten die Stände im Hinblick auf die einer defi¬
nitiven Regelung der Verfassungsverhältnisse entgegenstehenden Schwierigkeiten
auf ein Provisorium angetragen, durch welches den Vertretern Holsteins rück¬
sichtlich der in gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu erlassenden Gesetze mit-
bcschließende Befugniß ertheilt werden sollte. Hiermit übereinstimmend hat
der deutsche Bund am 8. März 1860 beschlossen: „daß für die Dauer des
Zwischenzustandes alle Gesetzvorlagen, welche dem Reichsrath zugehen, auch
den Ständen der Herzogthümer Holstein und Lauenburg vorgelegt werden, und
kein Gesetz über gemeinschaftliche Angelegenheiten, namentlich auch in Finanz¬
sachen, für die Herzogthümer erlassen werde, wenn es nicht die Zustimmung
der Stände dieser Herzogthümer erhalten habe." Seitdem sind zwei Jahre
verflossen, ohne daß etwas geschehen wäre, was das erschütterte Vertrauen zu
der Negierung denselden könnte. Das Vorwiegen des dänischen Einflusses in
letzterer, der Mangel jeder wirksamen Vertretung Schleswigs und Holsteins in
den wichtigsten staatlichen Angelegenheiten, der finanzielle Druck, der auf den
Herzogthümern lastet, die Beeinträchtigung der deutschen Nationalität in Schles¬
wig und alle andern Mißstände, über die man sich damals zu beschweren
hatte, dauern fort. Die Concessionen, die man zu Anfang des Jahres den
deutschen Schleswigern machte, waren von kleinlichster Art und konnten deren
Lage nicht bessern.

„In Holstein" — so klagt der Ausschuß — „ist die Polizeigewalt in Be¬
wegung gesetzt, um Einzclpetitioncn politischen Inhalts an die Ständeversamm-
lung zu verhindern, obwol das Petitionsrecht durch die Verfassung gewähr¬
leistet ist und nach dem Ausspruch der Gerichte die von deu Petenten gewähl¬
ten Formen gesetzlich erlaubt siud. In Schleswig, wo die gleichen gesetzlichen
Bestimmungen gelten, werden wegen solcher Petitionen erlaubten, aber mi߬
liebigen Inhalts Hunderte gerichtlich verfolgt und bestraft. Einer der Ver¬
fasser (v. Ruhmor) wird mit schwerer Festungsstrafe belegt, weil er das Ver¬
brecherische einer Handlungsweise Hütte einsehen müssen, welche ein Gutachten
der Kieler Juristenfacultät für gesetzlich zulässig erklärt. Wegen Verbreitung
des Adreßentwurss der Majorität der schleswigschen Ständeversammlung, welche
schließlich von den Gerichten für straflos erklärt worden, wird einem Buch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/13>, abgerufen am 02.07.2024.