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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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beiden Ufern des Bosporus sind sie auffallend dünn gesäet. Eine den von
Visquenel 1856 angestellten Untersuchungen entnommene Tabelle zeigt, daß
in Konstantinopel 219.000 Türken neben 102,000 Rajah. in dessen Vorstädten
Ejub, Chasköi, Kassen Pascha, Tatavola, Pera, Galata, Tophanc und Fün-
dükli 83,500 der ersteren neben 73,500 der letzteren wohnen. In Skutari
befinden sich 26,500 Türken und. 22,500 Rajah, in den übrigen Städten und
Dörfern am Bosporus 47,000 von jenen und 70,900 von diesen. Auf den
Prinzeninseln wohnen nur Griechen, und zwar in der Zahl von 2400. Kon-
stantinopel hätte sonach eine Einwohnerzahl von ungefähr 643,000 Menschen,
worunter 376,000 Osmanli. Wie viele der letzteren sich in der ganzen euro¬
päischen Türkei befinden, ist nicht zu sagen, doch wird ihre Zahl das Drei¬
fache der Zahl des türkischen Elements in der Haupstadt und ihrer Umgebung
nicht übersteigen. Die Türken bedienen sich im ganzen Reiche ihrer nationa¬
len Sprache, die von der stark mit persischen Worten gemischten türkischen
Schriftsprache unterschieden werden muß. Nur die auf Candia wohnenden
Osmanli haben jene mit dem neugriechischen vertauscht.

Nahe Verwandte der Türken sind die Uuruken, eingewanderte Turkomanen,
welche in Thracien und im östlichen Macedonien zerstreute Gruppen bilden,
im Sommer auf den Hochebenen des Rhodope mit ihren Heerden umherziehen
und nur im Winter in Dörfern wohnen. Letztere haben sich hauptsächlich in
der Ebene von Seres, nach Drama hin, sowie längs der Bergkette nordöstlich
von Salonik dichter gruppirt. Sie zählen nur einige tausend Köpfe und sind
ein harmloses Volk, dessen Ehrlichkeit und Gutmüthigkeit alle Reisenden loben.
Entferntere Verwandte der Osmanli sind die fälschlich als Tartaren bezeichneten
Nogaier der Dobrudscha, die sich seit dem letzten Kriege durch Einwanderungen
aus der Krim beträchtlich verstärkt haben und jetzt gegen 40,000 Seelen zahlen.
Sie treiben etwas Ackerbau, meist aber Viehzucht und erkennen, obwol der
Pforte Unterthan, die Autorität eines erblichen Khan an, der seinen Sitz zu
Tschctal Orman, nahezu im Mittelpunkt des von ihnen bewohnten Gebietes hat.

Rechnet man zu den genannten Zweigen der türkischen Race, die sämmt¬
lich Mohammedaner sind, noch die fünf arabischen Dörfer bei Basardschyk,
sowie die serbischen, bulgarischen und albanischen Moslemin, so wird man
die Zahl der Einwohner der europäischen Türkei, die sich zum Islam bekennen,
annähernd auf 2 bis 2>/a Millionen schätzen können.

Der Stamm der Griechen nimmt in der europäischen Türkei gegenwärtig,
wie bemerkt, mit wenigen Unterbrechungen das ganze Gestade des, Archipela¬
gus, des Marmora- und des Schwarzen Meeres ein, vom Golf von Lamm
bis an die Thore von Varna. Diese große Küstenausdehnnng hat nur da
Lücken, wo der bulgarische Stamm das Meer erreicht, wie bei Salonik und
Burgas. Außerhalb dieses bald breiteren, bald schmaleren Streifens bilden


beiden Ufern des Bosporus sind sie auffallend dünn gesäet. Eine den von
Visquenel 1856 angestellten Untersuchungen entnommene Tabelle zeigt, daß
in Konstantinopel 219.000 Türken neben 102,000 Rajah. in dessen Vorstädten
Ejub, Chasköi, Kassen Pascha, Tatavola, Pera, Galata, Tophanc und Fün-
dükli 83,500 der ersteren neben 73,500 der letzteren wohnen. In Skutari
befinden sich 26,500 Türken und. 22,500 Rajah, in den übrigen Städten und
Dörfern am Bosporus 47,000 von jenen und 70,900 von diesen. Auf den
Prinzeninseln wohnen nur Griechen, und zwar in der Zahl von 2400. Kon-
stantinopel hätte sonach eine Einwohnerzahl von ungefähr 643,000 Menschen,
worunter 376,000 Osmanli. Wie viele der letzteren sich in der ganzen euro¬
päischen Türkei befinden, ist nicht zu sagen, doch wird ihre Zahl das Drei¬
fache der Zahl des türkischen Elements in der Haupstadt und ihrer Umgebung
nicht übersteigen. Die Türken bedienen sich im ganzen Reiche ihrer nationa¬
len Sprache, die von der stark mit persischen Worten gemischten türkischen
Schriftsprache unterschieden werden muß. Nur die auf Candia wohnenden
Osmanli haben jene mit dem neugriechischen vertauscht.

Nahe Verwandte der Türken sind die Uuruken, eingewanderte Turkomanen,
welche in Thracien und im östlichen Macedonien zerstreute Gruppen bilden,
im Sommer auf den Hochebenen des Rhodope mit ihren Heerden umherziehen
und nur im Winter in Dörfern wohnen. Letztere haben sich hauptsächlich in
der Ebene von Seres, nach Drama hin, sowie längs der Bergkette nordöstlich
von Salonik dichter gruppirt. Sie zählen nur einige tausend Köpfe und sind
ein harmloses Volk, dessen Ehrlichkeit und Gutmüthigkeit alle Reisenden loben.
Entferntere Verwandte der Osmanli sind die fälschlich als Tartaren bezeichneten
Nogaier der Dobrudscha, die sich seit dem letzten Kriege durch Einwanderungen
aus der Krim beträchtlich verstärkt haben und jetzt gegen 40,000 Seelen zahlen.
Sie treiben etwas Ackerbau, meist aber Viehzucht und erkennen, obwol der
Pforte Unterthan, die Autorität eines erblichen Khan an, der seinen Sitz zu
Tschctal Orman, nahezu im Mittelpunkt des von ihnen bewohnten Gebietes hat.

Rechnet man zu den genannten Zweigen der türkischen Race, die sämmt¬
lich Mohammedaner sind, noch die fünf arabischen Dörfer bei Basardschyk,
sowie die serbischen, bulgarischen und albanischen Moslemin, so wird man
die Zahl der Einwohner der europäischen Türkei, die sich zum Islam bekennen,
annähernd auf 2 bis 2>/a Millionen schätzen können.

Der Stamm der Griechen nimmt in der europäischen Türkei gegenwärtig,
wie bemerkt, mit wenigen Unterbrechungen das ganze Gestade des, Archipela¬
gus, des Marmora- und des Schwarzen Meeres ein, vom Golf von Lamm
bis an die Thore von Varna. Diese große Küstenausdehnnng hat nur da
Lücken, wo der bulgarische Stamm das Meer erreicht, wie bei Salonik und
Burgas. Außerhalb dieses bald breiteren, bald schmaleren Streifens bilden


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[0122] beiden Ufern des Bosporus sind sie auffallend dünn gesäet. Eine den von Visquenel 1856 angestellten Untersuchungen entnommene Tabelle zeigt, daß in Konstantinopel 219.000 Türken neben 102,000 Rajah. in dessen Vorstädten Ejub, Chasköi, Kassen Pascha, Tatavola, Pera, Galata, Tophanc und Fün- dükli 83,500 der ersteren neben 73,500 der letzteren wohnen. In Skutari befinden sich 26,500 Türken und. 22,500 Rajah, in den übrigen Städten und Dörfern am Bosporus 47,000 von jenen und 70,900 von diesen. Auf den Prinzeninseln wohnen nur Griechen, und zwar in der Zahl von 2400. Kon- stantinopel hätte sonach eine Einwohnerzahl von ungefähr 643,000 Menschen, worunter 376,000 Osmanli. Wie viele der letzteren sich in der ganzen euro¬ päischen Türkei befinden, ist nicht zu sagen, doch wird ihre Zahl das Drei¬ fache der Zahl des türkischen Elements in der Haupstadt und ihrer Umgebung nicht übersteigen. Die Türken bedienen sich im ganzen Reiche ihrer nationa¬ len Sprache, die von der stark mit persischen Worten gemischten türkischen Schriftsprache unterschieden werden muß. Nur die auf Candia wohnenden Osmanli haben jene mit dem neugriechischen vertauscht. Nahe Verwandte der Türken sind die Uuruken, eingewanderte Turkomanen, welche in Thracien und im östlichen Macedonien zerstreute Gruppen bilden, im Sommer auf den Hochebenen des Rhodope mit ihren Heerden umherziehen und nur im Winter in Dörfern wohnen. Letztere haben sich hauptsächlich in der Ebene von Seres, nach Drama hin, sowie längs der Bergkette nordöstlich von Salonik dichter gruppirt. Sie zählen nur einige tausend Köpfe und sind ein harmloses Volk, dessen Ehrlichkeit und Gutmüthigkeit alle Reisenden loben. Entferntere Verwandte der Osmanli sind die fälschlich als Tartaren bezeichneten Nogaier der Dobrudscha, die sich seit dem letzten Kriege durch Einwanderungen aus der Krim beträchtlich verstärkt haben und jetzt gegen 40,000 Seelen zahlen. Sie treiben etwas Ackerbau, meist aber Viehzucht und erkennen, obwol der Pforte Unterthan, die Autorität eines erblichen Khan an, der seinen Sitz zu Tschctal Orman, nahezu im Mittelpunkt des von ihnen bewohnten Gebietes hat. Rechnet man zu den genannten Zweigen der türkischen Race, die sämmt¬ lich Mohammedaner sind, noch die fünf arabischen Dörfer bei Basardschyk, sowie die serbischen, bulgarischen und albanischen Moslemin, so wird man die Zahl der Einwohner der europäischen Türkei, die sich zum Islam bekennen, annähernd auf 2 bis 2>/a Millionen schätzen können. Der Stamm der Griechen nimmt in der europäischen Türkei gegenwärtig, wie bemerkt, mit wenigen Unterbrechungen das ganze Gestade des, Archipela¬ gus, des Marmora- und des Schwarzen Meeres ein, vom Golf von Lamm bis an die Thore von Varna. Diese große Küstenausdehnnng hat nur da Lücken, wo der bulgarische Stamm das Meer erreicht, wie bei Salonik und Burgas. Außerhalb dieses bald breiteren, bald schmaleren Streifens bilden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/122>, abgerufen am 27.09.2024.